Wissenschaftliche Publikationen Texte Spätaufklärung und Gegenaufklärung
5. Der Porträtist der Gießener und Darmstädter Schwarzen. Momentaufnahmen der gescheiterten Karriere des spätromantischen Kunstmalers Carl Sandhaas (1801-1859)

5.1. "Rücksicht für das Kleine, Zerstreute, Mannichfaltige": Wendung des Blicks auf eine 'verkrachte' Künstlerexistenz
5.2. Stand der Sandhaas-Forschung
5.3. Bezugsfelder während des Aufenthalts in Darmstadt
5.3.1 Das Darmstädter Hofoperntheater
5.3.2. Darmstädter und Gießener Schwarze
5.3.3. Freundschaftskult des Darmstädter Künstlerkreises
5.4. Aufenthalte in Freiburg, München und Italien
5.5. Letztes Aufblühen des romantischen Freundschaftsbundes und Aufenthalt in Frankfurt am Main


5.1. "Rücksicht für das Kleine, Zerstreute, Mannichfaltige": Wendung des Blicks auf eine 'verkrachte' Künstlerexistenz

Wenn wir an die Opfer eines Zustandes denken, so fallen uns zunächst diejenigen Opfer ein, welche durch Persönlichkeit oder Verhältnisse oder besonders trauriges Schicksal die ausgezeichnetsten sind. Von diesen spricht und schreibt man am Meisten; wenn man für dern allgemeinen Zustand Einzelbeispiele aufführen will, greift man nach den ihrigen. Und doch hatte auch der gewöhnlichere Mensch, der Mann, der nicht von hohem Rang gewesen, der keine Bücher geschrieben, der nicht gerade das äußerste Unglück getragen, schon genug damit zu thun. Auch die Unbedeutenderen hatten fühlende Herzen. Ihre Sinneswerkzeuge waren dem Schmerz zugängig; sie litten durch Frost, Hitze, Mangel, Entbehrungen, Wunden. Sie standen in Verhältnissen, deren Störung ihnen häufig noch weher that, als was sie selbst ausstehen mußten. Sie hatten Angehörige.1

Der dieses Plädoyer gegen das leise Vergessen der unbeutenden, vernachlässigten, ungekannten und aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängten Opfer ihrer jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse verfaßte, verstand sich als Anwalt der politisch Verfolgten der Liberalisierungs- und Demokratisierungsbewegung des hessischen Vormärz und hat sich vor allem durch seine publizistische Parteinahme für die von Zensur, Kabinettsjustiz und Inquisitionsprozessen Betroffenen wie den Butzbacher Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig und den Marburger Professor der Rechtswissenschaften Sylvester Jordan einen Namen gemacht.2 Karl Buchner, von dem hier die Rede ist, gehörte auch zum Darmstädter Freundes- und Bekanntenkreis des Kunstmalers Carl Sandhaas, der zu dem Zeitpunkt, da Buchner der Forderung nach einer politischen Geschichtsschreibung aus der Perspektive der fast Vergessenen Nachdruck verlieh, sich in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern einer psychiatrischen Behandlung - soweit davon im Jahr 1845 überhaupt die Rede sein kann, - unterzog. In diese Anstalt war Sandhaas zwangsweise eingeliefert worden, nachdem er in den Bergen oberhalb seines Heimatortes Haslach im Kinzigtal, einem Kleinstädtchen im mittleren Schwarzwald, als sozialer Außenseiter in einer selbstverfertigten Laubhütte gehaust hatte, durch nachlässigen Umgang mit Feuer einen Waldbrand verursacht hatte und nach einer mehrtägigen Jagd von den Bürgern seiner Heimatstadt aufgegriffen worden war.3
Der Perspektivenwechsel vom Großen zum Kleinen, den Buchner für den politisch-historischen Bereich propagiert, wurde in ästhetischen Begrifflichkeiten von einem weiteren Mitglied des Darmstädter Freundeskreises bereits zwei Jahre vorher reflektiert. In der für seine Kunstauffassung programmatischen Einleitung zu einer Schrift mit dem Titel 'Arabische und Alt-Italienische Bau-Verzierungen', die als eines der Standardwerke zur Geschichte der Ornamentarabeske zu betrachten ist, verweist der Professor für Baukunst am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main Friedrich Maximilian Hessemer4 darauf, daß "die allgemeinsten Veranlassungen und Bedingnisse" der arabisch-islamischen Bauverzierungen und der Ornamentarabeske dem ästhetischen Strukturfeld einer 'Kunst von unten' entspringt:

Also nicht eine grosse erhabene Idee, die den Menschen mit einem Ewigen, Unendlichen, den er über sich erkennt oder ahnet, in Berührung brächte, sondern umgekehrt die Rücksicht für das Kleine, Zerstreute, Mannichfaltige, das anscheinend Zufällige, und einer unbeschränkten Wahl Ueberlassene; keine durch das innere Leben und seine höchsten Interessen bedingte Befriedigung, sondern eine für die äussere Umgebung; nichts Erhebendes, sondern nur Ordnendes; nichts Ernstes, Grosses, Wichtiges, sondern nur das Heitere, Bequeme, Erfreuende, das mehr auf die Erregung der Sinne als des Geistes gerichtet ist.5

Vielleicht ist in dieser bloßen antithetischen Setzung, in der grammatikalisch gesehen eine Prädikatphrase fehlt, auf symptomatische Weise die Schwebelage widergespiegelt, die Hessemer zwischen den beiden ästhetischen Blickfeldern einzunehmen scheint. Das erhabene Große wird durch die Blickwendung auf die scheinbar marginale Ornamentarabeske für Hessemer offensichtlich nicht prinzipiell in Frage gestellt, und das zwar für eine unbeschränkten Formenvielfalt offene, aber "nur" heitere Kleine findet hier keine so entscheidende Aufwertung, daß daraus seine Vorrangstellung abgeleitet werden könnte. Für Hessemer ist das Überraschungsmoment von zentraler Bedeutung, das sich während des Prozesses des Perspektivenwechsels für den Betrachter einstellt, denn, so heißt es in seinen 'Bauverzierungen' weiter, nirgends werde der Künstler durch sein eigenes Werk so sehr überrascht, als

wenn eine Decoration [d.h. eine arabisch-islamische Ornamentarabeske] der allgemeinen Anlage nach gefertigt ist, und dann ins Specielle ausgeführt wird, oder aus verjüngtem Maassstab ins Grosse übertragen. Was als Hauptsache angelegt war, verliert sich dann oft in der Uebersicht des Ganzen, das Untergeordnete wird dann leicht bedeutend und die Wirkung der Farben gegen einander so sehr verändert, dass die leitende Absicht oft kaum noch zu erkennen ist.6

Sowohl Karl Buchners historiographisches Konzept der Blickführung auf die vergessenen Opfer der politischen Verhältnisse im hessischen Vormärz als auch Friedrich Maximilian Hessemers kunsttheoretische Überlegungen zur partiellen Aufwertung der scheinbar marginalen Kunstform der Ornamentarabeske sollen die thematische Einstimmung für die hier folgende kleine Studie über die verkrachte Existenz eines spätromantischen Kunstmalers abgeben. Daß Buchner und vor allem Hessemer zum engen Freundeskreis von der hier vorzustellenden Randfigur der Kunstgeschichte Carl Sandhaas gehören, macht sie insofern umso mehr für diese Aufgabe geeignet, als ihre konzeptionellen Überlegungen in seinen Selbstreflexionsprozeß eingeflossen sein dürften und mit großer Wahrscheinlichkeit für sein eigenes Selbstverständnis konstitutiv sind. Denn Sandhaas hat nicht nur der Liberalisierungs- und Demokratisierungsbewegung des hessischen Vormärz nahegestanden, sondern auch sich künstlerisch mit der Arabeskentradition der Romantik auseinandergesetzt. Von ihrem gesamten methodischen Ansatz her ist die folgende Untersuchung den Anregungen Buchners und Hessemers verpflichtet, indem sie sich nämlich der Erforschung mikrohistorischer Phänomene und Prozesse, des Individuellen, Beiläufigen, Entstellten, halb Ausgelöschten öffnet, scheinbar marginale historische, kunsthistorische und literaturhistorische Phänomene abseits der Makrohistorie aufnimmt und Themen des Privaten, Persönlichen und des Gelebten zum Gegenstand der Analyse macht. Einer Beschränkung auf die Grenzen eines Faches im traditionellen Sinn wird dabei tendenziell entgegenzuarbeiten sein.

Der Lebenslauf des Kunstmalers Carl Sandhaas, soweit er sich rekonstruieren läßt, ist die vita eines sozialen Versagers. Bereits die Bezeichnung 'Kunstmaler' griffe dann zu hoch, wenn man darunter einen Künstler verstünde, der größere, in Öl gemalte Bilder angefertigt hat und dessen Gemälde die Gallerien und Kunstmuseum bevölkern. Da es sich bei den von Sandhaas hinterlassenen Arbeiten fast ausschließlich um Blei- oder Federzeichnungen bzw. aquarellierte Skizzen handelt, wäre er treffender als Aquarellist und Zeichner zu bezeichnen, ohne daß damit allerdings die Tatsache unterdrückt werden soll, daß er auch in benachbarten Metiers wie Lithographie, Freskomalerei etc. und sogar in der Ölmalerei gearbeitet hat.7 Seine Negativkarriere ist schnell umrissen: Unehelich geboren und in der 'fernen' Großstadt protestantisch getauft, ist seine Kindheit und frühe Jugend im katholisch-kleinbürgerlichen Muff seiner Heimatstadt8 durch die mit einer sozialen Diskriminierung verbundenen psychischen Kränkungen gekennzeichnet. Schon früh entwickelt er ein zeichnerisches Talent, das ihm zur Kompensation seiner sozialen Desintegration dient und ihn für eine Künstlerlaufbahn prädestiniert, zumal ein Bruder der ebenfalls als soziale Randperson stigmatisierten Mutter, der in den südeutschen Residenzstädten als Dekorations- und Theatermaler sein Auskommen findet, ihn in seine Obhut zu nehmen bereit ist und für seine kunsthandwerkliche Ausbildung sorgt. Seine Hinwendung zu den romantisierenden Kunstbestrebungen der jüngeren Generation seiner Altersgenossen führt zum Bruch mit der nun von ihm verachteten Auftragskunst seines Onkels. Die weitere, im wesentlichen autodidaktische Ausbildung seiner künstlerischen Fähigkeiten wird etwa von seinem dreißigsten Lebensjahr an durch zeitweise auftretende Schübe geistiger Zerrüttung gehemmt, wodurch kontinuierliche Arbeiten an größeren, zeitraubenden Projekten oder gar eine Anstellung, die ihm einen dauerhaften Broterwerb gesichert hätte, vereitelt wird. Vereinzelte, meist von Bekannten und Freunden vermittelte Aufträge unterbrechen immer seltener einen Prozeß der äußeren und inneren Verwahrlosung, der durch die Stationen einer zwangsneurotischen Wandertätigkeit ohne festen Wohnsitz, eines gewissermaßen obdachlosen Vegetierens am Rande der bürgerlichen Zivilisation in einer Laubhütte im Gebirgswald oberhalb seiner Heimatstadt, einer zeitweisen Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt und schließlich eines entmündigten und durch geistige Umnachtung gekennzeichneten Fristen des Lebensabends in den elenden Verhältnissen eines Armenhospitals abgesteckt ist.
Ein solchermaßen 'verkrachter' Lebenslauf, der für die Kunstepoche der Spätromantik vermutlich ebensowenig außerordentlich ist wie für die sich von der feudal-absolutistischen Vereinnahmung emanzipierenden bürgerlichen Kunstproduktion schlechthin, hätte an sich schon, nämlich aus Gründen der Humanität und der wachsamen Aufmerksamkeit auf Strukturphänomene des sozialen Scheiterns das Interesse der Nachwelt verdient. Daß diese vita eines gescheiterten Künstlers und sozialen Außenseiters aber zum Gegenstand einer, wenn auch nicht auf die traditionellen Grenzen des Faches festlegbaren, literaturwissenschaftlichen Arbeit avancieren kann, ist durch ein in dieser Art in der deutschen Kulturgeschichte wohl einzigartiges Kuriosum bedingt. Die Kenntnis von der Existenz des bereits von seinen Zeitgenossen vergessenen Künstlers beruht nämlich wesentlich und nahezu ausschließlich auf einer literarischen Fiktionalisierung seines Lebenslaufes, die der Pfarrer und Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob knapp dreißig Jahre nach dem Tod seines Protagonisten 1888 in seinem Erzählband 'Wilde Kirschen' veröffentlichte.

5.2. Stand der Sandhaas-Forschung


Es ist heute unbestritten, daß der in Haslach im Kinzigtal beheimatete Kunstmaler Carl Sandhaas (1801-1859) vor allem als Zeichner und Aquarellist zu den bedeutendsten Vertretern der Spätromantik in Baden zu rechnen ist. Dies gilt bereits als sicher, obwohl der volle Umfang seiner künstlerischen Arbeiten kaum ausgewertet ist. Erst vor kurzem ist beispielsweise ein Konvolut von 49 unbekannten Zeichnungen und Aquarellen in einem Straßburger Nachlaß entdeckt worden9, und auch für die Zukunft dürfte noch mit ähnlichen Funden zu rechnen sein.
Aber auch die bereits bekannten Arbeiten bergen einige Überraschungen, die vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung der Romantikforschung in Deutschland nur darauf warten, in den kunstwissenschaftlichen Diskurs einbezogen zu werden. In diesem Zusammenhang wäre von der Vorstellung Abstand zu nehmen, Sandhaas sei lediglich ein begabter, aber verkannter Porträtist und Landschaftszeichner gewesen, der sein Talent nicht systematisch ausgebildet und verkümmern lassen habe. Als Beleg für eine solche Einschätzung sind die zahlreichen, flüchtig hingeworfenen Arabesken, Grotesken und Harlekinaden in seinen Skizzenbüchern betrachtet worden, die man vor allem als Anzeichen seines ausbrechenden oder bereits ausgebrochenen Wahnsinns interpretiert hat. Heute wissen wir, daß es sich dabei um Auseinandersetzungen mit zentralen ästhetischen Kategorien der Spätromantik handelt.10
Sandhaas dürfte sich seine Arabeskentechnik im Umgang mit Eugen Neureuther angeeignet haben, der sich gleichzeitig mit ihm in München aufhielt und zu dessen Werk sich auch weitere Parallelen in den Arbeiten Sandhaas' auffinden lassen. Von vergleichbarer kunstwissenschaftlicher Bedeutung dürften sich die Porträts von Kranken und Wahnsinnigen erweisen, die Sandhaas für den Freiburger Arzt und Schriftsteller Karl Heinrich Baumgärtner hergestellt hat. Auch wenn es sich dabei um Auftragsarbeiten gehandelt hat, behaupten sie einen kunsthistorischen Stellenwert auf dem Weg von der Physiognomiestudie zum Irrenporträt, den beispielsweise Wilhelm Kaulbach in seinem Stich "Narrenhaus" etwa gleichzeitig mit Sandhaas beschritten hat.11 Schließlich sei noch auf bislang vollkommen unbeachtete Bleistiftpausen nach unbekannten Porträtstudien Karl Philipp Fohrs zu dessen Greco-Blatt hingewiesen, die neben anderen Arbeiten von Carl Sandhaas in der Graphischen Sammlung des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt am Main aufbewahrt werden. Sie sind Zeugnisse für die Zugehörigkeit Sandhaas' zu dem jüngeren Heidelberger und Darmstädter Romantikerkreis, mit dem er sich bis etwa 1830 verbunden sah. Besonders engen freundschaftlichen Kontakt pflegte er in dieser Zeit mit Daniel Fohr, Ernst Fries, Heinrich Schilbach, August Lucas, Peter App und nicht zuletzt mit Friedrich Maximilian Hessemer. Die Rolle, die Sandhaas in der wechselseitigen Beeinflussung dieses Künstlerkreises gespielt hat, ist keineswegs als gering zu erachten und bedarf noch der eingehenden systematischen Analyse. Mehrere zwischen 1815 und 1830 entstandene Blätter bezeugen, wie sehr dieser Künstlerkreis einer Gedankenwelt verpflichtet war, die als Erbe des Heidelberger Romantikerkreises um Görres, Arnim, Brentano und Eichendorff zu betrachten ist. Dies schlägt sich in Denkmustern wie einsiedlerische Einsamkeit als ideale Lebensweise, Verehrung der Nacht, Sehnsucht nach dem Tode und Hineinhorchen in intuitiv empfundene Traumwelten ebenso nieder, wie in der eigentümlichen Landschaftserfahrung als Wirkung eines wundersamen Zusammenspiels zwischen Gegenstand und Betrachter. Für die jungen Darmstädter Künstler wendet sich Landschaft in einer Art von magischem Appell an den Landschaftsmaler, der seinerseits über eine sensible imaginative Wahrnehmung verfügt, so daß in einem Prozeß beiderseitigen kreativen Wechselspiels das Kunstwerk entsteht.
Eine weitere Traditionslinie aus der Heidelberger Romantik läßt sich in einer Auswahl von Motiven nachweisen, die Sandhaas in dieser Zeit bearbeitete und die eine Vorliebe für das Archetypische erkennen lassen, indem nämlich ein von gekünstelter Zivilisation noch unverstelltes heroisches Zeitalter heraufbeschworen und zur Darstellung gebracht wird. Diesem Rückgriff auf eine vermeintlich unverfälschte Vorzeit entspricht auf einer anderen Ebene die idealtypische, quasireligiöse Verehrung der kindlichen Einfalt, die als Ausdruck eines unbewußten Naturzustands die Reinheit einer früheren Lebens- und Kulturstufe symbolisiert. Bildliche Darstellungen von Kindern, die sich in einem Reigen vereinen und die Weise der Natur auf ihren Lippen tragen, sind Ausdruck des in die Krise geratenen individuellen Ichs, das durch die Sehnsucht nach einer Art von kollektivem Es den Ausstieg aus dem eigenen Bewußtsein anstrebt. Wie schon bei Philipp Otto Runge treten diese Motive bei Sandhaas in der Nachbarschaft von rankenden Pflanzenarabesken auf, die die Steigerung des rein Kindlichen zu einem, als höchste Stufe vollendeten Lebens verstandenen, rein pflanzenhaften Vegetieren versinnbildlichen.
Aber nicht nur für den Kunsthistoriker, sondern auch für den Literaturwissenschaftler stellt sich das Phänomen Carl Sandhaas als Herausforderung an die Forschung dar, insofern nämlich seine Biographie als Stoff für eine ganze Reihe von literarischen Verarbeitungen unterschiedlichster Ausprägungen verwendet worden ist. Es handelt sich dabei um einige romantische Gedichte von F. M. Hessemer, die sich mit der Künstlerproblematik befassen und die Episoden aus dem Leben seines Freundes Carl Sandhaas zum Gegenstand haben. Weiterhin ist eine epische Verarbeitung des Sandhaasstoffes von Julius Allgeyer aus dem Jahre 1854 (veröffentlicht 1959) zu nennen, bevor Heinrich Hansjakob mit seiner Prosaerzählung 'Der närrische Maler'12 in einer Mischung aus Fiktion und historischer Detailtreue die bekannteste Version des Stoffes liefert. Sie ist dann auch Ausgangspunkt für weitere literarische Umsetzungen, nämlich durch Georg von Oertzen in dem Gedichtband 'Auf Schwarzwaldwegen' von 1896, durch Fritz Droop in seiner expressionistischen dramatischen Dichtung 'Maler Sandhaas' von 1924 und schließlich durch Erwin Moser in seinem Heimatspiel 'Der närrische Maler'.
Während also eingehende kunsthistorische und literaturwissenschaftliche Untersuchungen zu Carl Sandhaas noch ausstehen, ist eine bescheidene, aber anhaltende Forschungstradition zur Biographie des Künstlers seit dem Erscheinen der Erzählung Hansjakobs zu verzeichnen.13 Insbesondere die Arbeiten von Martin Ruch, der Krankenakten aus der Irrenanstalt Illenau ausfindig gemacht hat, und von Manfred Hildenbrand, der die Frage des Geburtsortes von Carl Sandhaas und der Vaterschaft J. B. Seeles geklärt hat, eröffnen einen neuen und grundlegenderen Blick auf die Vita dieses Künstlers. Im folgenden sollen einige weitere Mosaiksteine vor allem aus der entscheidenden ersten Schaffensphase von Carl Sandhaas, die zwischen 1815 und 1830 anzusetzen ist, zusammengetragen werden. Insbesondere dem in dieser Zeit liegenden Aufenthalt in Darmstadt fällt eine Schlüsselfunktion in der künstlerischen und persönlichen Entwicklung von Carl Sandhaas zu. Bei Hansjakob erfahren wir wenig über diesen wesentlichen Abschnitt in der Biographie des Künstlers, nämlich lediglich daß er bei einem Bruder seiner Mutter, der in der hessischen Residenz wohnte, aufgenommen wurde und sich zum Maler ausbildete. Wie es ihm aber in Darmstadt ging, hat Hansjakob nicht in Erfahrung bringen können. Erst 1905, als Hansjakob die Bekanntschaft mit Paul Hessemer machte, dürften sich seine Kenntnisse über diesen Zeitabschnitt vertieft haben. Dieser war nämlich der Sohn des Darmstädter Architekten und Schriftstellers F. M. Hessemer, der ein enger Freund von Carl Sandhaas war und der für die persönliche und künstlerischen Entwicklung des jungen Haslacher Künstlers von hervorragender Bedeutung. In dieser Familie war ein ganzer Band von rund 300 Aquarellen und Zeichnungen von Carl Sandhaas aufbewahrt worden, die sogenannten "Darmstädter Mappe"14, die Hansjakob anläßlich der Begegnung mit Paul Hessemer zum Geschenk erhielt.
Paul Hessemer kommt übrigens eine Schlüsselrolle für die Sandhaasforschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu, denn er hat auch das Material vermittelt, das Kempf 1933 in der Zeitschrift 'Die Ortenau' veröffentlicht hat. Auch Bickermann greift in seinem unveröffentlichten Sandhaas-Aufsatz auf Informationen zurück, die ihm Paul Hessemer zur Verfügung gestellt hat. In seiner 1959 erschienen Schrift faßt dann Franz Schmider die bis dahin bekannten Ergebnisse zusammen, die für den hier in Frage stehenden Zeitraum im wesentlichen bis heute den Stand der Forschung ausgemacht haben.

