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Gießener Schreibwerkstatt um Manfred Denker

Schreiben auf Kommando?
von Marianne W. Bayer

Wie alle Lebenden sind auch die Schreibenden verschieden. Der eine schöpft aus dem eigenen Inneren, muss ganz in Ruhe gelassen werden, bis er sich ausgeschrieben hat - Themen-Diktat lähmt ihn tödlich! Der andere braucht einen Auftraggeber, eine imaginäre Zielgruppe vom ersten Wort an - nicht etwa aus kommerziellen Gründen, sondern zum Anwerfen des Motors. Man schreibt "für" einen heimlich Geliebten, der das Geschriebene dann gar nicht liest, oder man schreibt zu jedem ausgeschriebenen Thema - ohne Gier nach Ruhm, einfach weil das vorgegebene Reizwort sowie der Abgabetermin beflügeln.

Für Schreibende dieser Art ist das Konzept der kleinen Gruppe um Manfred Denker geeignet. Man trifft sich etwa einmal im Monat bei Wein, Saft und Salzstangen in einem bürgerlichen Wohnzimmer, und nach einer Entspannungsphase werden assoziativ oder per Zufallswahl ein paar Wörter zusammengestellt, die in der Kurzprosa oder im Gedicht eines jeden "vorkommen" sollen. Dann wird etwa eine Stunde lang gekritzelt (am Anfang vermisste ich meinen Computer sehr) und danach vorgelesen. Meistens wird man gelobt - mit kleinen Korrekturvorschlägen - und nimmt sich fest vor, das Gekritzel daheim zum größeren Werk auszubauen. Dies erweist sich allerdings oft als Strohfeuer. Der neue Morgen sagt: "Mei, was hast du da für ein' Kitsch zsammgeschriem!" Doch ist die Kitschtoleranz auch ein Positivum der derzeitigen, von älteren Normalberuflern geprägten Gruppe: Fern vom jungliterarischen Zwang zu Wertverlust, Absurdität und Ironie sind hier Liebesleid und Abenteuer, Arbeitslosigkeit und soziales Engagement zugelassen.

Kontakt: 0641/65558 oder 77347


   
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