5.3. Bezugsfelder während des Aufenthalts in Darmstadt

5.3.1 Das Darmstädter Hofoperntheater

Aus heutiger Sicht sind es vor allem drei Bezugsfelder, die für die erste Schaffensphase von Carl Sandhaas von Bedeutung sind, nämlich erstens das durch das Theater in Darmstadt bedingte Umfeld, zweitens Carl Sandhaas' Verhältnis zu der radikalen Studentenschaft in Hessen-Darmstadt, den sogenannten "Gießener Schwarzen", und zur hessischen Verfassungsbewegung in der Umgebung der "Darmstädter Schwarzen" und drittens der Künstler- und Freundeskreis in Heidelberg und Darmstadt.
Das vermutlich älteste erhaltene Skizzenblatt von Carl Sandhaas führt bereits in die Welt des Darmstädter Theaters. Auf dem Blatt, das sich in der Graphischen Sammlung des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt am Main befindet, sind die Porträts der beiden Maler Schlatter und Schönberger sowie einer Frau Ritter, geb. Retting als Kind dargestellt. Der aus Wien stammende Landschaftsmaler Schönberger war in der Zeit zwischen 1810 und 1815 zu mehreren Gastspielen seiner Frau, der berühmten Opernsängerin Schönberger-Marconi, nach Darmstadt gekommen und hatte sich hier u.a. als Theaterdekorationsmaler betätigt. Das Skizzenblatt von Carl Sandhaas ist also spätestens 1815 entstanden. Ab dieser Zeit fertigte Josef Sandhaas, der Onkel von Carl Sandhaas, bereits Theaterdekorationen für Darmstadt. Während ein Aufenthalt des ebenfalls von Carl Sandhaas auf dem Skizzenblatt porträtierten Malers Schlatter in Darmstadt nicht nachgewiesen werden kann, verweist das dritte Porträt ebenfalls auf die Darmstädter Theaterwelt, denn bei der als Kind mit Engelsflügeln dargestellten Frau Ritter, geb. Retting handelt es sich vermutlich um die Frau des Kapellmeisters Ritter in einer nicht mehr feststellbaren Theaterrolle, die Carl Sandhaas fasziniert zu haben scheint. Damit kann man wohl annehmen, daß Carl und Joseph Sandhaas sich zumindest vorübergehend bereits spätestens 1815 in Darmstadt aufhielten, vorausgesetzt das Skizzenblatt ist tatsächlich in Darmstadt entstanden. Zu der Zeit als Carl und Joseph Sandhaas nach Darmstadt kamen, war die unumstrittene Diva der dortigen Opernbühne die aus Mannheim stammende Schauspielerin und Opernsängerin Louise Franck, die im Zuge ihrer Verhandlungen um ein Engagement in Darmstadt ihre ganze Familie mitzog und in verschiedenen Positionen unterbrachte. Da Joseph Sandhaas wenig später in diese Familie einheiratete, seien die einzelnen Mitglieder etwas näher betrachtet. Der Vater Georg Franck hatte in Mannheim neben Iffland, Beil und Beck zu den Schauspielern gehört, denen Schiller im kleinen Kreise sein damals neuestes Produkt, den 'Fiesco', vorgetragen hatte. Die hohen Erwartungen, die die Mannheimer Schauspieler nach dem sensationellen Erfolg ihrer 'Räuber'-Inszenierung gehegt hatten, wurde aber, noch während Schiller den ersten Akt vortrug, enttäuscht, und die Runde bröckelte auseinander. Von Franck ist überliefert, daß er ein Bolzenschießen vorschlug, um die peinliche Situation des wohl zu emphatischen Vortrags Schillers zu überspielen.15 Während Georg Franck selbst als Schauspieler in Darmstadt verpflichtet wurde, erhielt sein Sohn Karl eine Ausstellung in der Verwaltung als Sekretär und Rechnungsrat des Hoftheaters, die drei Töchter Louise, Julie und Nannette als Schauspielerinnen und Sängerinnen. Die älteste Tochter Louise hatte mehrfach in Darmstadt gastiert und war zu einer der Lieblingskünstlerinnen des musikbegeisterten Großherzogs Ludwig I. avanciert, der es sich nicht wenig Mühe kosten ließ, sie aus ihrem Vertrag in Mannheim zu lösen.16 Als Vermittler wurde niemand geringerer als der hochberühmte Schauspieler und Berliner Theaterleiter Iffland eingeschaltet, der bei dem Mannheimer Intendanten von Wenningen den Weg für die Anstellung Louise Francks in Darmstadt ebnete, wie aus einem Brief Ifflands an den Großherzog hervorgeht:

Eurer Kgl. Hoheit Allergnädigstem Auftrage gemäß habe ich die Ehre, aus Erfahrung und Herkömmlichkeit über die Angelegenheit des Engagements der Demoiselle Franck von Mannheim zum Hoftheater nach Darmstadt folgendes ehrerbietig vorzutragen [...]. Ich kann nicht zweifeln, daß Herr Intendant v. Wenningen dieselbe unter den Umständen eines so weit vorteilhafteren Engagements wenigstens Ostern 1812 ihres Contraktes entlassen wollen sollte.17

Wie sehr der Großherzog darauf brannte, die Sängerin nach Darmstadt zu bekommen, zeigt der drängende Ton, in dem er sich an von Wenningen wandte: "Es würde mir sehr angenehm sein, wenn die Dem. Franck bald nach Ostern ihre Entlassung erhalten könnte, weil ich die für sie bestimmten Rollen keiner von meinen anderen Hofsängerinnen füglich zuteilen kann."18
Endlich, nach glücklich beendeter Badekur, war es dann soweit; im Sommer 1812 standen die Pferde bereit, sie in Schwetzingen abzuholen. Louise Franck wurde unter glänzenden Bedingungen angestellt.19 Sie war die erste Künstlerin am Darmstädter Theater, die zur Kammersängerin ernannt wurde. Mit 2400 Gulden Jahresgage, Brennholz und Pensionsberechtigung gehörte sie zu den Meistverdienern im Großherzogtum. Sie erhielt eine eigene Equipage, und im Theater hatte sie ein eigenes Ankleidezimmer und eine freie Loge. Außerdem war sie, was damals eine Seltenheit war, von allem Schauspieldienst befreit und unterstand direkt dem Großherzog, der sie um 1820 von Franz Hubert Müller in Öl malen ließ. Das Gemälde zeigt Louise Franck mit Notenblatt vor einem Klavier stehend und dürfte anläßlich der Eröffnung des von dem Baurat Georg Moller entworfenen neuen Opernhauses entstanden sein, dessen Säulenvorhalle im Hintergrund durch einen geöffneten Fensterrahmen zu sehen ist.20 Über die künstlerische Qualität von Louise Franck liegen verschiedene zeitgenössische Berichte vor. Knispel meint, "Jugend, natürliche Grazie, feiner Takt und ausdrucksvoller Gesang" seien die Eigenschaften gewesen, die sie besonders empfahlen und ihr Glück gründeten,21 und der englische Reisende Ch. E. Dodd berichtet in seinem Reisebericht 'An Autumne Near The Rhine' 1818, welche Zierde des Theaters sie gewesen sein muß:

Eine niedliche, anziehende Frau mit einer klaren Stimme von anregender Höhenlage und beträchtlichem Umfang, die sie mit fließender Leichtigkeit handhabt und mit einem Ausdruck von Heiterkeit und Gefühl begleitet, der ihr Bewunderer in einem weiteren Wirkungskreis gewinnen würde.22

Auch Georg Sebastian Thomas rühmt in seiner 'Geschichte der Großherzoglichen Hofkapelle' ihre Leistung als Sängerin:

Demoiselle Louise Franck, nachmalige Madame Grahn, war weniger eine großartige als eine überaus liebliche Sängerin. Ihre Leistungen waren von der Art, daß sie einen unauslöslichen Eindruck auf die Zuschauer machten. Ihr ganzes Wesen athmete Anmuth und Lieblichkeit; ihr Spiel war von so tiefem Gemüth durchdrungen, daß man sich unwillkürlich an ihre Erscheinung gefesselt fühlte.23

Nur wenig im Schatten ihrer älteren Schwester stand die spätere Ehefrau von Josef Sandhaas Julie Franck, die sich ebenfalls als Opernsängerin (Soubretten und zweite Partien), vor allem aber im Bereich des Schauspiels auszeichnete, wo sie das Fach der Liebhaberinnen ausfüllte. Vor allem nachdem Franz Grüner 1816 die Leitung des Schauspiels übernommen und dem bis dahin gegenüber der Oper eher vernachlässigten Metier neuen Schwung verliehen hatte, ging der Stern der Schauspielerin Julie Franck auf. In einer monumentalen Inszenierung der 'Jungfrau von Orleans', die 1817 unter der Regie Grüners gegeben wurde, spielte sie die Johanna, worüber das Unterhaltungsblatt 'Proteus oder Mannigfaltigkeiten aus dem Gebiete der Literatur, Kunst, Natur und des Lebens' unter dem 17. Januar 1817 berichtet:

Dem. Julie Franck gab die Jungfrau. Wenn anders richtiges Auffassen des ganz eignen wunderbaren Charakters dieser Rolle, tiefe Empfindung, genaue Betonung, reine Deklamation mit einer angemessenen Gebärdung, die unerläßlichen Erfordernisse zur Darstellung dieses weiblichen Heros sind, so hat diese Künstlerin ihre Aufgabe glücklich gelöst.24

Auch Nannette, die jüngste der drei Schwestern, betätigte sich als Schauspielerin in Darmstadt, konnte aber nicht die Bedeutung ihrer Schwestern erlangen, nicht zuletzt wohl, weil sie bereits 1821 verstarb.
Es war demnach eine hochgeschätzte Schauspielerdynastie, in die Josef Sandhaas durch seine am 10. Juni 1822 geschlossene Ehe mit Julie Franck einheiratete. Dessen ungeachtet konnte er aber auch selbst auf eine nicht alltägliche Karriere zurückblicken.25 Er war am 31.5.1784 in Haslach im Kinzigtal als 15. Kind des Schmiedes Josef Fidel Sandhaas und als jüngster Bruder der Mutter von Carl Sandhaas geboren, hatte seine Ausbildung als Maler bei dem Kunstmaler Joseph Anton Morath in Stühlingen erhalten und hatte sich schon früh als Theaterdekorationsmaler betätigt, nämlich bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Klostermaler bei den Benediktinern in Villingen für die Opern im Klostertheater. Zu gesteigerter künstlerischer Qualität vor allem im Bereich der architektonischen Dekorationsmalerei gelangte er unter der Anleitung Friedrich Weinbrenners des Baumeisters des klassizistischen Karlsruhe. Dieser hatte in seiner 1809 erschienenen Schrift 'Theater in architektonischer Hinsicht' die klassizistischen Regeln für eine architektonische Dekorationsmalerei aufgestellt, die später auch durch den Weinbrenner-Schüler Georg Moller und durch Joseph Sandhaas in Darmstadt zum Tragen kamen. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Joseph Sandhaas zunächst durch zahlreiche Arbeiten, die er im Auftrage seines Lehrers Weinbrenner vor allem in Karlsruhe ausführte26 und die sich bis 1817/18 hinzogen, also noch nachdem er sich bereits als Dekorationsmaler am Darmstädter Hoftheater betätigte (seit Oktober 1815). Der Theatermalerei wurde in Darmstadt eine enorme künstlerische Bedeutung beigemessen, was sich in der zeitweisen Verpflichtung des Wiener Landschaftsmalers Schönberger und vor allem in der Anstellung Georg Primavesis im Januar 1812 niederschlug, der seine Ideen über Transparentmalerei auf eine nicht dagewesene Art auf das Theater übertrug, was sogar Goethes Interesse fand.27 Daß ihm im Oktober 1815 Joseph Sandhaas zur Seite gestellt wurde, hing mit einer Umorganisierung der Theatermalerei zusammen, die unter die Aufsicht von Philipp Christian Seekatz gestellt wurde. Von Anfang an war es aber vor allem Georg Moller, mit dem Joseph Sandhaas seit der gemeinsamen Ausbildung unter Weinbrenner befreundet war28, der die Entwürfe für die von Sandhaas ausgearbeiteten Dekorationen lieferte. Als unter der Leitung Mollers in den Jahren 1818 und 1819 der Neubau des Operntheaters in Darmstadt ausgeführt wurde, erhielt Joseph Sandhaas den Auftrag, den Innenraum auszumalen, nachdem ihm Moller bereits 1817/18 den Auftrag für die Grisaille-Brüstungsmalereien in der neuerbauten Stadtkirche in Gräfenhausen vermittelt hatte. Gleichzeitig mit der Eröffnung des neuen Theaterbaus wurde Joseph Sandhaas der offizielle Titel eines Großherzoglichen Hof- und Theatermalers, vorzugsweise für die architektonische Dekorationsmalerei, verliehen. Der künstlerische Wert, den man in Darmstadt der Dekorationsmalerei beimaß, wird durch einen Bericht unterstrichen, der bald nach der Eröffnung des neuen Theaters in dem von Cotta herausgegebenen 'Morgenblatt für gebildete Stände' vom 26. Juli 1820 erschien:

Zu einer weiteren Ausbildung des Geschmacks an Kunstgegenständen trägt unstreitig auch die hiesige Bühne ihren Antheil bey, da die Theatermaler Primavesi und Sandhaas nach den meisterhaften Zeichnungen unseres Moller solche Dekorationen liefern, die des Beyfalls der Kenner würdig sind, und den vielen Fremden, die sich besonders an Operntagen hier einfinden, eine ergötzende Ueberraschung gewähren.29

Als Primavesi Darmstadt Ende 1821 verließ, wurde Joseph Sandhaas auch der Bereich der Landschaftsmalerei übertragen. Um sich in diesem Fach der Dekorationsmalerei zu vervollkommnen, wurden ihm verschiedene Reisen bewilligt, z.B. nach München, Salzburg, in den Schwarzwald und nach Paris. Zu den Ergebnissen der in diesem Zusammenhang angestellten Landschaftsstudien nach der Natur dürften die Ansichten von Darmstadt zu zählen sein, die im Stadtarchiv Darmstadt aufbewahrt wurden.30
Joseph Sandhaas bezog mit 1200 Gulden ein beträchtliches Gehalt, das durch privaten und ab 1826 auch durch öffentlichen Zeichenunterricht an der Realschule in Darmstadt noch vermehrt wurde. Zieht man zum Vergleich beispielsweise die Einkommen der Professoren auf der Landesuniversität in Gießen heran, so schneidet die Mehrzahl der Gelehrten schlechter ab, und im gesamten Großherzogtum gab es kaum 2500 bis 3000 Personen, die diesen Standard überhaupt erreichten.31 Rechnet man das sicher ebenfalls nicht unbeträchtliche Schauspielerinnengehalt von Julie Sandhaas hinzu, dann kommt man zu dem Schluß, daß die Familie des Hof- und Theatermalers Joseph Sandhaas sich dem wohlsituierten, gehobenen Darmstädter Bürgertum zurechnen durfte, was auch die vornehmen Adressen der Familie in den Darmstädter Adreßkalendern unterstreichen. Von den drei Kindern, die aus der Ehe mit Julie Franck hervorgingen, verstarb eine Tochter früh; die Söhne Georg und Carl August wurden Juristen, letzterer Advokat in Darmstadt, ersterer Professor und juristischer Schriftsteller in Gießen und Graz.
Ob der junge Carl Sandhaas vor seinem ersten Aufenthalt in Darmstadt, also vor 1815, sich bereits unter der Obhut seines Onkels zum Maler ausbilden ließ, wie in der Sandhaas-Literatur gelegentlich vermutet wird, ist nicht mehr nachweisbar. Die enge familiäre Verflechtung mit der Darmstädter Theaterwelt hat aber nach 1815 durchaus ihren Niederschlag in der künstlerischen Entwicklung des talentierten jungen Mannes gefunden. Zwar ist ein unmittelbarer Einfluß der Arbeiten seines Onkels für die Theaterbühne auf Carl Sandhaas nicht feststellbar, wie Schmider (S. 11) meint, doch die Behauptung, in den erhaltenen Zeichnungen sei auch nicht die geringste Spur der Theatermalerei zu entdecken, ist dahingehend zu modifizieren, daß sich in den Zeichnungen und Aquarellen zahlreiche Anspielungen auf literarische Stoffe finden, die zu einem nicht unerheblichen Teil aus den aktuellen Inszenierungen des Darmstädter Theaters hervorgegangen sind. Sicher sind es nicht so sehr die Dekorationen als vielmehr die szenische Darstellung einzelner auf dem Theater dargestellter dramatischer Höhepunkte, die Carl Sandhaas interessieren und die er als Motive für seine Arbeiten verwendet. Die Nähe zur Darmstädter Theaterwelt verrät schließlich auch das Porträt des bereits erwähnten Schauspieldirektors Grüner, das in der Autobiographie von Georg Gottfried Gervinus abgebildet ist.32 Mit einiger Sicherheit kann man vermuten, daß unter den nichtidentifizierten Porträts von Carl Sandhaas sich weitere Darstellungen von Personen aus der Darmstädter Theaterwelt befinden.

5.3.2. Darmstädter und Gießener Schwarze

Die bemerkenswerte Kunstfertigkeit, die Carl Sandhaas schon früh auf dem Feld der Porträtzeichnung ausbildete, ermöglicht es uns heute, neben dem Theaterumfeld einen zweiten Schlüsselbereich für seine konzeptionelle Bewußtseinsbildung zu erschließen. Mehrere Porträts von radikalen Vertretern der hessischen Verfassungsbewegung aus dem Kreis der sogenannten Gießener und "Darmstädter Schwarzen" zeigen, daß Sandhaas und einige seiner Künstlerfreunde in unmittelbarem Kontakt zu dem Personenkreis standen, der eine führende Rolle in der ersten der drei immer höher steigenden revolutionären Wellen von 1817/19, 1830/34 und 1848/49 spielte. Das Großherzogtum hatte zu den Rheinbundestaaten gehört, die sich relativ spät von der Napoleonischen Vorherrschaft lösten. Hessische Truppen unter der Führung des Prinzen Emil hatten am Rußlandfeldzug teilgenommen und befanden sich, erheblich dezimiert und geschlagen wie die gesamte französische Armee, auf dem Rückzug, während weite Teile der Studentenschaft auf der Landesuniversität in Gießen sich mit der frankreichfeindlichen nationalen Bewegung mit Ernst Moritz Arndt, Friedrich Gottlieb Welcker und Friedrich Ludwig Jahn an der Spitze identifizierten. Voller hochgeschraubter Ideale und erfüllt von nationalem Pathos waren diese Studenten darauf erpicht, an den Befreiungskriegen teilzunehmen, und als nach langem Zögern der Großherzog in Darmstadt zur Bildung eines freiwilligen Jägerkorps aufrief, meldeten sie sich scharenweise zu den Waffen und zogen im Frühjahr 1814 das Rheintal hinauf, durch die Schweiz bis nach Lyon. Der militärisch-strategische Wert dieses "Spaziergangs nach Lyon", wie man den Zug abwertend betitelte, war nicht bedeutend, und es kam auch zu keinen Kampfhandlungen, er trug aber erheblich zur Steigerung des politischen Selbstbewußtseins innerhalb der jungen hessischen Intelligenzschicht bei. Die ehemaligen Mitglieder des freiwilligen Jägerkorps machten, auf die Universität zurückgekehrt, den radikalen Kern der politisierten Studentenbewegung aus, die sich nun um ihren charismatischen Führer Karl Follen in Gießen bildete und die wegen ihrer selbstbewußt zur Schau gestellten altdeutschen Tracht die "Schwarzen" genannt wurden. Mit ihrem inneren Zirkel, den "Unbedingten", nahmen sie sehr radikale, "jakobinische" Züge an. Follen forderte eine straff zentralistische, nationale deutsche Republik, in der allein der Volkswille entscheiden sollte. Diese Gruppe befürwortete direkte Aktionen zur Durchsetzung ihrer Ziele und nahm Gewalt, Mord und Revolution in Kauf.33 Die spektakulärsten Aktionen dieser Gruppe waren die Teilnahme am Wartburgfest im Oktober 1817 mit der demonstrativen Bücherverbrennung und die Ermordung des Theaterdichters August von Kotzebue im März 1818 in Mannheim. Nachdem einige Mitglieder der "Gießener Schwarzen", meist Juristen, nach beendetem Studium nach Darmstadt zurückgekehrt waren, bildete sich hier ein gleichwohl weniger radikaler Kreis. Diese "Darmstädter Schwarzen" kämpften vor allem um die Einführung einer Verfassung für das Großherzogtum, indem sie mit Flugschriften, Unterschriftsaktionen und Denkschriften für die Sicherung bürgerlicher Rechte agitierten. Auf verschiedenen Treffen zwischen den Gießener und Darmstädter "Schwarzen" tauschten sie ihre Ansichten aus, worüber die später durch die Polizei beschlagnahmten Niederschriften Auskunft geben:

Als feststehendes Resultat wurde der Grundsatz allgemein angenommen, daß eine politisch glückliche und würdige Existenz in Deutschland nur dann gedenkbar sei, wenn der Vielstaatigkeit in demselben ein Ende gemacht und aus den einzelnen Territorien ein unzertrennbares Ganzes gebildet werde, daß eine Einheit der Kirche das sicherste Fundament politischer Einheit bilde, und der erste vorbereitende Schritt zur Herbeiführung des letzteren die Einführung einer allgemeinen Volksrepräsentation sei. Ob aber eine demokratische Regierungsform einzuführen sei, wie die Gießener sie verlangten, oder eine konstitionelle, darüber hätten die Verständigungen noch kein Resultat gebracht.34

Ein solches Treffen hat Carl Sandhaas auf einem Aquarell dargestellt, das sich im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt befindet.35 Die ikonographisch an eine Abendmahldarstellung gemahnende Arbeit betont den geradezu sakralen Ernst, mit dem die versammelten Studenten und Künstler offensichtlich einen gerade gefaßten weitreichenden Entschluß feierlich bekräftigten. Farblich hervorgehoben ist die zentrale Figur Heinrich Karl Hofmanns, der mit entschlossenem Gesichtsausdruck, einen pokalartigen Kelch mit der Rechten umfassend, die Blicke der um ihn gruppierten Personen auf sich zieht, von denen am linken Ende der beiden zusammengerückten Holztische der "Gießener Schwarze" Karl Christian Satorius und ihm gegenüber am rechten Kopfende der Darmstädter Leutnant Wilhelm Schulz die sitzende Personengruppe umgrenzen. Bei der am rechten Bildrand stehenden Gruppe handelt es sich um den Darmstädter Künstlerkreis, mit dem Carl Sandhaas befreundet war, während am linken Bildrand der Ausblick auf die Berghöhen des Odenwaldes freigegeben ist.36
Zum Verständnis des Aquarells ist ein Exkurs über die drei zentralen Figuren des dargestellten Geschehens, H. K.Hofmann, W. Schulz und K. Chr. Sartorius, hilfreich. Heinrich Karl Hofmann (1795-1845)37 war in Neckarsteinach geboren; er entstammte einer katholischen Beamtenfamilie und hatte seine früheste Jugend in Worms und Darmstadt verbracht, bevor er 1812 sein Jurastudium in Gießen begann. Sehr zu seinem Leidwesen wurde ihm von seinem Vater die Teilnahme am Kampf gegen Napoleon untersagt. Desto tiefer stürzte er sich in eine von betont nationaler Stimmung durchdrungene politische Publizistik, vor allem nachdem er 1814 nach Heidelberg übergewechselt war, wo er mit dem dortigen Romantikerkreis und dem Heidelberger "Deutschen Bund" in Verbindung trat. Im Jahr 1816 begann Hofmanns Karriere als Jurist in Darmstadt, wo er durch sein anhaltendes politisches Engagement zum geistigen Mittelpunkt der Bewegung wurde, die für die Einführung einer landständischen Verfassung und die Sicherung bürgerlicher Grundrechte stritt. Seine Gedanken zur Neuordnung Deutschlands auf dem Wege über Konstitutionen in den einzelnen Staaten betonten die üblichen liberalen Forderungen (Ministerverantwortlichkeit, Genehmigung des Staatshaushalts und der Steuern durch freigewählte Volksvertretungen, Öffentlichkeit der Rechtspflege, Pressefreiheit usw.). Dabei vertraute er der Durchschlagskraft rechtlicher und sittlicher Forderungen. Als im September 1819 einige seiner Gesinnungsgenossen wegen aufrührerischer Agitation unter den Odenwälder Bauern verhaftet wurden, stellte er sich selbst den Untersuchungsbehörden und wurde für acht Monate in Haft gesetzt. Auch nach seiner Entlassung blieb das Verfahren gegen ihn in der Schwebe. Ende des Jahres 1823 hatten die deutschen Regierungen über die Mainzer Zentraluntersuchungskommission, die vor allem durch die Mordtat des Studenten Sand an Kotzebue ausgelöst wurde und der die Untersuchung revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen oblag Kenntnis von der Aufdeckung eines weitverbreiteten geheimen Bundes erhalten, der einen gewaltsamen Umsturz geplant habe. Hofmann, der im März 1819 dem Kotzebue-Attentäter Sand Quartier gewährt hatte, wurde von dem berüchtigten Berliner "Demagogenverfolger" Kamptz als eine der Schlüsselfiguren der revolutionären Umtriebe betrachtet und auf dessen Veranlassung im August 1824 erneut verhaftet. Er wurde der preußischen Untersuchungskommission überstellt und bis zum April 1826 in Haft gehalten, bevor Preußen ihn endlich widerstrebend wieder an Darmstadt auslieferte, wo er im Oktober gegen Auflage aus der Haft entlassen wurde. Erst 1830 signalisierte die Regierung, daß sie kein Interesse mehr an der weiteren Strafverfolgung Hofmanns habe, was allerdings keinen Freispruch bedeutete. Auch war es ihm weiterhin bei Strafe verboten, preußisches Gebiet zu betreten. Hofmann setzte in Darmstadt weiterhin seine politische Betätigung fort. Er gab die Wochenschrift 'Der Beobachter in Hessen bei Rhein' heraus und beteiligte sich auch später an den berühmten Standardwerk des Liberalismus, dem 'Staatslexikon' von Rotteck und Welcker, ebenso wie übrigens sein langjähriger Weggefährte W. Schulz, mit dem er sich jedoch später entzweite.
Auch Wilhelm Schulz (1797-1860)38 entstammte einer (allerdings lutherischen) Beamtenfamilie. Er wurde in Darmstadt geboren und war nach vorübergehendem Besuch des dortigen Pädagogs als Vierzehnjähriger in das Großherzogliche Leibgarderegiment eingetreten. Zum Abschluß seiner Offiziersausbildung erhielt er 1812 Gelegenheit, sich in den Fächern Mathematik und Militärwissenschaften auf der Gießener Universität fortzubilden. Dabei trat er bereits in Kontakt zu der dortigen "Teutschen Lesegesellschaft", einer burschenschaftlich bestimmten Verbindung, aus der sich später die Gießener "Schwarzen" absonderten. Im Februar 1813 zum Leutnant befördert nahm er zunächst auf Seiten Napoleons an den Schlachten von Lützen, Bautzen und Leipzig und nach dem Frontwechsel Hessen-Darmstadts am Frühjahrsfeldzug 1814 gegen Frankreich teil. Im Oktober 1814 bezog Schulz erneut die Landesuniversität in Gießen und machte die Bekanntschaft der Brüder Karl und Adolf August Ludwig Follen. Als Napoleon 1815 erneut nach der Macht in Frankreich griff, mußte Schulz das Studium abbrechen, nahm an der Schlacht bei Straßburg im Juni 1815 teil und kehrte zum Garnisonsdienst nach Darmstadt zurück, wo er sich der Verfassungsbewegung anschloß und sich zum Sozialrebellen entwickelte. In seinem sozialen Umfeld gehörte Schulz zu den wenigen, die, ohne die Bedeutung der nationalen Frage zu leugnen, sich das antiaufklärerische Ideengut der politischen Romantik nicht zu eigen machten und die materiellen Bedürfnisse und Interessen der ländlichen und städtischen Unterschichten im Blick behielten. Statt Individualterror zu propagieren, hielt er es für notwendig, mit der Aufklärungsarbeit unter den notleidenden Bauern und Kleinbürgern in Hessen zu beginnen. Diesem Zweck sollte, neben anderen von ihm verfaßten Flugschriften, sein 'Frag- und Antwortbüchlein über allerlei, was im deutschen Vaterland besonders Not tut' von 1818 dienen, mit dem er seine Karriere als politischer Publizist einleitete. Im Zuge der Demagogenverfolgung wurde er im Oktober 1820 wegen Hochverrats vor ein Kriegsgericht gestellt, wurde jedoch aufgrund einer Konzessionsentscheidung freigesprochen und aus dem Militärdienst entlassen. Da es ihm wegen seiner politischen Vergangenheit nicht gelang, eine von ihm angestrebte Stellung im Justizdienst zu erlangen, wandte er sich wieder der Schriftstellerei und Publizistik zu. Wegen verschiedener aufrührerischer Schriften wurde er im Herbst 1833 erneut vor ein Darmstädter Kriegsgericht gestellt und zu fünfjähriger schwerer Festungshaft verurteilt, die er im August 1834 im Schloß Babenhausen in der Nähe von Darmstadt antrat. Ende 1834 gelang ihm aber bereits mit der Unterstützung seiner Frau die Flucht, die in seinem Buch 'Briefwechsel eines Staatsgefangenen mit seiner Befreierin' ausführlich beschrieben ist. Er konnte sich nach Straßburg absetzen und zog später nach Zürich. In beiden Städten hatte Schulz engen Kontakt mit zahlreichen deutschen politischen Flüchtlingen, darunter Freiligrath, Herwegh und Georg Büchner, bei dessen Todeskampf ihm das Ehepaar Schulz aufopferungsvoll zur Seite stand. Der Tod des Pfarrers Ludwig Weidig, eines Mitstreiters Büchners, in der Untersuchungshaft in Darmstadt war der Anlaß für Schulz, in einer Veröffentlichung auf die mysteriösen Umstände dieses Todesfalls aufmerksam zu machen. Die heftigen Angriffe gegen die großherzoglich-hessische Regierung gipfelten in dem Vorwurf des Justizmordes. Das Werk löste eine außerordentliche Sensation und heftige Polemik aus; u.a. nahm es der Wortführer der badischen Liberalen Karl Theodor Welcker zum Anlaß, die deutschen Regierungen zur Modernisierung der Strafverfolgung und Rechtsprechung aufzufordern. Als wirkungsvoller politischer Schriftsteller war Schulz bis zu seinem Lebensende aktiv.
Schulz' Frau Caroline war eine geborene Sartorius und eine Cousine von Karl Christian Sartorius (1796-1872).39 Geboren in Gundernhausen bei Rheinheim als Sohn eines Pfarrers, besuchte er ab 1807 das Pädagog in Darmstadt und bezog im Herbst 1813 die Universität in Gießen. Er nahm am Zug des hessischen freiwilligen Jägerkorps im Frühjahr 1814 teil und studierte nach seiner Rückkehr nach Gießen zunächst Rechtswissenschaften, dann Theologie und später Philologie. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der "Gießener Schwarzen" und wurde als deren führender Kopf erst nach und nach von seinem Freund Karl Follen abgelöst. Auf dem Wartburgfest im Oktober 1817 spielte er als Leiter einer Delegation Gießener Studenten eine zentrale Rolle und war wesentlich an der spektakulären Bücherverbrennungsaktion beteiligt. Im März 1819 begleitete er den Kotzebue-Attentäter Sand eine Strecke auf dessen Weg von Darmstadt nach Mannheim und schnitt ihm im Wald bei Bickenbach die Haare ab, angeblich ohne zu ahnen, daß Sand durch die Beseitigung der burschenschaftlichen Haartracht unbehelligten Zutritt zu seinem Todesopfer zu erlangen gedachte. Seit dem Winter 1818/1819 bekleidete Sartorius eine Hilfslehrerstelle am preußischen Gymnasium in Wetzlar, wo er wiederholt im Zuge der Untersuchungen wegen demagogischer Umtriebe und im Zusammenhang mit der Ermordung Kotzebues vernommen wurde. Bei einer im Januar 1820 in Wetzlar vorgenommenen Hausdurchsuchung wurde eine Denkschrift Karl Follens beschlagnahmt und Sartorius selbst verhaftet. Später wurde die Haft in Stadtarrest umgewandelt, so daß er im März 1824 heimlich fliehen konnte. In Bonn hielt er sich einige Zeit unter dem Namen Jäger bei Ernst Moritz Arndt versteckt, bis er mit einem falschen Paß, über London nach Mexiko auswandern konnte. Nachdem er in der Betriebsleitung der im Auftrag des deutsch-amerikanischen Bergwerksvereins betriebenen mexikanischen Silberminen tätig gewesen war, erwarb er sich 1830 im Staat Veracruz einen ausgedehnten Grundbesitz, legte darauf eine Zuckerrohrplantage an und gründete später eine Zuckerfabrik. Im Jahr 1849 nahm er noch einmal vorübergehend seinen Wohnsitz in Darmstadt, um für die Ausbildung seiner Kinder zu sorgen. Er hielt stark besuchte Vorträge über Mexiko, die er auch in verschiedenen Zeitungen veröffentlichte, und kehrte 1852 nach Mexiko zurück.

5.3.3. Freundschaftskult des Darmstädter Künstlerkreises

Die Gruppenbildnisse und Porträts aus dem Kreis der Gießener und Darmstädter "Schwarzen", darunter noch eine ganze Reihe unveröffentlichter Studentenbilder aus der "Darmstädter Mappe", die im Hansjakob-Museum in Haslach im Kinzigtal aufbewahrt wird, weisen Sandhaas als Porträtisten dieses Personenkreises aus. Seine Arbeiten haben einen erheblichen dokumentarischen Wert, ähnlich wie dies für Karl Philipp Fohr hinsichtlich der Heidelberger Urburschenschaft zutrifft. Bei Sartorius und H. K. Hofmann handelt es sich sogar um dieselben Personen, da sie auch bereits von Fohr porträtiert wurden. Das Aquarell, auf dem Carl Sandhaas Hofmann, Schulz und Sartorius im Kreis ihrer Gesinnungsgenossen dargestellt hat, ist durch die Abbildung nahezu der gesamten Darmstädter Künstlerkolonie nicht zuletzt ein Beleg dafür, daß die jungen Romantiker mit den politischen Vorstellungen der "Schwarzen" zumindest sympathisierten. Aus dem unmittelbaren Freundeskreis von Carl Sandhaas waren es vor allem F. M. Hessemer und der Heidelberger Maler Ernst Fries, die aktiv in der politischen Bewegung verankert waren. Fries erscheint in den Untersuchungsakten als Teilnehmer verschiedener verschwörerischer Zusammenkünfte im Jahr 181940, während Hessemer, der von 1817 bis 1819 in Gießen Kameralwissenschaften studierte und in engem Kontakt zu seinen Cousins, den Follen-Brüdern, stand, sich den Gießener "Schwarzen" anschloß41 und ebenfalls in eine Untersuchung verwickelt wurde.42 Der spätere Historiker und Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus erinnert sich in seiner Autobiographie an die Studienzeit seines Freundes:

[Hessemer] machte seine Studien in Gießen in der höchsten Blütezeit der Burschenschaft, wo er den demagogisch-teutonischen Idealismus und Freiheitsschwindel mit den Follen und Aehnlichen voll austobte, mit deren Liedern die seinigen in den studentischen Sangbüchern jener Tage neben denen der Arndt und Körner zu lesen sind.43

Für die politische Oppositionsbewegung, an deren Spitze Hofmann, Schulz und Sartorius standen, war ein besonderer Stein des Anstoßes in der Regierungspolitik des Großherzogs, daß der Neubau und die Erhaltung des Hofoperntheaters ungeheure Summen verschlang. Am 27. November, also unmittelbar nach Eröffnung des neuen Hauses, berichtet der österreichische Resident in Darmstadt an seinen Vorgesetzten Metternich nach Wien:

Die Eröffnung des neuen Theaters hat [...] unter ungünstigen Vorbedingungen stattgefunden. Der Hof, der [...] beim Eintritte [...] Beifallsbezeugungen erwartete, wurde mit ungewöhnlicher Stille empfangen. In der Nacht wurden sehr heftige, einige sagen drohende, Pasquille an das neue Opernhaus angeklebt. Man verdoppelte von dieser Zeit an die Nachtwachen, stellte Untersuchungen an, brachte aber nichts heraus. Es ist gewiß der unglücklichste Zeitpunkt, den je der Großherzog [...] zur Erbauung eines Opernhauses wählen konnte, der Zeitpunkt des allgemeinen Notstandes wegen der geringen Preise der Naturerzeugnisse, die im höchsten Mißverhältnisse zu den öffentlichen Ausgaben stehen.44

Im weiteren weist der Verfasser ausdrücklich auf den äußerst kritischen Zeitpunkt "der allgemeinen Gärung, durch Armut und revolutionäre Umtriebe erzeugt", hin und berichtet, daß in Darmstadt ein Gerücht grassiere, eine auf das Brennholz gemachte Auflage werde zur Bestreitung der 600 000 Gulden Kosten für den Neubau des Opernhauses verwendet.45 Laut den Berechnungen des Gießener Staatswissenschaftlers und Statistikers A. F. W. Crome betrugen die jährlichen Ausgaben für das Theater in Darmstadt über 50 000 Gulden, mehr als beispielsweise für das Medizinalwesen des gesamten Großherzogtums aufgebracht wurde.46 Der politische Zündstoff, der in den enorm hohen Aufwendungen für das Theater in Darmstadt, besonders angesichts der vorangegangenen Hungerjahre, steckte, schlug sich auch in der durch steigende Konfrontation gekennzeichneten Agitation der "Darmstädter Schwarzen" nieder. Mit einer Sprache, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, kritisierte H. K. Hofmann in einer Denkschrift vom Juli 1819, daß die von Frankreich gezahlten Kriegsentschädigungen nicht den geschädigten Gemeinden oder Untertanen zugute gekommen waren, sondern für Staatsausgaben, u.a. auf Wunsch des Großherzogs für den Theaterbau, aufgewendet worden waren.47 Es liegt auf der Hand, daß Carl Sandhaas angesichts dieser Entwicklung sich dem Widerspruch zwischen der vom Theaterluxus profitierenden Lebensweise seines Onkels und dessen Familie auf der einen und den mit einem hohen politischen Ethos verbundenen Forderungen der Verfassungsbewegung, mit der er offensichtlich sympathisierte, auf der anderen Seite stellen mußte. In einem ähnlichen Dilemma befand sich übrigens auch F. M. Hessemer als Neffe und Schüler Mollers, was wiederum vermutlich einer der Gründe für die anhaltende Freundschaft zwischen Hessemer und Sandhaas war. Hinter dem beschriebenen Widerspruch dürfte eine wesentliche Ursache dafür stecken, daß Carl Sandhaas ein gestörtes Verhältnis zu seinem Onkel und vor allem zu dessen Frau entwickelte und nicht in die Fußstapfen seines Onkels trat. Dabei hat es an gutwilligen Versuchen, Carl Sandhaas zu protegieren und zu fördern, augenscheinlich nicht gefehlt, und insbesondere seine Fertigkeiten im Porträtieren scheint von seinen Auftraggebern geschätzt worden zu sein. So porträtierte er beispielsweise für Moller dessen Lehrer Weinbrenner und Mollers Frau Amalie, geb. Hessemer. Ob Sandhaas bei den Innenausmalungen öffentlicher Gebäude und den Theaterdekorationsmalereien seines Onkels mitarbeitete, konnte bislang nicht festgestellt werden. Wir wissen aber, daß Joseph Sandhaas als Theatermaler mehrere Maler unter sich beschäftigte, so daß die Möglichkeit einer entsprechenden Tätigkeit für Carl Sandhaas sicher gegeben war. Einer seiner Künstlerfreunde, Heinrich Schilbach, bekleidete beispielsweise eine solche Position als Assistent des Theatermalers Primavesi. Bis zu einem gewissen Grad dürfte Sandhaas aber von einer anderen Einrichtung profitiert haben, nämlich von der seit Juni 1818 in Verbindung mit den großherzoglichen Kunstsammlungen bestehenden Zeichenschule. Vorsteher dieses Instituts war der Maler und Galerie-Inspektor Franz Hubert Müller48, von dem bereits im Zusammenhang mit dem Ölbildnis der Opernsängerin Louise Franck die Rede war. Zu den Schülern, die sich auf Müllers Museumszeichenschule im Zeichnen vervollkommneten, gehörten neben Carl Sandhaas die Brüder Jakob und Heinrich Felsing, Wilhelm Noack, August Lucas und Peter App.49 Nach welchen Grundsätzen Müller seinen Unterricht zu erteilen gedachte, geht aus einem von ihm verfaßten Programm vom 1. Mai 1819 hervor:

Nach der Methode von welcher hier die Rede ist, wird der Anfänger, der vorher nie zeichnen gelernt hatte, sogleich im Zeichnen nach der Natur angehalten, und die erste Aufgabe wird ihm so gegeben, daß bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit er des Gelingens seiner Aufgabe gewiß sein kann. Dies enthält für ihn zugleich die größte Aufmunterung, einen stufenweisen Weg zu verfolgen, worauf er gar bald die Fähigkeit erlangt, alles getreu nachzuahmen, was er in der Natur sieht und wählt. Bei dem Verfahren, auf welches diese Methode des Zeichenunterrichts gegründet ist, können jedoch Eltern und Erzieher die Fortschritte der jungen Leute nicht aus der Zahl der Arbeiten beurteilen, welche sie aus den Unterrichtsstunden mit nach Hause bringen; dieser werden im Anfange nur wenige sein; man wird jedoch bemerken, daß jede Linie auf eine Art gezogen wird, welche vorhergegangenes Nachdenken und Überlegen beweist, und wenige Arbeit, auf diese Weise geleistet, führt sicherer und schneller zum Ziele einer gründlichen Kunstfertigkeit als wenn in weniger Zeit viele Bogen mit mechanischem Gekritzel angefüllt werden.50

Bernhard Lade hat in seiner Lucas-Monographie das Konzept eines Ausbildungsvertrages zwischen Müller und Peter App51 im vollen Wortlaut wiedergegeben52, in dem es in der Präambel heißt, daß er, "für den Peter App sowohl als für jeden meiner übrigen Schüler" Gültigkeit habe. Da demnach auch Carl Sandhaas einen vergleichbaren "Lehrkontrakt" mit Müller abgeschlossen haben dürfte, seien hier einige Punkte daraus referiert. Der Vertrag umfaßt sieben Punkte, in denen die Lehrzeit auf sechs Jahre festgelegt wird und die Schüler zu Fleiß, Achtsamkeit, Genauigkeit in der Ausführung der aufgetragenen Arbeiten und zum regelmäßigen Besuch der Unterrichtsstunden angehalten werden. Der dritte Punkt dürfte Sandhaas am wenigsten zugesagt haben, denn dort wird vereinbart, daß während der gesamten Lehrzeit keine anderen Arbeiten ohne die Zustimmung Müllers übernommen werden dürfen, "denn das frühe Porträtsmalen gibt leider nur zu oft Veranlassung, daß unvernünftige, die Kunst gar nicht einsehende Menschen, durch unzeitiges verkehrtes Lob die Schüler verderben." Der Unterricht bei Müller war kostenlos, dafür verpflichteten sich die Studenten, gelegentliche Arbeiten für Müller auszuführen, wenn er dies für gut befinden sollte. Sein einziges Ziel sei, dem Staat nützliche Mitglieder zu erziehen, und damit die Schüler später als Maler dem Staat nicht zur Last fallen würden, sollten sie früh an anhaltenden Fleiß und Beharrlichkeit gewöhnt sowie zu Reinlichkeit und Ordnung angehalten werden. In dem bereits zitierten Darmstädter Korrespondenzbericht in Cottas Morgenblatt vom 26. Juli 1820 wird die Bedeutung der Zeichenschule Müllers für das Kunstleben in Darmstadt hervorgehoben, insofern sie nämlich nach den ersten drei Jahren ihres Bestehens "jetzt schon eine verhältnismäßig große Menge von Schülern und Schülerinnen zählt, unter welchen sich bereits mehrere vorzügliche Talente auszeichnen, die einst der Kunst und ihrem Vaterlande Ehre zu machen versprechen."
Neben der Ausbildung durch Müller war für die künstlerische Entwicklung der Schüler vor allem der Zugang zu der Gemäldesammlung im großherzoglichen Museum zu Darmstadt wichtig, die Müller leitete und die aus 600 Bildern der Altdeutschen, Französischen, Niederländischen, Italienischen und Neueren deutschen Schulen bestand.
Der für die Romantik typischen Empörung gegen den alten Zopf der traditionellen Kunsterziehungsanstalten und Akademien entsprach ihre Vorstellung, in Natur und Landschaft sei eine unendliche Sinnfülle zu entdecken. Wann immer es möglich war, zog es daher auch die Darmstädter jungen Künstler in die freie Natur. Man fand sich zu geselligen, teilweise ausgelassenen Ausflügen meist in die nähere Umgebung des Odenwaldes, in die Bergstraße und nach Heidelberg zusammen. Die romantischen Landschaftsmotive fanden die jungen Künstler gewissermaßen vor der Haustür. Einige Handzeichnungen und Aquarelle, die auf diesen Ausflügen entstanden, finden sich ebenfalls in der "Darmstädter Mappe", u.a. eine Bleistiftskizze der "Schwedensäule", unweit von Oppenheim in der Nähe des Alt-Rheins, und eine Studie der Heidelberger Schloßruine, die eine besondere Symbolträchtigkeit für die Romantik besaß.53 Georg Gottfried Gervinus, der sich ebenfalls zu dem Freundeskreis gesellte, gibt in seiner Autobiographie anschauliche Schilderungen von der Stimmung, in der solche Exkursionen stattfanden, u.a. erwähnt er auch einen Ausflug zur Schwedensäule, den Sandhaas möglicherweise in seiner Zeichnung festgehalten hat:

Zu all dem Jagd-, Soldaten-, Turner- und Studentenwesen spukte selbst in den älteren Köpfen jener romantischen Zeit auch noch das Rittertum [...]. Die sechs Stunden der Bergstraße hessischen Gebietes entlang bis Heppenheim zählte man von Frankenstein bis Starkenburg so viele Burgruinen als Wegstunden: wie ließ sich da auf den Sonntagswanderungen schwelgen in riesigen Einbildungen! Einmal wurde ein größerer Zug unternommen, die reizende Bergreihe entlang und von da [...] nach Worms; von da den Rhein entlang bis zu der Stätte, wo zwischen Oppenheim und Erfelden eine hölzerne Denksäule den Rheinübergang Gustav Adolphs verewigt: solche Tage eines völlig unbewachten, freien, selbstüberlassenen Lebens hinterließ uns unauslöschliche Eindrücke.54

Die Schilderung Gervinus' veranschaulicht, in welcher Weise das Theaterleben und die Welt der Ritterromane dem jugendlichen Freundschaftskreis eine romantisch aufgeladene Emphase verliehen. Neben der Oper und dem Schauspiel am Darmstädter Hofoperntheater ist für die Lektüreerfahrung und literarische Bewußtseinsbildung des Darmstädter Freundeskreises der Umstand von Bedeutung, daß die Bestände der Hofbibliothek für die Öffentlichkeit zugängig waren. Einen versteckten Hinweis auf die Nutzung der Hofbibliothek läßt sich einer Anmerkung im zweiten Band der 'Geschichte der Deutschen Dichtung' von Gervinus entnehmen. Im Rahmen seiner Beschreibung der Epoche des "Verfalls der ritterlichen Dichtung und des Übergangs zur Volkspoesie" im Verlauf des 16. Jahrhunderts kommt Gervinus auf die Verschmelzung des Renaissance-Geschmacks mit dem "empfindsamen Schwulst" der Ritterromane zu sprechen und erwähnt in diesem engeren Zusammenhang speziell "das alte 'Buch der Liebe' (1578), das hier als der Mittelpunct angesehen werden muß" und das "nichts [ist] als eine Art Ausartung des Geschmacks, der sein Verwerfliches eben sowohl mit sich führt." Diese nachträgliche Ausgrenzung der eigenen Jugendexzesse, wie sie in dieser Ablehnung der gefühlsbetonten, empfindsamen Welt der Ritterromane zum Ausdruck kommt, weist strukturell dieselben Züge auf, die Gervinus' individualpsychologisch motivierte Verdrängung des Phantastischen und seine persönliche Abrechnung mit der Jean-Paul-Lektüre in seiner Autobiographie ebenso wie im fünften Band der 'Geschichte der Deutschen Literatur' kennzeichnet. Die Fußnote, in der er sich erläuternd auf seine Ausführungen zum Ritterroman und dem 'Buch der Liebe' bezieht, ist daher, ohne daß Gervinus ausdrücklich auf diesen Zusammenhang hinweist, in hohem Maße aufschlußreich für Art und Umfang der Literaturrezeption innerhalb des Darmstädter Freundeskreises:

Die Darmstädter Bibliothek besitzt ein Exemplar dieses selten gewordenen Buches. Die darin enthaltenen Stücke, die man theilweise auch aus den älteren Bearbeitungen kennt, sind: Kaiser Octavian; die schöne Magellone; Ritter Galmy; Tristrant; Camillus und Emilie; Florio und Bianceffora; Theagenes und Chariclea; Gabriotto und Reinhart; Melusine; der Spiegel der Tugend [...]; Pontus und Sidonia; Herzog Harpin; Wigalois.55

Die innige und herzliche Zuneigung, die die einzelnen Mitglieder des Künstlerkreises miteinander verband, drückte sich in einem teilweise bis zum Überschwang gesteigerten Freundschaftskult aus.56 Aus der Aotobiographie Gervinus' ist hinlänglich ersichtlich, welche Vorbildrolle dabei den Romanfiguren Jean Pauls zuzuschreiben ist. Die literarische Gestaltung des Freundschaftsthemas hat im Werk Jean Pauls eine unvergleichlich reiche Fülle an verschiedensten Freundschaftsdarstellungen gezeitigt, die nicht nur für die nachfolgenden literarischen Ausprägungen des Motivs und deren literaturhistorische Behandlung von Bedeutung waren.57 Aber auch im Hinblick auf ihre praktischen Konsequenzen für die Sozialisation der Generation, der Carl Sandhaas angehörte, ist die Bedeutung des von den Romanfiguren Jean Pauls betriebenen Freundschaftskultes kaum zu unterschätzen. Die größte Intensität erfährt die Ausmalung des Freundschaftsbildes bei Jean Paul in den Anfangskapiteln des 'Hesperus', wo der Kaplanssohn Flamin in heftiger Erregung dem Ende der zwischenzeitlichen Trennung von seinem englischen Freund Viktor entgegensieht, mit dem er "bis in's zwölfte Jahr in London und bis in's achtzehnte in St. Lüne erzogen worden, und dessen Herz mit allen Aderzweigen in das britische verwachsen, und in dessen heißer Brust während der langen Trennung durch Göttingen 'Ein' Herz zu wenig gewesen war".58 Die leidenschaftliche Vorfreude macht sich ihm, "dessen Brust eine Aeols-Höhle voll gedrückter Stürme war"59 dadurch Luft, daß Flamin nachts in wildem Galopp auf den Hügel reitet, auf dem am folgenden Tag das ersehnte Wiedersehen mit Viktor stattfinden soll. Die harigen Metaphern, in die Jean Paul Flamins leidenschaftliche Unruhe einkleidet, verhüllen kaum mehr die die erotische Intimität dieser Freundesliebe: "Seine Sehnsucht nach seinem wiederkehrenden Freunde drückt' er im Stalle dadurch aus, daß er die Scheitelhaare hinaufstülpte, den Zopf wie die vierte Geigensaite anzog und dem Schlüssel des Futterkastens den Bart abdrehte. ... ".60 Trotz einer gewissen Distanz, die der Erzähler zu einer solch intensiven Leidenschaft zumindest rhetorisch zu wahren sucht, bewertet er die Freundesliebe Flamins positiv, denn ein Mensch, "dessen fahles Herz nichts weiß von der 'Brüderunität' befreundeter Menschen, vom Ineinanderverzweigen ihrer edlern Gefäße und von ihrer Eidgenossenschaft in Streit und Schmerz",61 der weiterhin nicht nach einem Freunde gerade so wie nach einer Freundin schmachte, der verdiene beide nicht.62 Eine solche sowohl in ihren moralischen Kategorien als auch in Hinsicht auf ihre ganz konkrete Räumlichkeit nach außen drängende Impulsivität bedarf der romantisierten Landschaft, der entgrenzten Natur unter freiem Himmel als Handlungsraum und Projektionsfläche eigener Befindlichkeit. Das Wiedersehen zwischen Flamin und Viktor am folgenden Morgen, einem ersten Mai, spielt sich dann auch erwartungsgemäß in einer Art von enthemmter und entzügelter Landschaft ab, die das Lebensgefühl der Romanfiguren, durch die lyrisierte Schilderung des Erzählers gebrochen, widerspiegelt:

Der erste Mai fing sich, wie der Mensch und seine Weltgeschichte, mit einem Nebel an. Der Frühling, der Raphael der Norderde, stand schon draußen und überdeckte alle Gemächer unsers Vatikans mit seinen Gemälden. Ich hab' einen Nebel lieb, sobald er wie ein Schleier vom Angesicht eines schönen Tages abgleitet, [..]. Wenn er [...] wie ein Zugnetz Gipfel und Bäche überflicht - wenn die herabgedrückten Wolken auf unsern Auen und durch nasse Stauden kriechen - wenn er auf der 'einen' Weltgegend den Himmel mit einem Pech-Brodem besudelt und den Wald mit einer unreinen schweren Nebelbank bestreift, indeß er auf der 'andern', abgewischt vom nassen Saphir des Himmels, in Tropfen verkleinert die Blumen erleuchtet; und wenn der blaue Glanz und jene schmutzige Nacht nahe an einander vorüberziehen und die Plätze tauschen: wem ist alsdann nicht, als säh' er Länder und Völker vor sich liegen, auf denen giftige und stinkende Nebel in Gruppen herumziehen, die bald kommen, bald gehen? - Und wenn ferner diese weiße Nacht mein schwermüthiges Auge mit dahinfliegenden Dunstströmen, mit irrenden zitternden Duftstäubchen umzingelt, so erblick' ich trübe in dem Dunst das Menschenleben abgefärbt, mit seinen zwei großen Wolken an unserm Auf- und Untergange, mit seinem scheinbar lichten Raume um uns, mit seiner blauen Mündung über uns. ...".63

Trotz des beinahe mystisch anmutenden Unheils, das die Begegnung der beiden Freunde wie ein Nebel zu umhüllen droht, ist das Zusammentreffen innig und "glühend in der Gewalt des Gefühls, das die beiden zu einander treibt".64 Die zwei Freunde liegen sich "zitternd" in den Armen, "Gesicht in Gesicht gehüllt, Brust von Brust zurückgedrückt, mit Seelen ohne Freudenworte, aber nicht ohne Freudenthränen - die erste Umarmung endigte mit einer zweiten - die ersten Laute waren ihre zwei Namen. ...".65 Beide gehen durch einen Garten, steigen auf einen Hügel, und in der verschlungenen Linde, die über einem Wachtturm steht, feiern sie ihre Wiedervereinigung.66

Die jungen Leute, die sich im Stil von Jean Pauls Romanfiguren zu dem Darmstädter Künstlerkreis um Karl Sandhaas zusammenfanden, erfuhren ihre wesentlichen künstlerischen Anregungen in einer Art von gemeinsamer autodidaktischer Anstrengung. Dabei dehnte sich die wechselseitige Anteilnahme auch auf das rein-menschlich Persönliche der einzelnen Mitglieder aus, was gegebenenfalls auch finanzielle Unterstützung einschloß. Gisela Bergsträsser hat in ihrer Studie über Heinrich Schilbach67 nachgewiesen, daß der Mittelpunkt des geselligen Verkehrs der jungen Leute das Haus des Kupferstechers und Druckers Konrad Felsing in Darmstadt war, dessen Söhne Jakob und Heinrich dem Freundeskreis angehörten.68 Jakob Felsing ging später nach Italien (Mailand und Florenz), um sich als Stecher zu vervollkommnen, und Heinrich Felsing bildete sich im Betrieb seines Vaters und in Paris zum Drucker aus. Von ähnlicher Bedeutung wie das Felsingsche Haus für den gesamten Künstlerkreis war, zumindest für Carl Sandhaas, die Familie Hessemers, und es scheint kaum ein Familienmitglied gegeben zu haben, das er nicht porträtiert hätte; von Fritz Max selbst sind allein drei Porträts bekannt geworden. Nach hinterlassenen Aufzeichnungen der Witwe F. M. Hessemer waren Sandhaas und Hessemer 1821 zusammen in Rüsselsheim, um die Familie von Hessemers Onkel zu besuchen, bei welcher Gelegenheit Sandhaas die drei Cousinen Emilie, die später Hessemers Ehefrau wurde, Luise und Hedwig Hessemer porträtierte.69 Die Kenntnis von der ersten größeren Studienreise, die Carl Sandhaas zusammen mit dem Heidelberger Maler Ernst Fries und Heinrich Schilbach im Herbst des Jahres 1821 nach München, das Berchtesgadener Land und in das Salzkammergut unternahm, verdanken wir einem Brief des späteren Professors für Chemie in Gießen, Justus Liebig, den er als Student in Erlangen an seine Eltern in Darmstadt schickte.70 Liebig stammte aus Darmstadt, wo sein Vater ein Drogistengeschäft führte, in dem die Darmstädter Maler ihre Farben zu kaufen pflegten. Nach einer Apothekerlehre hatte der junge Justus Liebig bei dem Professor Kastner in Bonn Chemie studiert und war diesem bei dessen Wechsel nach Erlangen dorthin gefolgt, um seine Studien fortzusetzen. Da Kastner ein Onkel von Ernst Fries war, richteten Fries, Schilbach und Sandhaas die Rückreise von ihrer Exkursion in das Salzkammergut so ein, daß sie über Erlangen kamen, wo Fries seinem Onkel einen Besuch abstattete und bei der Gelegenheit auch Justus Liebig portätierte.71 Dieses Porträt ist Gegenstand des Briefes an die Eltern vom 18. Nov. 1821:

Von Heidelberg werden Sie ein Bild von mir bekommen, welches der Sohn des Kaufmanns Fries daselbst (ein Neffe des Prof. Kastner, welcher hier auf Besuch war und welcher mit Schilbach und Sandhaas eine Reise ins Salzburgische machte) bei seinem Hiersein anfertigte.72

Mit den beiden Reisegefährten war Sandhaas seit längerem bekannt. Schilbach dürfte zu seinen ersten Bekanntschaften in Darmstadt gehören, da er ihn sicher durch Schilbachs Lehrverhältnis mit dem Theatermaler Primavesi bereits 1815 kennengelernt hatte. Dieses Lehrverhältnis war übrigens soeben beendet, als die drei Freunde ihre Reise ins Salzkammergut antraten. Ernst Fries73 war 1801 als Sohn eines Bankdirektors und Krappfabrikanten in Heidelberg geboren, hatte 1810 zusammen mit Karl Rottmann und Karl Philipp Fohr Unterricht bei dem Universitätszeichenmeister Friedrich Rottmann in Heidelberg, 1815 bei Karl Kuntz in Karlsruhe genossen und war nach kurzem Aufenthalt in München 1818 nach Darmstadt gekommen, wo er sich bei Georg Moller in der Optik und Perspektive unterrichten ließ. Hier trat er auch in die bereits erwähnte Verbindung mit den "Darmstädter Schwarzen", und aus dieser Zeit datiert vermutlich auch die Freundschaft mit Sandhaas und Schilbach. Der genannten Studienreise von 1821 dürften einige Ansichten von Alpenlandschaften zuzuordnen sein, die sich in der "Darmstädter Mappe" befinden, ebenso wie ein Blatt, auf dem Sandhaas seinen Freund Fries als sitzenden Zeichner porträtierte und das als Pendant zu einer von Fries angefertigten Abbildung eines Zeichners in der Landschaft ("bey Bergtesgaden den 24ten Sept. 1821") zu betrachten ist.74 Die Landschaftszeichnungen, die Sandhaas mit aller75 Wahrscheinlichkeit auf dieser Reise anfertigte, konnten bislang hinsichtlich der genauen Örtlichkeiten der einzelnen Motive nicht näher bestimmt werden, doch belegen die in dieser Zeit entstandenen Landschaften von Fries, daß die Künstler sich mit Sicherheit in Berchtesgaden und in Salzburg aufhielten. Die Freundschaft mit Fries dürfte für Sandhaas wohl auch deshalb von Bedeutung gewesen sein, weil er sicher durch ihn die recht kostbare Kunstsammlung von dessen Vater, dem Bankier und Fabrikanten Fries, in Heidelberg kennenlernte. Die Kollektion enthielt Niederländer des 17. Jahrhunderts, Bilder von Lorrain und Poussin und Werke von Josef Anton Koch und Wallis. Auch die berühmte Sammlung Boisserée, die damals noch in Heidelberg war, dürfte Sandhaas in diesem Zusammenhang studiert haben.

5.4. Aufenthalte in Freiburg, München und Italien


Den Höhepunkt in der künstlerischen Laufbahn stellte in der damaligen Zeit eine Reise zu den Kunstschätzen Italiens und ein Studienaufenthalt in der Gesellschaft der deutschen Künstlerkolonie in Rom dar. Im September 1823 wurde dieser Traum für Schilbach und Fries Wirklichkeit, und gemeinsam traten sie die Reise nach Italien an, die für Fries vier und für Schilbach fünf Jahre dauern sollte. Man kann sich leicht vorstellen, wie schmerzhaft der Abschied für den zurückbleibenden Sandhaas gewesen sein muß, und ab diesem Zeitpunkt sind verstärkte Bemühungen des jungen Künstlers festzustellen, seine materielle Lage so zu verbessern, daß er seinen beiden Freunden nachreisen konnte. Ende 1823 bis Ende 1824 hielt sich Sandhaas in Freiburg i. B. auf, wo er wahrscheinlich für die Herdersche Kunstanstalt arbeitete, die der Kupferstecher Karl Barth aus Hildburghausen damals leitete. Damit dürften sich bereits hier in Freiburg zwei Lebensläufe gekreuzt haben, die wegen ihrer jeweiligen tragischen Entwicklung auch heute noch Betroffenheit auszulösen imstande sind. Der als Sohn eines Goldschmieds in Eisfeld geborene Zeichner, Kupferstecher und Dichter Karl Barth (1787-1853)76 verlebte seine Jugend in Hildburghausen, wo er trotz seiner niederen Herkunft durch das gemeinsame Interesse an der Kunst die Freundschaft von Heinrich Kümmelmann, dem Sohn des Ministers Kümmelmann, erwarb. Während eines vorübergehenden Aufenthaltes in Darmstadt hatte Kümmelmann die Bekanntschaft Wilhelm Mercks gemacht und mit diesem den Zeichenunterricht jenes nicht identifizierten älteren in Darmstadt ansässigen Sandhaas genossen, von dem bereits die Rede war. Als gebildeter junger Mann und als angehender Schüler der Dresdener Kunstakademie nach Hildburghausen zurückgekehrt, sorgte Kümmelmann nun für das weitere Fortkommen Barths, indem er ihn in die höfische Gesellschaft Hildburghausens einführte. Als Stipendiat konnte Barth sich sodann in Stuttgart, München und Rom fortbilden. Während seines Aufenthaltes in Rom (1817-1821) schloß er enge Freundschaft mit dem Dichter Friedrich Rückert und mit Karl Philipp Fohr, den er bei dessen Tod durch Ertrinken beim Baden im Tiber vergeblich zu retten suchte. Das traumatische Erlebnis, daß er, um nicht selbst in den Fluten unterzugehen, sich von dem sich an ihn klammernden Fohr befreien mußte, verfolgte ihn Zeit seines Lebens. Aus Italien zurückgekehrt, wandte er sich zunächst nach Nürnberg und wurde dann 1824 Leiter der Herderschen Kunstanstalt in Freiburg, welche Position er ein Jahr begleitete. Daraufhin ging Barth nach Frankfurt am Main, wo er an derselben Privatschule unterrichtete, an der auch später Gervinus angestellt wurde. In dieser Zeit versorgte er Sandhaas mit zahlreichen Aufträgen. In den letzten zwei Jahrzehnten arbeitete Barth am Bibliographischen Institut in Hildburghausen. Seit dem tragischen Unglücksfall, der zum Tod Karl Philipp Fohrs geführt hatte, hatte Barth mit dem Wahn zu kämpfen, er werde von den Jesuiten verfolgt, und die Zerrüttung seines Geisteszustandes nahm gegen Ende seines Lebens in einem Maße zu, daß Jakob Felsing sich veranlaßt sah, Barth nach Darmstadt zu holen, mit der Hoffnung, der Kranke könne sich hier wieder beruhigen. Schließlich sah Felsing sich aber doch gezwungen, ihn nach Hildburghausen zurückzubringen. Auf der Rückreise stürzte sich Barth trotz aller Vorsicht Felsings aus dem Oberstock eines Gasthauses in Guntershausen, einem Ort in Kurhessen. Man brachte den Schwerverletzten nach Kassel in ein Krankenhaus, wo er nach fast einem Monat an den Folgen der Verletzungen starb.
Von den Arbeiten, die während dieses ersten Freiburger Aufenthaltes von Carl Sandhaas angefertigt wurden, hat man bisher eine lavierte Sepiazeichnung mit der Ansicht von Schopfheim, eine Bleistiftzeichnung der St.-Oswald-Kapelle im Höllsteig, die auch als Federzeichung erhalten ist, sowie das Porträt eines Mädchens zuordnen können.77 Allerdings dürften die zahlreichen Skizzen und Studien nach Motiven aus dem Nibelungenlied, dem "Faust" und dem "Götz von Berlichingen" von Barth angeregt worden sein, denn Barth selbst hatte unter dem Einfluß von Peter Cornelius, zu dessen Künstlerkreis er bereits 1811 in Frankfurt am Main und nachher in Rom zählte, in Freiburg erneut begonnen, sich mit solchen Themenstellungen zu befassen. Außerdem muß Sandhaas einige Blätter nach Shakespeares 'Sommernachtstraum' angefertigt haben, von denen zwar nur eine kleine Skizze erhalten geblieben ist, die aber so gut ausgearbeitet gewesen sein müssen, daß sie ihm ein Jahr später in München die Anerkennung der dortigen Kunstwelt eintrugen. Vielleicht war Sandhaas auch dabei, als Barth in der Nähe von Freiburg in der Schloßkapelle des Grafen von Kageneck zwei kleine Andachtsbilder entdeckte, die dort, von niemandem beachtet, "unter alten Scharteken" hingen. Barth, der diesen "Segnenden Christus" und diese "Betende Madonna" für unbekannte Werke Holbeins hielt, begann an Ort und Stelle mit dem Kopieren der Bilder und bewegte den Heidelberger Verleger Winter, die Originale zu erwerben. Die Sensation, die die Entdeckung der Bilder bei Barth auslöste, war so groß, daß er sich die kommenden sechs Jahre eingehend mit ihnen auseinandersetzte. Um sich ausschließlich den Bildern widmen zu können, gab Barth seine Stelle in Freiburg auf.
Es ist anzunehmen, daß Sandhaas in diesem Freiburger Jahr auch mit dem vier Jahre jüngeren Freiburger Maler und späteren Fürstlichen Fürstenbergischen Hofmaler und Galerieinspektor in Donaueschingen Heinrich Frank (1805-1890) in Kontakt trat, der damals in der Herderschen Kunstanstalt das Kupferstechen und Drucken lernte und wohl als Schüler Barths zu betrachten ist. Ganz offensichtlich bereitete Barth Frank und Sandhaas auf eine spätere Zusammenarbeit mit Cornelius vor. In dieser Zeit scheint Sandhaas alles darangesetzt zu haben, die nötigen finanziellen Mittel für die ersehnte Italienreise zusammenzubekommen, was auch aus einem der wenigen erhaltenen Briefe von Carl Sandhaas hervorgeht. Es handelt sich hierbei eigentlich nur um ein Briefchen mit einem Landschaftsaquarell an Hessemer vom 20. Dez. 1823, in dem er seinen Freund um finanzielle Unterstützung bittet. Diese muß dann auch tatsächlich erfolgt sein, denn in einem Brief vom 25. Dez. 1824 lobte Gervinus Hessemer dafür und schlug sogar vor, eine geplante Zusammenkunft von Gervinus und Hessemer in Frankfurt zu verschieben und das dafür zurückgehaltene Geld ebenfalls noch Sandhaas zugute kommen zu lassen.78 Auch von seinem Onkel Joseph Sandhaas erhielt der junge Künstler Geld für die Italienreise, was aus einem Brief des Vaters Hessemers an seinen Sohn vom 17. Juni 1827 hervorgeht.79 Ein kürzerer Aufenthalt in Donaueschingen im Februar 1825, der durch zwei Zeichnungen des sogenannten "Schneckenballs" belegt ist, könnte auch dem Zweck gedient haben, ein ähnliches Italienstipendium zu erwerben, wie dies der Großherzog von Hessen-Darmstadt seinen Landeskindern zukommen zu lassen pflegte.
Eine der bedeutendsten Kunstmetropolen in Deutschland war damals mit München in der Entstehung begriffen, wo der kunstbegeisterte Kronprinz und ab September 1825 König Ludwig I. von Bayern Anstalten machte, seine Hauptstadt in ein zweites Athen zu verwandeln, und zahlreiche künstlerische Großprojekte in die Wege leitete. Eine bedeutende Rolle im Planspiel Ludwigs fiel Peter Cornelius zu, den er nach München holte und der einen ganzen Troß von Helfern und Schülern nach der Isarstadt zog. Über das Selbstverständnis Cornelius' hinsichtlich der Bildung einer Schule nach dem Vorbild der Malerschulen der Renaissance bzw. über die Erwartung, die Sandhaas vor seinem Wechsel nach München ebenso wie die anderen sich nach und nach in München einfindenden Corneliusschüler ihrem Lehrer gegenüber hegen durfte, liegt eine in ihrer Prägnanz einzigartige zeitgenössische Schilderung vor, nämlich ein am 22. Juli 1824 in Cottas 'Kunst-Blatt' abgedruckter programmatischer Brief des Dresdener Malers C. Vogel an Cornelius. Vogel nimmt die Fertigstellung eines Deckengemäldezyklus im Pillnitzer Schloß zum Anlaß, seine während der dreijährigen Arbeit gereiften Anschaungen über die Ausbildung der jungen Künstler kundzutun und den Geist der Malerwerkstätten des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit zu beschwören:

Bey Arbeiten der erwähnten Art, wo die Kunst durch Bedürfniß gleichsam wieder ins Leben tritt, fühlt man bald, wie der Geist der Malerwerkstätte, die Verhältnisse zwischen Meister und Schülern in der blühendsten Kunstepoche, nämlich im 15ten und 16ten Jahrhunderte, die natürlichsten und zweckmäßigsten waren, und daß, wenn je die Kunst wieder wahrhaft heimisch bey uns werden soll, wozu Deine Arbeiten und Dein Streben so wie noch einiger Wenigen die schönsten Hoffnungen geben) jene Verhältnisse sich nothwendig wieder auf eine ähnliche Weise gestalten müssen.80

Vogel begründet die Notwendigkeit, eine solche ursprüngliche Künstlerausbildung wiederherzustellen, mit dem Mangel erfahrener und brauchbarer Schüler und Gehilfen und streicht heraus, wie glücklich die jungen Künstler jener Zeit waren, "eingeführt in eine Werkstatt" nämlich, "wo Werke [...] durch das lebendige Bedürfniß der Nation entstanden, sey es nun, um den Sinn für Religion, Vaterland oder anderer edler Art zu befriedigen."81 Der hohe Grad der Kunst zu Raphaels Zeiten sei nur dadurch möglich gewesen, daß die Schüler "nicht etwa durch den todten Buchstaben, sondern auf eine lebendige Weise Theilhaber des Schatzes von Erfahrungenen technischer und ästhetischer Art" wurden, "welcher sich Jahrhunderte hindurch vom Meister auf den Schüler überliefert und stets vermehrt hatte."82 Sehr deutlich ist Vogel bewußt, daß der Zusammenbruch des Mäzenatentums und die Verbürgerlichung der Kunst für die krisenhafte Entwicklung der Kunstproduktion mit ihrer fatalen Vereinzelung des Künstlers verantwortlich ist:

Wie wenig sind unsere jetzigen Verhältnisse, wo jeder Künstler einzeln steht, und bey dem fast gänzlichen Mangel an dem Bedürfnisse öffentlicher Kunstwerke, die wahre Kunst fördern, beweisen viele Werke unserer Tage. Der Künstler aber, der die Ausführung eines öffentlichen umfassenden Kunstwerks übertragen bekommt, muß dabey alle die vielen Erfahrungen erst selbst machen, welche wieder mit ihm absterben und von denen er selbst keinen Nutzen weiter ziehen kann, wenn ihm nicht ähnliche Aufträge wiederum zu Theil werden.83

Die Modernisierungskrise der Kunst, der nach Vogels Meinung der gängige Ausbildungsbetrieb der Kunstakademien in keinster Weise Herr werde, wirke sich verheerend für die junge Künstlergeneration aus

wo die Verhältnisse der akademischen Lehrer zu ihren Schülern von der Art sind, daß sie nur selten Gelegenheit haben, von der entschiedenen Neigung und dem wirklichen Talent der leztern sich zu überzeugen, da nicht jeder, welcher Freude an Bildern und selbst am Zeichnen findet, zur Kunst berufen ist, und dieß gewöhnlich erst dann eingesehen wird, wenn es für, noch überdieß durch ein fast ungebundenes Verhältniß verwöhnten jungen Mann zu spät ist, ein aneres Fach zu wählen und einer strengern Lehrzeit sich zu unterziehen.84

Unter den nach München zu Cornelius pilgernden Künstlern war der aus dem Darmstädter Künstlerkreis hervorgegangene Peter App, und August Lucas sollte sich ebenfalls im Herbst dazugesellen. Auch Carl Sandhaas betrachtete die Voraussetzungen für ein künstlerisches und wohl auch finanzielles Fortkommen in München für gegeben und kam, wahrscheinlich zusammen mit Heinrich Frank, im Sommer 1825 an die Isar.
Einer der Schüler von Cornelius in dieser Zeit war Ernst Förster, der sich auch als Schriftsteller betätigte. In einer Lebensbeschreibung seines Lehrers schilderte er die günstigen Bedingungen, die die jungen Künstler damals in der Umgebung Cornelius' in München vorfanden:

Hatte er als bewährte Mitarbeiter am Neubau der deutschen Kunst die alten Freunde aus römischer Zeit zu gewinnen gesucht, und zum Theil gewonnen, so sah er in der heranwachsenden, an ihn sich anschließenden Jugend die Bürgschaft für den weiteren Ausbau in der Zukunft und eben deßhalb für sich selbst die erwünschte, ja die zu der vollen Erfüllung seines Berufs nothwendige Gelegenheit, einen breiten Wirkungskreis in der Gegenwart zu haben.85

Als Dokumente aus dieser Zeit haben sich ein Porträt von Cornelius und eines von eben diesem Ernst Förster, beide in der "Darmstädter Mappe", erhalten. In einem Brief vom 18. August 1825 von München an Hessemer, der seit September 1824 eine Stelle als Oberbaukondukteur für Oberhessen in Gießen bekleidete und seit Ostern 1825 Stube an Stube mit dem inzwischen in Gießen studierenden Gervinus wohnte, schildert Sandhaas die Aufbruchstimmung, in der er sich seit seinem Eintreffen in München befand. Da der Brief bislang nicht veröffentlicht wurde, sei er hier in vollem Wortlaut wiedergegeben:86

Lieber Fritz!
Ich wollte Dir hier mit ein paar Zeilen sagen, daß ich in München bin und daß Du mir schreiben sollest. Ich hatte unterwegs noch allerlei Geschichten die ich Dir später einmal erzählen werde. Außerdem geht es mir insofern gut, ich habe um mich ein wenig zu beschäftigen einige leichte Versuche im Fresko-malen gemacht. - München gefällt mir; ich komme beinahe täglich in die Glyptothek zu Cornelius und anderen. Meine Blätter zum Sommernachtstraum hatten hier sehr gefallen, es muntert mich dazu auf die Geschichte fortzusetzen und herauszugeben.
Hast Du wohl an Tante H[esseme]r geschrieben? Von meiner Familie wäre ich also geschieden. Julie will den Freund nicht in mir - gut - so mag sie sich vor dem Feind wohl hüten. Je mehr ich darüber nachdenke je mehr werde ich mit Haß erfüllt, es ist abscheulich sag ich Dir! Ich kenne sie jetzt durch und durch - die Zeit soll das noch rächen.
Nun sage Lieber wie steht es mit Dir und Deinem Leben jetzt in Gießen, was macht Gerwin grüße ihn und gib mir Nachricht. Von meinem Treiben kann ich Dir zu wenig noch sagen weil ich vor allen Dingen sehen muß daß ich zu Geld komme.
Leb also wohl bald ein weiteres
Dein Freund Karl Sandhaas
Das Porträt von Grüner werde ich Dir nächstens zuschicken. - Nimm also vorlieb mit diesem schlechten Brief bis ich Dir einen besseren schicke.

Aus den Exzerpten aus den Briefen Gervinus' an Hessemer, die Kempf 1933 in der 'Ortenau' veröffentlichte, läßt sich ersehen, daß das Verhältnis zwischen Carl Sandhaas und der Familie seines Onkels in Darmstadt zunehmend durch Spannungen getrübt wurde. Über die Gründe dafür sind wir nur unzureichend informiert. Am 30. März 1826 schreibt Gervinus an Hessemer nach Gießen, daß Hessemers Vater zu Besuch bei der Familie von Joseph Sandhaas gewesen sei und erzählt habe, die Sandhaasen hätten sich bitter über Carl beschwert. Es ist die Rede von einer Verlegenheit, in der Sandhaas sich in Ulm (wohl auf der Reise nach München) befunden habe, und Julie habe sich beklagt, daß sie "es nicht um ihn verdient hätte". Leider sind die Andeutungen zu dürftig, als daß man ihnen näher auf den Grund gehen könnte. Offensichtlich haben aber mehrere Komponenten zum Bruch zwischen Sandhaas und der Familie seinen Onkels beigetragen. Bickermann berichtet aufgrund des Quellenmaterials, das er noch hat einsehen können, daß dem jungen Sandhaas von Seiten der Familie seines Onkels Vorhaltungen gemacht worden seien wegen der Geldunterstützungen, die ihm die Familie habe zuteil werden lassen, woraufhin Carl Sandhaas seinem Onkel gesagt habe: "Das was ich bin, bin ich durch mein Talent, und wäre es auch ohne Sie geworden!"87
Über Sandhaas' Italienreise herrscht in der Forschung große Unsicherheit, nicht nur im Hinblick auf die Frage, wann sie stattfand, sondern auch wohin sie den Künstler geführt hat. Seit dem Frühjahr 1826 verfestigen sich im Freundeskreis Gerüchte, Sandhaas sei von München nach Italien gegangen. Wir wissen, daß von den in München arbeitenden Künstlern der Heidelberger Jugendfreund von Ernst Fries, Karl Rottmann, und der Freiburger Heinrich Frank im Jahr 1826 nach Rom reisten. Gwinner schreibt in seinen ansonsten wenig zuverlässigen Bemerkungen über Sandhaas, daß er nur in Mailand und auch nur für kurze Zeit dort gewesen sei, wo es ihm aber nicht habe gelingen wollen, sich aus seinen mißlichen finanziellen Verhältnissen herauszuarbeiten, und daß er verstimmt und verzweifelnd wieder nach München zurückgekehrt sei.88 Diese Einschätzung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man bedenkt, daß einer der Darmstädter Jugendfreunde, nämlich der Kupferstecher Jakob Felsing, seit November 1822 sich als Schüler Longhis in Mailand aufhielt. Ein von Gisela Bergsträsser in ihrer Schilbach-Monographie abgedruckter Brief Schilbachs aus Rom an Felsing in Mailand vom 6. Februar 1827 scheint Gwinners Behauptung tatsächlich zu belegen:

Über den Sandhaas mußte ich mich recht wundern! Damals schon wie mir Deuker deinen Brief brachte, ich hätte freylich nicht erraten wer dieses wäre - u es überraschte mich sehr, übrigens dauert er mich recht sehr, nach alledem was du mir von ihm sagtest, u auch andere die ihn kennen w. z. B. Eibel, Frank, Eisenloher, die du wohl auch kennst? dieser arme Sandhaas ist gewiß durch den überspannten Hessemer verdorben worden, und früher in der Jugend Erziehung vernachlässigt es ist Schade um ihn. Ich kann aber nicht begreifen warum ihn sein Oncle so gehen läßt?89

Von den in der Briefpassage erwähnten Personen konnten Deuker und Eibel nicht identifiziert werden. Bei Frank handelt es sich um Heinrich Frank, der sich damals in Rom aufhielt und bei dem Schilbach im Zusammenhang mit den Mitteilungen Felsings sich über Sandhaas erkundigte, ebenso wie bei Friedrich Eisenlohr, einem gebürtigen Lörracher und Weinbrenner-Schüler, der wie Frank 1826 nach Rom gekommen war.90 Ob die nicht mehr erhaltenen Mitteilungen Felsings sich tatsächlich auf die Anwesenheit Sandhaas' in Mailand bezogen oder ob er lediglich Nachrichten aus Darmstadt weitergab, ist wohl nicht mehr festzustellen. Die Antwort Schilbachs scheint aber auszuschließen, daß Sandhaas vor dem Februar 1827 in Rom war, denn das wäre Schilbach sicher nicht entgangen. Bickermann hält im Anschluß an den Sandhaas-Artikel in dem Künstlerlexikon von Thieme-Becker die Datierung der Reise auf das Jahr 1828 für wahrscheinlich. Dafür spricht, daß Sandhaas in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen, den sogenannten Spitalblättern, verschiedene Anspielungen auf einen Romaufenthalt macht (z.B.: Ich will wieder nach Rom. In Rom gibt es Makkaroni, Feigen, ein Glas Semada und guten Tabak u.s.w."). An Blättern, die auf der Italienreise von Carl Sandhaas entstanden, haben sich nur wenige auffinden lassen. In Haslacher Privatbesitz befindet sich das Aquarell einer Figurengruppe (offensichtlich handelt es sich um einen Streit zwischen zwei Familien) in einem italienischen Hafen. Zwei zusammengehörige Aquarelle, einen Jungen mit Apfel und einen Apfelpflücker darstellend ("Darmstädter Mappe"), dürften ebenfalls auf der Italienreise entstanden sein. Ob diese Reise nun 1826 oder 1828 stattgefunden hat, sei dahingestellt. Sicher ist, daß Sandhaas in den ersten Dezembertagen 1826 (wieder) in München war.91 Anfang des folgenden Jahres versuchte Sandhaas, aus einer seiner wohl bedeutendsten Arbeiten, einer großformatigen Radierung (25 x 117 cm) "Der Leichenzug", in Friesform mit einer ausgeklügelten, phantasievollen Arabeske, abzusetzen.92 Wie sehr sich seine Freunde Daniel Fohr und Gervinus in Heidelberg und Hessemer in Gießen um den Verkauf des Blattes bemühten, zeigen wiederum die Briefe von Gervinus an Hessemer.93 Das Blatt sollte der Anfang einer Folge von zehn bis zwanzig Darstellungen mit dem Titel 'Des Menschen Erdenwallen" oder "Von der Wiege bis zum Grabe' sein, ein Titel, der sicher bewußt die Assoziation zu Goethes dramatischem Spiel 'Künstlers Erdewallen' wecken sollte. Aber bereits im Frühjahr mehrten sich die Anzeichen dafür, daß die Euphorie, mit der das Projekt begonnen wurde, verflogen war. Im Freundeskreis machte man sich Sorgen darüber, wie es mit Sandhaas weitergehen sollte. Es häuften sich die Klagen über Sandhaas' "Gasthausliegen, Marktschlendern, seine Liebhaberei für die holde Weiblichkeit", und erstmals war konkret die Rede von seiner Krankheit.94 Mitte Mai kam es zu einer Art Krisensitzung in Heidelberg, an der Gervinus, Daniel Fohr und Barth teilnahmen und auf der man den Plan diskutierte, Sandhaas nach Frankfurt kommen zu lassen, wo Barth sich um ihn kümmern wollte. Man war sich einig darüber, daß die allzu freigebige Art der Unterstützung, wie sie Hessemer von Gießen aus praktizierte, für Sandhaas nur nachteilige Folgen hatte. Daniel Fohr sah darin sogar eine der wesentlichen Ursachen für seine leichtfertige Mentalität. Hessemer selbst steckte im Frühjahr und Sommer des Jahres 1827 in den Vorbereitungen für seine große Italienreise, die er im August genehmigt bekam und die er im September antrat95, so daß auch von daher für die Freunde Handlungsbedarf bestand, sich stärker um Sandhaas zu kümmern.

5.5. Letztes Aufblühen des romantischen Freundschaftsbundes und Aufenthalt in Frankfurt am Main

Für das halbe Jahr, das zwischen Sandhaas' Abschied aus München im Juli 1827 und seiner Ankunft in Frankfurt im Dezember liegt, gibt es keinerlei Hinweise auf seinen Aufenthaltsort. In den Reiseberichten Hessemers, die Anfang September in Karlsruhe beginnen, gibt es keine Hinweise darauf, daß er sich vor oder auf seiner Reise noch einmal mit Sandhaas getroffen hätte.96 Denkbar wäre, daß Sandhaas sich im Herbst in Heidelberg aufhielt, um seinen Freund Ernst Fries nach dessen Rückkehr aus Italien zu besuchen. Vor dem Tod des Onkels Joseph Sandhaas am 2. Dezember könnte Carl Sandhaas noch einmal nach Darmstadt gekommen sein. So jedenfalls läßt sich aus einem Brief schließen, den der Vater Hessemers an seinen Sohn in Rom am 1. Februar 1828 schrieb und in dem es heißt, Frau Julie Sandhaas sei sehr erfreut gewesen, daß ihr Mann versöhnt mit Carl gestorben sei.97 Im Dezember 1827 teilt Gervinus, der in dieser Zeit als Kollege Barths an einer Privatschule in Frankfurt angestellt war, Hessemer mit, daß Sandhaas in Frankfurt sei und daß Barth ihm Arbeit genug verschaffe, wobei die folgende kleine Charakterisierung Sandhaas' gibt: "Er ist übrigens dem Äußeren nach der alte, philosophiert in den Tag hinein, macht Gesichter und Stellungen und zeichnet wunderliche Hamlets und andere Gesichter auf Papierschnitzel."98 Im Jahr 1828 finden wir Sandhaas im Kreise von Daniel Fohr, August Lucas, Karl Barth u.a. in Frankfurt und Sachsenhausen. Als im April in Nürnberg eine große Dürerfeier anläßlich des 300. Todestages des Meisters stattfand, pilgerte der gesamte Freundeskreis den Main hinauf in die alte Reichsstadt, und aller Wahrscheinlichkeit nach war Sandhaas mit von der Partie. Im Herbst 1828 stieß Schilbach, der aus Rom zurückberufen worden war, um die Nachfolge von Joseph Sandhaas als Hoftheatermaler anzutreten, zu dem Freundeskreis. Wie eng die Künstlergruppe in Frankfurt zusammenarbeitete, zeigt beispielsweise das sogenannte Skizzenbuch 5 von August Lucas, das Bildnisstudien nach Sandhaas, Daniel Fohr, Schilbach, Karl Barth u.a.m. enthält.99 Sandhaas war nach Bickermann mit Genremalerei in Aquarell und mit lithographischen Arbeiten für den Kunsthändler Bottinelli beschäftigt. Eine Tuschzeichnung eines nahezu lebensgroßen Bildnisses des Amanuensis Martin May von der Frankfurter Stadtbibliothek, das auch in dieser Bibliothek aufgehängt war, ist nicht mehr auffindbar. Dieser Zeit dürfte auch eine Reihe von Durchzeichnungen nach Karl Philipp Fohr und Karl Barth zuzuordnen sein, die sich, von der Forschung unbeachtet, in einem Konvolut von Sandhaas-Blättern in den Graphischen Sammlungen des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt am Main erhalten haben und die z.T. zu den Porträtstudien gehören, die Fohr in Rom als Vorarbeiten für sein Café-Greco-Projekt machte. Die bisher bekannte Anzahl dieser Studienblätter dürfte sich durch den Fund um einiges erhöhen. Besonderes Interesse verdient eine Durchzeichnung Sandhaas', die Barth zusammen mit dem Architekten Buck aus Hildburghausen darstellt und die als ein unmittelbares Seitenstück zu der bekannten Fohrstudie einer Porträtgruppe mit Barth, Buck und dem Dichter Friedrich Rückert definiert werden muß.100
Es scheint, als sei in diesen Frankfurter Jahren noch einmal der romantische Freundschaftskult aufgeblüht, der diese Generation von Heidelberger und Darmstädter Künstlern in einem vielschichtigen Geflecht von wechselseitigen Bindungen und Beeinflussungen für rund fünfzehn Jahre zusammengehalten hatte. Daß am Ende dieser Epoche noch einmal die Figur zu Ehren kam, die aus vielfältigen Gründen als ihr Ausgangspunkt betrachtet werden kann, nämlich Karl Philipp Fohr, mag dazu beitragen, Sympathie mit diesem Künstlerkreis zu erwecken. Für Carl Sandhaas, dessen psychischer Verfall sich offensichtlich in mehreren Schüben bereits ankündigte, war mit dem Zerbrechen des Frankfurter Freundeskreises eine prägnante und wohl die bedeutendste Phase seiner künstlerischen Entwicklung beendet. Von nun an scheinen die Verbindungen abgeschnitten. Ob Hessemer, der im Herbst 1830 als Professor der Baukunst an das Städelsche Kunstinstitut nach Frankfurt kam, dem von Barth aufgegebenen und angeblich an Selbstmord laborierenden Sandhaas eine Anstellung an diesem Institut beschaffen konnte, muß wegen mangelnder Quellen im Bereich der Mutmaßung bleiben.
Werfen wir zum Schluß noch einen kurzen Blick auf die weitere Entwicklung der wichtigsten Mitglieder dieses Kreises. August Lucas (1803-1863) ging im Oktober 1829 über Mailand, wo er seinen Freund Jakob Elsing besuchte, nach Rom, blieb dort bis 1834, wurde gegen Ende seines Aufenthaltes krank und verzweifelte an seiner Berufung als Künstler, erholte sich aber anschließend in Darmstadt wieder, war als Zeichenlehrer an Darmstädtischen Schulen beschäftigt und bildete als Maler einen kleinen Schülerkreis um sich. Daniel Fohr (1801-1862) ging ebenfalls 1829 nach München, wurde 1839 badischer Hofmaler und lebte zuerst in Karlsruhe, dann in Baden-Baden. Heinrich Schilbach (1798-1851) lebte als Hoftheatermaler in Darmstadt, wo er 1833 Mitbegründer des Darmstädter Kunstvereins war. Im Jahr 1835 unternahm er zusammen mit J. W. Schirmer eine Reise in die Schweiz, die Gisela Bergsträsser anhand eines auf dieser Reise entstandenen Skizzenbuches rekonstruiert hat.101 Demnach nahmen die Künstler ihren Weg das Rheintal hinauf, bogen aber bei Offenburg in das Kinzigtal ab und kamen über Gengenbach und Biberach nach Haslach, von wo sie ihre Reise über Hornberg, Triberg, nach dem Simonswald und durch das Glottertal nach Freiburg fortsetzten. Dieser Umweg galt sicher nicht nur den Naturschönheiten des Schwarzwaldes, sondern möglicherweise auch einem Besuch bei Schilbachs altem Freund Carl Sandhaas. Leider gibt es aber keinen Hinweis darauf, ob sie ihn tatsächlich in Haslach oder Freiburg antrafen. Ernst Fries (1801-1833) war nach seiner Rückkehr aus Rom von Heidelberg nach München gegangen, wo er sich der Landschaftsmalerei widmete, wurde 1831 badischer Hofmaler in Karlsruhe und beging zwei Jahre später Selbstmord, indem er sich, angeblich im Delirium eines Scharlachfiebers, die Pulsadern durchschnitt. Friedrich Maximilian Hessemer (1800-1860) gab als Professor am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt ein Werk über 'Arabische und altitalienische Bauverzierungen' (Berlin 1840) und 'Neue Arabesken' (Mainz 1854) heraus und blieb auch in seinen dichterischen Arbeiten diesem Sujet verbunden. In einem Brief an Gervinus vom 16. August 1849 verteidigt er die Grundkonzeption eines seiner Werke gegenüber Gervinus, der daran Kritik geübt hatte: "Das Arabeskenartige und die Wirkerei der durchschlungenen Fäden wäre ja beinahe das, was in meiner Absicht gelegen hat."102 Georg Gottfried Gervinus (1805-1871)103 wurde 1830 Privatdozent für Geschichte in Heidelberg, gab 1835 seine 'Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen' heraus und kam 1836 als Professor für Geschichte nach Göttingen, wo er im Dezember 1837, als einer der sogenannten "Göttinger Sieben" wegen seiner entschiedenen liberalen Haltung im Hannoverschen Verfassungsstreit suspendiert wurde. Über Kassel kam er nach Darmstadt und Heidelberg zurück, wo er ab 1844 wieder Vorlesungen hielt und seinem Selbstverständnis als "politischem Professor" entsprechend eine rege journalistische und publizistische Tätigkeit entfaltete. 1848 wurde er Mitglied der Nationalversammlung und zog sich später wegen einer historischen Arbeit über das 19. Jahrhundert einen Prozeß wegen Hochverrats und politischer Agitation zu.
Carl Sandhaas selbst hielt sich nach 1830 vorwiegend in seiner engeren Heimat des mittleren und südlichen Schwarzwaldes auf. Aber auch hier finden sich neben seinen Schüben geistiger Zerrüttung, die ihn über sein "Hausen" in einer Laubhütte in den Wäldern oberhalb Haslachs, seinen Aufenthalt in der Nervenheilanstalt auf der Illenau bis hin zu seinem erbärmlichen Lebensabend im Haslacher Armenhaus führen sollten, noch bemerkenswerte Phasen künstlerischer Produktivität, wie u.a. seine Arbeiten für die "Kranken-Physiognomik" des Freiburger Professors der Medizin K. H. Baumgärtner und auch die neuerdings von Manfred Hildenbrand in Straßburg entdeckten Sandhaas-Blätter beweisen, ganz zu schweigen von den zahlreichen Porträts und Landschaften, die das Haslacher Hansjakob-Museum aufbewahrt. In seinen gegen Ende seines Lebens entstandenen handschriftlichen Aufzeichnungen, den sogenannten Spitalblättern, kommt Sandhaas gelegentlich noch einmal auf die Zeit zwischen 1815 und 1830 zu sprechen, allerdings ohne Zusammenhang, so daß die Auswertung der Niederschriften für den fraglichen Zeitraum wenig aufschlußreich ist. Stattdessen sind sie aber ein erschütterndes Dokument eines gegen seine Entmündigung aufbegehrenden Menschen, wobei hin und wieder etwas von jenem selbstbewußten und stolzen Trotz aufblitzt, der im geistigen Umfeld der Darmstädter und Gießener "Schwarzen" seinen Ursprung haben mag.


------------------------------------------------------------------------------------

1 Karl Buchner: Rückschau auf die Opfer des geheimen Gerichts in Deutschland. In: 'Deutsches Bürgerbuch für 1845'. Hrsg. v. H. Püttmann. Darmstadt 1845. Neudruck: Köln 1975. S. 100- 140, hier S. 100.
2 Vgl. ebd. S. 122-133 (zu Weidig) und S. 133-138 (zu Jordan). - Beispielsweise hatte Buchner nach Weidigs Selbstmord im Darmstädter Untersuchungsgefängnis zum Besten von Weidigs Witwe anonym die Broschüre 'Reliquien' (Mannheim 1838) veröffentlicht. Buchner war am 12.2.1800 in Darmstadt geboren, hatte in Gießen Rechtswissenschaften studiert, war im Wartburgfestjahr 1817 Mitglied der Christlich-teutschen Burschenschaft, der unter dem Einfluß von Karl Follen stehenden sogenannten Ehrenspiegelburschenschaft, geworden, war dann in Darmstadt als Hofgerichtsadvokat tätig, wo er am 24.4.1872 als Justizrat starb. Über seine politischen Aktivitäten berichtet Buchner in seiner autobiographischen Schrift 'Ein deutscher Advokat' (Darmstadt 1844).
3 So jedenfalls wird der Vorgang von dem Pfarrer und Schriftsteller Heinrich Hansjakob überliefert. Vgl. Heinrich Hansjakob: 'Der närrische Maler.' Haslach im Kinzigtal 1985. S. 37.
4 Friedrich Maximilian Hessemer war nur 12 Tage nach Karl Buchner am 24.2.1800 in Darmstadt geboren, hatte Mathematik in Gießen studiert, war wie Buchner 1817 Mitglied der Ehrenspiegelburschenschaft geworden, hatte im selben Jahr am Wartburgfest der deutschen Studentenschaft teilgenommen, hatte 1827 bis 1830 eine Italien- und Ägyptenreise unternommen und war danach Professor für Baukunst am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main geworden, wo er am 1.12.1860 starb. Hessemer spielte für den biographischen und künstlerischen Werdegang von Carl Sandhaas eine kaum zu überschätzende Rolle, auf die im folgenden noch weiter einzugehen sein wird.
5 F[riedrich] M[aximilian] Hessemer: 'Arabische und Alt-Italienische Bau-Verzierungen.' Gesammelt, gezeichnet und mit erläuterndem Texte begleitet. Berlin 1842. S. 22.
6 Ebd. S. 24.
7 Abgesehen von zahlreichen, in meist süddeutschem Privatbesitz zerstreuten Blättern, befinden sich die bis heute bekannten Arbeiten von Carl Sandhaas meist, in graphischen Sammlungen und Kupferstichkabinetten versteckt, in Düsseldorf, Frankfurt am Main, Mannheim, Karlsruhe, Stuttgart, Basel, Donaueschingen, Freiburg im Breisgau, Offenburg, Straßburg, Wolfach, Würzburg, Darmstadt und Haslach im Kinzigtal (zu dem Haslacher Bestand vgl. die nächstfolgende Anmerkung).
8 Im folgenden wird, obwohl Sandhaas in Stuttgart geboren ist, Haslach im Kinzigtal als seine Heimatstadt bezeichnet werden, da hier seine Familie ansässig war (und noch ist) und er selbst den größten Teil seines Lebens hier verbracht hat, auch hier gestorben ist und seine Grabstätte gefunden hat. Die Stadt Haslach hat sich um die Pflege seiner Erinnerung und um die Sicherung seines Nachlasses in höchstem Maße verdient gemacht und würdigt ihren Sohn u. a. durch eine ansehnliche und aufschlußreiche ständige Carl-Sandhaas-Ausstellung im sogenannten 'Freihof', dem Alterssitz des Pfarrers und Schriftstellers Heinrich Hansjakob. Die meisten der weit über 500 Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder und Lithographien, die die Stadt Haslach besitzt, sind damit seit 1984 der interessierten Öffentlichkeit zugänglich. Insbesondere der nachhaltigen und akribischen Forschungstätigkeit und publizistischen Arbeit des ehrenamtlichen Stadtarchivars Dr. Manfred Hildenbrand, ist es zu verdanken, daß die Sandhaas-Forschung in den letzten Jahrzehnten nicht nur in Gang gekommen ist, sondern mittlerweile bemerkenswerte Fortschritte gemacht hat, und die vorliegende Arbeit wäre ohne seine zahlreichen Hinweise, seine großzügige Verfügbarmachung der Dokumente und des Bildmaterials und die anhaltende und uneigennützige Betreuung, die auch vor der Klärung komplizierter Detailfragen nicht zurückschreckte, überhaupt nicht denkbar gewesen.
9 Vgl.: Manfred Hildenbrand: 49 weitere Sandhaas-Bilder entdeckt. Dokumente des heimatlichen Lebens aus dem 19. Jahrhundert / Neuer Fund in Straßburg. In: 'Offenburger Tageblatt' vom 7. 3. 1990.
10 Vgl.: Wolfgang Kayser: 'Das Groteske. Seine Gestaltung in Malerei und Dichtung'. Oldenburg und Hamburg 1957. - Karl Konrad Polheim: 'Die Arabeske. Ansichten und Ideen aus Friedrich Schlegels Poetik'. München, Paderborn, Wien 1966. - Günter Oesterle: "Vorbegriffe zu einer Theorie der Ornamente". Kontroverse Formprobleme zwischen Aufklärung, Klassizismus und Romantik am Beispiel der Arabeske. In: Herbert Beck u. a. (Hrsg.): 'Ideal und Wirklichkeit der bildenden Kunst im späten 18. Jahrhundert. Berlin 1984'. S. 119-139. - Günter Oesterle: Arabeske und Roman. Eine poetikgeschichtliche Rekonstruktion von Friedrich Schlegels 'Brief über den Roman'. In: Dirk Grathoff (Hrsg.): 'Studien zur Ästhetik und Literaturgeschichte der Kunstperiode'. Frankfurt am Main 1985,. S. 233-292. - Werner Busch: 'Die notwendige Arabeske. Wirklichkeitsaneignung und Stilisierung in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts'. Berlin 1985. - Günter Oesterle: Arabeske, Schrift und Poesie in E. T. A. Hoffmanns Kunstmärchen "Der goldene Topf". In: 'Athenäum'. Jahrbuch für Romantik. 1. Jg. (1991), S. 69-107. - Kerstin Behnke: Romantische Arabesken. Lineatur ohne Figur und Grund zwischen Ornament-Schrift und (Text-)Gewebe. In: Gumbrecht, Hans Ulrich und K. Ludwig Pfeiffer (Hrsg.): 'Schrift'. München 1993, S. 101-123. - Günter Oesterle: Arabeske und Zeitgeist. Karl Immermanns Roman' Münchhausen'. In: Martina Lauster (Hrsg.): 'Deutschland und der europäische Zeitgeist. Kosmopolitische Dimensionen in der Literatur des Vormärz'. Bielefeld 1994, S. 215-239. - Rolf Haaser und Günter Oesterle: Artikel "Grotesk". In: 'Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft'. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Hrsg. v. Klaus Weimar. Bd 1. Berlin, New York 1997. S. 745-748.
11 Vgl.: Werner Busch: 'Die notwendige Arabeske. Wirklichkeitsaneignung und Stilisierung in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts'. Berlin 1985, S. 133 ff.
12 Die erstmals 1888 in Heinrich Hansjakobs 'Wilde Kirschen' veröffentlichte Erzählung hat zahlreiche Neuauflagen erfahren und ist 1985 auch im Selbstverlag der Stadt Haslach im Kinzigtal in einer selbständigen und mit Illustrationen versehenen Fassung erschienen.
13 Im einzelnen handelt es sich dabei um folgende Titel:
Max Bittrich: Ein närrisches Genie im Schwarzwalde. In: 'Schwarzwaldkalender' (1901), S. 29-34.
Max Bittrich: Zur Geschichte eines verrückten Genies in Baden. In: 'Mannheimer Generalanzeiger'. Blätter für Bildung und Wissen. Nr. 488 vom 22. 10. 1919.
Johann Karl Kempf: Karl Sandhaas, der närrische Maler von Haslach (1801-1859). In: 'Mein Heimatland' (1930), Heft 6/7, S. 223-239.
Johann Karl Kempf: Maler Karl Sandhaas in Darmstadt und Frankfurt a. M. In: 'Die Ortenau' (1933), S. 1-17.
Albert Bickermann: Karl Sandhaas. Ein Gedenkblatt zu seinem 80. Todestag am 12. April 1939. Unveröffentlichtes Typoskript in Besitz des Hansjakob-Museums in Haslach i.K., 1938, 29 S.
Franz Schmider: 'Maler Carl Sandhaas'. Haslach i.K. 1959.
Esther Vögeley: Der "närrische Moler" von Haslach. Zum 125. Todestag von Carl Sandhaas. In: 'Badische Heimat'. Heft 4(1984), S. 87-96.
Martin Ruch: Der Haslacher Maler Carl Sandhaas in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau 1843-45. "Die stille Wut hab ich schon lang". In: 'Die Ortenau' (1988), S. 495-504.
Manfred Hildenbrand: Der Maler Carl Sandhaas (1801-1859). Sein Leben enthält zahlreiche offene Fragen. In: 'Die Ortenau' (1990), S. 362-378.
14 Die Arbeiten sind heute ein Kernstück der ständigen Sandhaas-Ausstellung im Hansjakob-Museum in Haslach im Kinzigtal.
15 Vgl. die ausführliche Schilderung dieser Episode bei dem Augenzeugenbericht von Schillers Freund Schleicher: Andreas Schleicher: 'Schillers Flucht'. Stuttgart 1968, S. 78f.
16 Vgl.: H[ermann] K[aiser]: Die wiederentdeckte Operndiva. In: 'Darmstädter Echo' vom 14.8.1951.
17 Ebd.
18 Ebd.
19 Der Anstellungsvertrag ist in vollem Wortlaut abgedruckt bei Hermann Knispel: 'Das Großherzogliche Hoftheater zu Darmstadt von 1810-1890'. Darmstadt und Leipzig 1891, S. 36. Knispel war selbst Hofschauspieler in Darmstadt und ein Freund des Sohnes von Joseph Sandhaas, nämlich des Darmstädter Advokaten Carl August Sandhaas, der im Besitz des Schriftstückes war.
20 Vgl. die Abbildung des Gemäldes bei Hermann Kaiser: 'Das Großherzogliche Hoftheater zu Darmstadt 1810-1910'. Darmstadt 1964, S. 26.
21 Knispel: 'Hoftheater', S. 34.
22 Vgl.: Kaiser: 'Operndiva'.
23 Georg Sebastian Thomas: 'Die Großherzogliche Hofkapelle, deren Personalbestand und Wirken unter Ludwig I'.. Darmstadt 1859, S. 126.
24 Knispel: 'Hoftheater', S. 47.
25 Vgl.: Manfred Hildebrand: Ein Großer der Haslacher Sandhaas-Familie. Der Großherzogliche Hofmaler Joseph Sandhaas starb vor 160 Jahren in Darmstadt. In: 'Schwarzwälder Bote' vom 2. 12. 1987.
26 Im einzelnen sind folgende Arbeiten von Joseph Sandhaas in der Weinbrenner-Literatur erwähnt:
1802 Figurenfries an den Wänden im Erbprinzenschlößchen in Karlsruhe.
1805 Wandmalereien im Gesellschaftssaal im Schloß zu Bauschlott (werden neuerdings Kuntz zugeschrieben).
1810 Decken- und Wandmalereien im Gesellschaftssaal des Markgräflichen Palais in Karlsruhe.
1812 Tanzsaal des Badischen Hofes in Karlsruhe (zusammen mit Feodor Iwanowitsch Kalmück).
1812/13 Wandbemalung der St. Stephanskirche in Karlsruhe.
1816 Marmorierung der Wände der evangelischen Stadtkirche in Karlsruhe.
1817/18 Kuppelausmalung der St. Stephanskirche in Karlsruhe.
27 Vgl.: Walter Gunzert: Der Theatermaler Primavesi. In: 'Festschrift für Karl Lohmeyer'. Saarbrücken 1954, S. 229-241.
28 Ein von Joseph Sandhaas verfertigtes Porträt Mollers ist abgedruckt bei Marie Frölich, Hans-Günther Sperlich: 'Georg Moller. Baumeister der Romantik'. Darmstadt 1959, S. 47.
29 Korrespondenz-Nachrichten. Darmstadt, Juli. In: 'Morgenblatt für gebildete Stände' vom 26. 7. 1820, S. 716.
30 Eine eindeutige Zuschreibung der Ansichten ist allerdings wegen unterschiedlicher Anfangsbuchstaben für den Vornamen in den jeweiligen Bildunterschriften nicht möglich. Schon bevor Carl und Joseph Sandhaas nach Darmstadt kamen, war ein älterer Künstler dieses Namens in Darmstadt ansässig. Dieser gehörte zu dem Freundeskreis des Geheimen Kriegsrates Johann Heinrich Merck, des Freundes und väterlichen Gönners Goethes. In den erhalten gebliebenen Rechnungen der Familie tauchen Posten für den Erwerb von Bildern dieses älteren Sandhaas auf. Auch ließ der Kriegsrat seinen Sohn Wilhelm von ihm im Zeichnen unterrichten. Die einschlägige Literatur bezeichnet Joseph Sandhaas als Lehrer Wilhelm Mercks, was aber nur für die spätere Phase zutreffen kann, in der Wilhelm Merck seine Kenntnisse in der Perspektive vertiefen wollte. Vgl.: F. Hermann: 'Wilhelm Merck. Ein Darmstädter Maler des beginnenden 19. Jahrhunderts'. Darmstadt 1930. Die Bemerkungen von Hermann auf S. 6f. wären entsprechend zu korrigieren.
31 Noch zwei Monate vor seinem Tod erhielt Joseph Sandhaas am 6. 10. 1827 vierhundert Gulden Besoldungszulage rückwirkend von Anfang des Jahres "zur Bezeugung Unserer Zufriedenheit über seine Uns bisher geleisteten Dienste" vom Großherzog verliehen, wie aus den Akten des Staatsarchivs Darmstadt hervorgeht.
32 Georg Gottfried Gervinus: 'Leben. Von ihm selbst. 1860'. Leipzig 1893, zwischen S. 90 und 91.
33 Vgl.: Erich Zimmermann: Die Verfassungsbewegung im Großherzogtum Hessen seit 1815. In: 'Georg Büchner. Revolutionär, Dichter, Wissenschaftler 1813-1837'. Katalog der Ausstellung Mathildenhöhe Darmstadt, 2. August 27. September 1987. Basel, Frankfurt am Main 1987, S. 86-97. Der Katalog enthält auch mehrere Abbildungen von Arbeiten von Carl und Joseph Sandhaas.
34 Kopie eines Schreibens aus dem Notizenbuch und aus fragmentarischen Aufsätzen von Adolf August Follen, dem Bruder von Karl Follen, abgedruckt bei Walter Grab: 'Dr. Wilhelm Schulz aus Darmstadt. Weggefährte von Georg Büchner und Inspirator von Karl Marx'. Frankfurt am Main, Olten, Wien 1987, S. 40. Grab hat als Schutzeinband für sein Buch die Abbildung des Aquarells "Zusammenkunft von Künstlern und Studenten" von Carl Sandhaas gewählt.
35 Die Bedeutung des Aquarells für die Erforschung der Darmstädter Gruppe um Heinrich Karl Hofmann hat kürzlich Eckhart G. Franz erneut unterstrichen. Das Aquarell belegt nämlich nicht nur die Gruppenzusammensetzung, sondern gibt auch einigen Aufschluß über die gesellige Art, in der sich die Gruppe zu treffen pflegte: "Man traf sich zunächst gesellig, befaßte sich mit historisch-kulturellen Themen wie 'altdeutscher Poesie', trug, wie dies das vor einigen Jahren neuentdeckte Gruppenbild von Carl Sandhaas belegt, die von den Gießener Burschenschaftern gepflegte 'altdeutsche Tracht', die auch der Darmstädter Gruppe die Bezeichnung 'Schwarze' eintrug, obwohl sie mit der radikal-aktionistischen Richtung dieses Kreises um die Brüder Follen trotz der zumindest zeitweiligen Mitwirkung des Follen-Freundes Sartorius nicht übereinstimmten." Eckhart G. Franz: Justizrat Becks Mission. Die "Nationaladresse" zur Verfassungsfrage und die hessische Verfassungsbewegung der Jahre 1816 bis 1820. In: Burghard Dedner (Hrsg.) 'Das Wartburgfest und die oppositionelle Bewegung in Hessen'. Marburg 1994, S.143-160, hier S. 147. - Auch Manfred Köhler bedient sich der Evidenz des Aquarells, um die hervorragende Rolle Heinrich Karl Hofmanns im Kreis der "Darmstädter Schwarzen" sichtbar zu machen: "Als der Zeichner Karl Sandhaas ca. 1818 ein Bild mit den bekanntesten politisch engagierten Darmstädter Künstlern, Juristen, Handwerkern und Studenten anfertigte, gruppierte er sie um den Rechtsanwalt Heinrich Karl Hofmann (1795-1845) als Mittelpunkt. Das kann als hinlängliches Indiz dafür gelten, daß Sandhaas ihn schon zu jener Zeit für den führenden Kopf dieses Kreises hielt. Daß er das tatsächlich war, hat er in den politischen Kämpfen, die das Großherzogtum Hessen-Darmstadt in den Jahren 1818 bis 1820 bewegten, genügend unter Beweis gestellt." Manfred Köhler: "Kein anderes Recht auf Herrschaft als durch Verfassung". Die "Darmstädter Schwarzen" um Heinrich Karl Hofmann 1818 bis 1848. In: Burghard Dedner (Hrsg.) 'Das Wartburgfest und die oppositionelle Bewegung in Hessen'. Marburg 1994, S. 109-142, hier S. 109.
36 Das Aquarell ist unter verschiedenen Betitelungen mehrfach veröffentlicht worden. Von den 18 dargestellten Personen wurden identifiziert: 1. nach dem Ausstellungskatalog 'Georg Büchner und seine Zeit'. Ausstellung der hessischen Staatsarchive 1987, bearb. v. Prof. Dr. Eckhart G. Franz, S. 15:
Die 'Darmstädter Schwarzen' und ihre Freunde um 1818, darunter Hofgerichtsadvokaten Philipp Bopp, Heinrich Karl Hofmann (am Tisch in der Mitte), und Wilhelm Stahl, der spätere 'Turnvater' Heinrich Felsing, Christian Sartorius (am Tisch links) und sein späterer Schwager Leutnant Wilhelm Schulz (am Tisch rechts vorn) sowie die Kandidaten Heinrich Ritsert und Heinrich Schmitz, die später eine der angesehensten Privatschulen Darmstadts führten (Aquarell von Carl Sandhaas; Hessisches Landesmuseum Darmstadt Hz 2568).
2. nach Ausstellungskatalog 'Georg Büchner. Revolutionär - Dichter - Wissenschaftler'. Ausstellung Mathildenhöhe Darmstadt, 2. August bis 27. September 1987, S. 89:
Zusammenkunft von Künstlern und Studenten. Aquarell von Carl Sandhaas, um 1818. 19 x 36,6 cm, Darmstadt, Hessisches Landesmuseum. Unter den Dargestellten: Philipp Bopp, Darmstädter Advokat; Leidecker, Stud. med. aus Freiburg; C. Fr. Jaeger, Theologe aus Tübingen; Christian Sartorius, Gießener Schwarzer; Heinrich Ritsert, Gießener Schwarzer; Heinrich Karl Hofmann, Teutone, Darmstädter Jurist; Wilhelm Schulz, Leutnant aus Darmstadt; J. W. Chr. Tilemann Stahl, Amtsaktuar aus Zwingenberg; Heinrich Schmitz, Cameralist aus Freiburg.
3. nach Gisela Bergsträsser. 'Johann Heinrich Schilbach. Ein Darmstädter Maler der Romantik'. Darmstadt 1959, S. 17 (dort farbige Abbildung des Aquarells):
C. Sandhaas: Schilbach im Kreise seiner Freunde. Eine Zeichnung von Carl Sandhaas im Besitz des Landesmuseums (Hz 2567) gibt näheren Aufschluß über den Kreis, in dem der Jüngling [d.i. Schilbach, Anm. R. H.] sich bewegte und damit über die geistigen Interessen des jungen Malers. Unter den Bäumen auf einer Anhöhe ist eine Schar von Freunden versammelt. Die bunten Mützen und der altdeutsche Rock charakterisieren einige als Studenten. Neben die Dargestellten und auf die Rückseite des Blattes sind Namen geschrieben, die sich wenigstens zum Teil noch lesen lassen. Da finden sich außer den Künstlern Hessemer, Felsing, Lucas und Schilbach die Namen Bopp, Leidecker, Filchner, Jäger, Rühl, Ritsert, Sartorius, Schmitz, Schulz, Stahl. Namen, die in den Listen der Burschenschafter, vor allem auf der 'Freiburger Adressenliste' aus dem Spätsommer 1818 vorkommen.
Das Aquarell gilt seit der Büchner-Ausstellung von 1987 als wichtigstes Dokument der Forschung zum hessischen Vormärz, aber auch für die Sandhaas-Forschung ist es äußerst aufschlußreich. Es beweist nicht nur Sandhaas' Kontakte zu den Revolutionären der Jahre 1817-19, - der Kotzebue-Attentäter Sand gehörte ebenso zu diesem Umfeld wie Löning, der auf den nassauischen Minister von Ibell einen Mordanschlag verübte. Außerdem sind die auf dem Aquarell Dargestellten die Hauptagitatoren beim Odenwälder Bauernaufstand 1819.
37 Im folgenden ist die wichtigste neuere Literatur über H. K. Hofmann verarbeitet: Siegfried Büttner: 'Die Anfänge des Parlamentarismus in Hessen-Darmstadt und das du Thilsche System.' Darmstadt 1969, S. 13-15. Erich Zimmermann: Heinrich Karl Hofmann (1795-1845). Ein Darmstädter Liberaler des Vormärz. In: 'Archiv für Hessische Geschichte und Altertumskunde' N.F. 38. Bd. (1980), S. 339-379. Ders.: Die Hofmännische Sache. Ein juristisch-politischer Konflikt zwischen Hessen-Darmstadt und Preußen in der Restaurationszeit. In: 'Archiv für Hessische Geschichte und Altertumskunde' N.F. 39. Bd. (1981), S. 259-314. Ders.: 'Für Freiheit und Recht! Der Kampf der Darmstädter Demokraten im Vormärz (1815-1848).' Darmstadt 1987.
38 An neuerer Literatur über W. Schulz wurden folgende Veröffentlichungen ausgewertet: Siegfried Büttner: 'Die Anfänge des Parlamentarismus in Hessen-Darmstadt', S. 15-18. Walter Grab: Wilhelm Schulz. Ein bürgerlicher Vorkämpfer des sozialen und politischen Fortschritts. In: Ders.: 'Radikale Lebensläufe'. Berlin 1980, S. 179-200. Ders.: 'Dr. Wilhelm Schulz aus Darmstadt. Weggefährte von Georg Büchner und Inspirator von Karl Marx'. Frankfurt am Main, Olten, Wien 1987.
39 Eine neuere Arbeit über Sartorius liegt nicht vor. Herman Haupt: Artikel über Sartorius. In: 'Hessische Biographien'. Hrsg. v. Herman Haupt. Bd. 3. Darmstadt 1934, S. 6976. Ders. (Hrsg.): Leben und Wirken des Gießener Schwarzen Karl Christian Sartorius 1814-1824. Nach seinen eigenen Aufzeichnungen. In: 'Beiträge zur Geschichte der Gießener Urburschenschaft'. Gießen 1938, S. 7-39.
40 Erich Zimmermann: 'Freiheit und Recht', S. 20, 283, 286.
41 Herman Haupt (Hrsg.): 'Sartorius Leben und Wirken', S. 17.
42 Adolf Müller: 'Die Entstehung der Hessischen Verfassung von 1820'. Darmstadt 1931, S. 30.
43 Georg Gottfried Gervinus: 'Leben. Von ihm selbst'. 1860. Leipzig 1893, S. 78. Dagegen versucht der Hessemer-Biograph Adolf von Grolman diesen Aspekt herunterzuspielen. Vgl.: Adolf von Grolman: 'F. M. Heßemer'. Frankfurt am Main 1920, S. 2.
44 Vgl.: Adolf Müller: 'Entstehung der Hessischen Verfassung', S. 61.
45 Ebd.
46 August Friedrich Wilhelm Crome: 'Handbuch der Statistik des Großherzogtums Hessen'. Darmstadt 1822, S. 53f. Im Vergleich zu den Verschwendungen, die von Fürsten in anderen Ländern betrieben würden, fielen die Kosten, wie Crome meint, allerdings nicht so sehr ins Gewicht, da der Großherzog im übrigen bescheiden lebe und keine großen Hoffeten und Jagden veranstalte. Ebd. S. 76.
47 Erich Zimmermann: 'Für Freiheit und Recht', S. 45. Ders.: 'H. K. Hofmann', S. 348.
48 Franz Hubert Müller (1784-1835), Museumsleiter, Zeichenlehrer, Künstler und Architekturforscher. Eine Arbeit zu seiner Person und seinem Werk liegt nicht vor, obwohl die von ihm begründete Museumszeichenschule über siebzig Jahre hinweg Ausbildungsstätte für die meisten Darmstädter Künstler war.
49 Bernhard Lade: 'August Lucas. Sein Leben und seine Werke'. Darmstadt 1924, S. 7.
50 Ebd.
51 Peter App (1803-1844), Schüler von F. H. Müller in Darmstadt und Peter Cornelius in Düsseldorf und München; Romstipendiat des Großherzogs von Hessen-Darmstadt, Mitglied der Ponte-Molle-Gesellschaft in Rom. 1844 Titel eines Hofmalers in Darmstadt. Ein von Sandhaas verfertigtes Porträt von Peter App befindet sich in der "Darmstädter Mappe" im Hansjakob-Museum in Haslach im Kinzigtal.
52 Bernhard Lade: 'August Lucas', S. 7-9.
53 Vgl.: Volker Sellin: Heidelberg im Spannungsfeld deutsch-französischer Konflikte. Die Schloßruine und ihre Stilisierung zum nationalen Symbol im Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons. In: Friedrich Strack (Hrsg.):' Heidelberg im säkularen Umbruch. Traditionsbewußtsein und Kulturpolitik um 1800'. Stuttgart 1987, S. 19-34.
54 Georg Gottfried Gervinus: 'Leben', S. 23. Gervinus erwähnt Sandhaas mehrfach in seiner Autobiographie (S. 79, 84, 91 und 101); außerdem sind die von Sandhaas verfertigten Porträts von Gervinus und Grüner wiedergegeben. Gervinus, der das rührige Treiben des Freundeskreises im Rückblick durchaus mit gemischten Gefühlen betrachtet, meint, daß die große Selbständigkeit und Ungestörtheit sie früh daran gewöhnt habe, "all unseren Hängen und Neigungen den freiesten Lauf zu lassen" (S. 23), was "freilich auch in Bezug auf Zucht und gute Sitte [...] außerordentliche Gefahren und große Schäden" (S. 24) mit sich geführt habe. Carl Sandhaas bemerkt in den von ihm handschriftlich hinterlassenen, sogenannten "Spitalblättern" an einer Stelle, daß er sich bei einer Darmstädter "Dame" eine Geschlechtskrankheit zugezogen habe, wodurch diese Äußerungen von Gervinus durchaus ihre Bestätigung erhalten.
55 Georg Gottfried Gervinus: 'Geschichte der Deutschen Dichtung'. 5., umgearb. Auflage. Bd. 2. Leipzig 1871. S. 363 f.
56 Der Freundschaftskult ist eine für die Romantik geradezu charakteristische Form des sozialen Zusammenlebens. Vgl.: Klaus Lankheit: 'Das Freundschaftsbild der Romantik'. Heidelberg 1952.
57 Vgl.: Wolfdietrich Rasch: 'Die Freundschaft bei Jean Paul'. Breslau und Oppeln 1929. - Ders.: 'Freundschaftskult und Freundschaftsdichtung im deutschen Schrifttum des 18. Jahrhunderts'. Halle/Saale 1936. - Eckhardt Meyer-Krentler: 'Der Bürger als Freund. Ein sozialethisches Programm und seine Kritik in der neueren deutschen Erzählliteratur'. München 1984.
58 Jean Paul: 'Hesperus, oder fünfundvierzig Hundsposttage. Eine Lebensbeschreibung'. Dritter Hundsposttag. Berlin o.J. (='Jean Paul's Werke'. Siebenter bis zehnter Teil.), S. 19.
59 Ebd. S. 25
60 Ebd.
61 Ebd. S. 26.
62 Ebd.
63 Ebd. S. 26 f.
64 Rasch: 'Freundschaft bei Jean Paul'. S. 46.
65 Jean Paul: 'Hesperus'. S. 28.
66 Ebd. S. 54 f.:' Flamin' hatte diesen ganzen Tag eine schweigende rührende Sanftmuth gezeigt, die selten in sein Inneres kam, und die zu sagen schien: ich habe etwas auf dem Herzen. Als die Warte öder war, so verheimlichte 'Viktor', der jetzt von liebenden Träumen voll und weich geworden, seine in Thränen stehenden Augen nicht mehr; er schlug sie frei auf vor dem ältesten Liebling seiner Tage und zeigte ihm jenes offne Auge, welches sagt: blicke immer durch bis zum Herzen hinunter, es ist nichts darin als lauter Liebe ...Stumm gingen die Wirbel der Liebe um beide und zogen sie näher - sie öffneten die Arme für einander und sanken ohne Laut zusammen, und zwischen den verbrüderten Seelen lagen blos zwei sterbende Körper - hoch vom Strome der Liebe und Wonne überdeckt, drückten sich auf eine Minute die trunknen Augen zu; und als sie wieder aufgingen, stand die Nacht erhaben mit ihren in ewige Tiefen versunknen Sonnen vor ihnen, die Milchstraße ging als der Ring der Ewigkeit um die Unermeßlichkeit, die scharfe Sichel des Erdenmonds rückte schneidend in die kurzen Tage und Freuden der Menschen. -
Aber in dem, was unter den Sonnen stand, was der Ring umzog, was die Sichel angriff, war etwas höher, fester und heller als diese - es war die unvergängliche Freundschaft in den vergänglichen Hüllen.
'Flamin', anstatt durch diesen erschöpfenden Ausdruck unserer sprachlosen Liebe befriedigt zu sein, wurde jetzt ein lebendes fliegendes Feuer. "'Viktor', in dieser Nacht gib mir Deine Freundschaft auf ewig, und schwöre mir, daß Du mich nie in meiner Liebe zu Dir stören willst!" - "O Du Guter! Ich hab' Dir ja längst mein Herz gegeben; aber ich will gern heute wieder schwören." - "Und schwöre mir, daß Du mich niemals in Unglück und Verzweiflung stürzen willst." - "Flamin, das thut mir zu weh'." - "O, ich fleh' Dich an, schwöre es und hebe Deine Hand auf und versprich mir, wenn Du mich auch hast unglücklich gemacht, daß Du mich doch nicht verlässest und nicht hassest ... ('Viktor' preßte ihn an sich) ... sondern wir gehen hieher, wenn wir uns nicht mehr aussöhnen können - o, es thut mir auch wehe, Viktor! - hieher und umfassen uns und stürzen uns hinab und sterben." - "Ja!" sagte Viktor erschöpft leise, - "o Gott, ist denn etwas vorgegangen?" "Ich will Dir Alles sagen: nun leben und sterben wir mit einander" - "O 'Flamin'! Wie lieb' ich Dich heute unaussprechlich!" - "Nun laß ich Dich in mein ganzes Herz sehen, 'Viktor', und offenbare Dir Alles." - -
Aber eh' er's konnte, mußt' er vorher sich durch Verstummen ermannen, und sie schwiegen lange, in den innern und äußern Himmel vertieft.
67 Gisela Bergsträsser: 'Johann Heinrich Schilbach. Ein Darmstädter Maler der Romantik'. Darmstadt 1959, S. 14.
68 Zu den Brüdern Felsing vgl.: Willibald Franke: '100 Jahre im Dienst der Kunst. Erinnerungsgabe der Firma O. Felsing'. Berlin 1897. Ausstellungskatalog Kunsthalle Darmstadt: Die Felsings aus Darmstadt 1797-1987. Kupferstecher - Drucker - Verleger. 18. 10. - 15. 11. 1987. Darmstadt 1987.
69 Die drei Porträts von F. M. Hessemer (Darmstadt 1817, Darmstadt 1822, Gießen 1826) sowie die von den drei Cousinen Emilie Hessemer, Luise Hessemer und Hedwig Hessemer aus dem Jahr 1821 sind bei Kempf: Maler Sandhaas wiedergegeben. Nach einer Liste, die der Hessemer-Biograph Adolf von Grolman im Archiv der Gießener Freimaurerloge hinterließ, hingen die Bilder der Cousinen im "Paradies", der Stube Luise
Hessemers, von wo aus sie in den Besitz Paul Hessemers gelangt sind. Weiterhin besitzt das Hansjakob-Museum ein Porträt der Schwester F. M. Hessemers, Ernestine.
70 Mit dieser Reise füllt sich nicht nur für die Biographie von Carl Sandhaas, sondern auch für Fries und Schilbach eine Forschungslücke, da der Liebig-Brief von der einschlägigen Literatur nicht rezipiert wird.
71 Das Porträt ist in der Liebig-Literatur verschiedentlich wiedergegeben, u.a. bei Wilhelm Jöckel: Justus Liebig als Erlanger Student. In: 'Hessen in Wort und Bild'. Beilage zur Gießener Allgemeinen Zeitung vom 19. 4. 1951. Der Dichter August von Platen, der Liebig erstmals im Hause Kastners begegnete und sich in ihn verliebte ("Ich traf einen Studenten bey ihm, [...] der ein sehr schöner Junge ist.") hat das Porträt wenig später bei den Eltern von Ernst Fries in Heidelberg zu Gesicht bekommen. Vgl.: Peter Bumm: 'August Graf von Platen. Eine Biographie'. Paderborn, München, Wien, Zürich 1990, S. 284-294. Dort auch die Abbildung des Porträts von Liebig, S. 287.
72 Ernst Berl (Hrsg.): 'Briefe von Justus Liebig. Nach neuen Funden'. Gießen 1928, S. 30.
73 Marianne Bernhard (Hrsg.): 'Deutsche Romantik Handzeichnungen'. Bd. 1. München 1973, S. 391-428. Ausstellungskatalog Kurpfälzisches Museum Heidelberg: 'Ernst Fries. Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen im Besitz des Kurpfälzischen Museums Heidelberg'. Heidelberg 1974. Jens Christian Jensen: 'Aquarelle und Zeichnungen der deutschen Romantik'. Köln 1978, S. 25f., 29, 165f. Weitere Literatur zu Ernst Fries bei Jensen S. 165.
74 Marianne Bernhard: 'Deutsche Romantik Handzeichnungen' S. 397. Jens Christian Jensen: 'Aquarelle und Zeichnungen der deutschen Romantik', S.29.
75 Willi Geismeier: 'Die Malerei der deutschen Romantik'. Dresden 1984, S. 451.
76 Walther Vontin: 'Carl Barth. Ein vergessener deutscher Bildniskünstler (1787-1853).' Hildburghausen [1938].
77 Franz Schmider: 'Maler Carl Sandhaas', S. 17.
78 Johann Karl Kempf: 'Maler Karl Sandhaas', S. 11.
79 Albert Bickermann, dem dieser Brief durch Paul Hessemer zur Einsicht vorgelegen hat, zitiert in seinem unveröffentlichten Sandhaas-Aufsatz (S. 15) die entsprechende Passage.
80 C. Vogel: Über die Bildung junger Künstler. An Peter Cornelius, Direktor der Akademie zu Düsseldorf. In: 'Kunst-Blatt' Nr. 59. 22. Juli 1824. S. 233 f., hier S.. 233.
81 Ebd.
82 Ebd.
83 Ebd.
84 Ebd.
85 Ernst Förster: 'Peter Cornelius. Ein Lebensbild'. Berlin 1875, S. 19.
86 Der Brief war Albert Bickermann aus Frankfurt am Main in Friedrichshafen am Bodensee durch Zufall in die Hände gekommen, woraufhin er begann, sich für die Hintergründe und die in dem Brief erwähnten Sachverhalte zu interessieren. Im Zuge seiner Nachforschungen stieß er auf die Erzählung Hansjakobs, dessen persönliche Bekanntschaft er in der Folge ebenso machte wie die Paul Hessemers, des Sohnes von F. M. Hessemer. Seine akribisch zusammengetragenen Forschungsergebnisse verdichteten sich zu einem 1938 druckreif fertiggestellten Aufsatz. Durch die enorme Teuerung des Papiers in den Jahren des Zweiten Weltkrieges wurde die bereits begonnene Drucklegung abgebrochen, und überdies wurde das Original des Sandhaas-Briefes, das in einem Safe in Frankfurt aufbewahrt wurde, bei einem der ersten Bombenangriffe auf die Stadt vernichtet. Glücklicherweise hatte Bickermann eine Fotoplatte angelegt, die von einem Freund Bickermanns nach dessen Tod im Dezember 1950 zusammen mit dem Manuskript des Sandhaas-Arbeit Bickermanns der Stadt Haslach i.K. überlassen wurden. Die Wiedergabe des Briefes, die auch als kleine Verbeugung vor Bickermann betrachtet werden kann, folgt der Transkription des Bickermann-Manuskripts (S. 10f.).
87 Albert Bickermann: Sandhaas-Manuskript, S. 8.
88 Ph. F. Gwinner: 'Kunst und Künstler in Frankfurt a. M. vom 13. Jahrhundert bis zur Eröffnung des Städel'schen Kunstinstituts. Zusätze und Berichtigungen'. Frankfurt am Main 1867, S. 76.
89 Gisela Bergsträsser: 'Johann Heinrich Schilbach. Ein Darmstädter Maler der Romantik'. Darmstadt 1959, S. 85.
90 Jakob Friedrich Eisenlohr (1805-1854), Architekt, Ausbildung in Karlsruhe und 1826-1828 in Italien, hauptsächlich in Rom, 1832 Lehrer am Polytechnikum und 1853 Direktor der Bauschule in Karlsruhe; verantwortlich für die Hochbauten der Badischen Staatsbahn.
91 Johann Karl Kempf: 'Maler Karl Sandhaas' S. 12 (Brief Gervinus an Hessemer. Anfang Dezember 1826).
92 Mit der Radierung setzt sich Oskar Ludwig Bernhard Wolff (1789-1851) in einer mehr als sechzig Druckseiten umfassenden Dichtung auseinander, die er 1844 zusammen mit dem Blatt veröffentlicht: O. L. B. Wolff: 'Träume und Schäume des Lebens. Poetische Glossen zu einer Radierung von Carl Sandhaas'. Frankfurt am Main 1844. Die kongeniale Literarisierung des Leichenzuges und seiner arabeskenhaften Randzeichnung läßt vermuten, daß Wolff sich für die Interpretation mit Sandhaas in Verbindung gesetzt hatte, bevor er das Buch veröffentlichte. Wie und wo der später als Herausgeber des 'Poetischen Hausschatzes des deutschen Volkes' bekannt gewordene O. L. B. Wolff die Bekanntschaft mit Sandhaas machte, ist nicht bekannt. Sandhaas befand sich jedenfalls zu dem Zeitpunkt, da das Werk erschien, in der Nervenheilanstalt Illenau.
93 Johann Karl Kempf: 'Maler Karl Sandhaas', S. 12-14.
94 Ebd. S. 14.
95 Von der Reise, die ihn sogar bis nach Ägypten führen sollte, sind umfangreiche Tagebuchaufzeichnungen in der von Adolf Grolman besorgten Hessemer-Monographie abgedruckt (S. 13 ff.).
96 Dieser Umstand spricht gegen die Mutmaßung Bickermanns, Sandhaas sei 1828 in Italien gewesen, da Hessemer dies sicher in seinen Aufzeichnungen erwähnt hätte.
97 Albert Bickermann: Sandhaas-Manuskript, S. 13.
98 Johann Karl Kempf: 'Maler Karl Sandhaas', S. 15. Das dort angegebene Datum Dezember 1828 ist auf Dezember 1827 zu korrigieren
99 Andreas Franzke: August Lucas 1803-1863. In: 'Kunst in Hessen und am Mittelrhein' 12. Darmstadt 1972, S. 9-201, hier 187. Bernhard Lade schreibt sogar einen Teil der Zeichnungen Sandhaas zu. Bernhard Lade: 'August Lucas', S. 14.
100 Vgl.: Georg Poensgen: 'C. Ph. Fohr und das Café Greco. Die Künstlerbildnisse des Heidelberger Romantikers im geschichtlichen Rahmen der berühmten Gaststätte an der Via Condotti zu Rom'. Heidelberg 1957, S. 16.
101 Gisela Bergsträsser: 'Johann Heinrich Schilbach', S. 60 ff.
102 Adolf von Grolman: 'F. M. Heßemer', S. 66. - Die Bemerkung bezieht sich auf das 1859 veröffentlichte Epos 'Ring und Pfeil', mit dessen Niederschrift Hessemer damals beschäftigt war.
103 Gangolf Hübinger: 'Georg Gottfried Gervinus - Historisches Urteil und politische Kritik'. Göttingen 1984.

   
Copyright © 2000-2009 Rolf Haaser
Design by Inter@ctive Design