Wissenschaftliche Publikationen Texte Spätaufklärung und Gegenaufklärung

2. Der Gießener Regierungsdirektor und reaktionär-konservative Publizist Ludwig Adolf Christian von Grolman (1741-1809) und die Entwicklung der Verschwörungstheorie

2.1. Wegbereiter der Verschwörungstheorie
2.2. Zugehörigkeit zum Illuminatenorden, Gründung der Gießener Freimaurerloge und Sicherung der beruflichen Existenz
2.3. Starcks Injurienklage und Kryptokatholizismusstreit
2.4. Aufdeckung der "Deutschen Union", Fall des Syndikus Minnigerode, Denunziation des "Schwarzen Ordens" und konspiratives Treffen mit dem Minister Gatzert
2.5. Jakobinerriecherei, Zensurprozesse und Untersuchungskommissionen gegen mißliebige Universitätsangehörige
2.6. Entstehung der Eudämonia, Affäre Greineisen und literarische Fehde um Grolmans Obskurantismus
2.7. Patriotismus oder konspirativer Egoismus?


2.1. Wegbereiter der Verschwörungstheorie

Die reaktionär-konservative, anti-aufklärerische und gegenrevolutionäre Publizistik des Gießener Regierungsdirektors Ludwig Adolf Christian von Grolman, der als eine der Schlüsselfiguren für die Herausbildung extrem konservativer Vorstellungsmuster in der politischen Landschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts betrachtet zu werden verdient, ist in einem weit verästelten System von Querverweisungen, verdeckten Selbstreferenzen und Autorezensionen angelegt und in ihrer ganzen Ausdehnung und Breitenstreuung nicht leicht zu überschauen. Grolman hatte nämlich, wann immer und wo immer es ging, seine Verfasserschaft zu verbergen gestrebt. Die geradezu notorische Pseudo- und Anonymität der meisten Grolmanschen Schriften1 hängt aber nicht, wie man vermuten könnte, damit zusammen, daß er wegen seiner fast durchweg betont kämpferischen und diffamierenden Polemiken etwa nachteilige Konsequenzen für seine Person zu fürchten gehabt hätte. Vielmehr hatte die systematische Verbergung und Verleugnung seiner Autorschaft ihren Ursprung in dem Bestreben Grolmans, eine Art von verdeckter Aushorchung der verschiedensten geheimen Gesellschaften, in denen er Mitglied war oder zu denen er anderweitig Zugang hatte, möglichst lange unerkannt betreiben zu können. Die auf solche Art gewonnenen Kenntnisse von geheimen Interna nutzte Grolman dann in seinen Veröffentlichungen in Form von scheinbar konsequenten Schlußfolgerungen aus offenbaren, vor aller Augen liegenden Beweisen für einen im Untergrund arbeitenden, geheimen Verschwörerbund, zu dessen Selbstverschleierungstaktik es gehöre, sich durch ständig wechselnde Organisationsformen immer wieder dem obrigkeitsstaatlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Verfahren der inszenierten Deduktion findet sich fast durchgängig in Grolmans Schriften und läßt sich auf die für ihn charakteristische und von ihm selbst geschaffene Formel bringen: "Aus den Würkungen schließt man auf die Ursache, und wo man Klauen herausstehen sieht, da ist auch ein wildes reißendes Thier nicht ferne.2 Im Rahmen seiner anti-aufklärerischen Strategie und diffamierenden Kampagne gegen seine politischen Gegner, sind an vorderster Stelle zwei seiner anonymen Werke zu nennen, die auch von ihm subjektiv als am bedeutendsten und wirkungsvollsten eingestuft wurden, nämlich 'Die neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo im Illuminatenorden', 1793 in Frankfurt am Main, und 'Endliches Schicksal des Freimaurerordens in einer Schlußrede gesprochen von Br.**, vormals Redner der Loge zu *** am Tage ihrer Auflösung', 1794 in Gießen erschien. Beide Texte sind repräsentative Beispiele für die reaktionär-subversive publizistische Tätigkeit Grolmans, deren unverhohlenes Ziel es war, jegliche oppositionelle und kritische Haltung gegenüber Staat und Kirche im Keime zu ersticken, die öffentliche Meinung gegen diejenigen zu mobilisieren, die vermeintlich oder tatsächlich angeblich staatsgefährdendem Gedankengut anhingen, und schließlich die politischen Mächtigen zu restriktivem und repressivem Einschreiten zu veranlassen bzw. zu Maßnahmen zu bewegen, die geeignet erschienen, jedwede oppositionellen Regungen in ihrem jeweiligen Einflußbereich im Keime zu ersticken. Auf die beiden genannten Texte bezogen, äußerten sich diese Absichten in der Weise, daß die ‚'Neuesten Arbeiten' eine Wiederaufnahme der Illuminatenverfolgung in Gang zu setzen bzw. in Bewegung zu halten versuchten, während mit dem ‚'Endlichen Schicksal' vor allem in Freimaurerkreisen eine Art von Selbstaufopferungshysterie erzeugt werden sollte, durch welche die Selbstauflösung aller geheimer Maurerei als die zwar bedauerliche, aber als unter den gegebenen politischen Umständen unausweichliche Folge der gegen die Staatsordnung verschworenen Umtriebe der illuminatischen Aufklärung erscheinen sollte. Im persönlichen Werdegang Grolmans als reaktionärer Pamphletist und extrem konservativer politischer Schriftsteller stehen die beiden Schriften an jener zentralen Stelle, die den Übergang zu der seine publizistische Laufbahn krönenden Mitherausgeberschaft und Redaktion des anti-revolutionären und aufklärungsfeindlichen Journals ‚'Eudämonia' markiert. In noch stärkerem Maße als für die ‚'Neuesten Arbeiten' und das ‚'Endliche Schicksal' gilt dies für eine Schrift, deren Verfasserschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit Grolman zugeschrieben werden kann.3 Gleichzeitig läßt sie Grolmans umfassende und umfängliche Mitarbeiterschaft an der von dem Gießener Pädagogiarchen und Professor Heinrich Martin Gottfried Köster4 herausgegebenen konservativen theologischen und politisch-religiösen Zeitschrift ‚'Die neuesten Religionsbegebenheiten''5 in einem helleren Licht erscheinen, als dies bislang der Fall war. In dieser Zeitschrift war sie nämlich in Form einer längeren Artikelfolge im Vorabdruck erschienen6. Nicht zuletzt wäre damit nun auch die enge personelle wie inhaltlich-tendenzielle Verflechtung des Kösterschen Rezensionsorgans mit der ‚Eudämonia' offenkundig. Nicht nur aus diesen Gründen, sondern vor allem weil die ‚'Nachrichten von einem unsichtbaren Bund' als Manifest des Konservativismus Grolmans und seiner Gießener Gefolgschaft zu verstehen und als ideologische Grundlage und konzeptuelle Ausgangsbasis für die Redaktion der 'Eudämonia' zu betrachten sind, sei sie an dieser Stelle in ihren zentralen Thesen und Prämissen vorgestellt:

Seit 1765 seien häufiger als zu früheren Zeiten üblich Versuche unternommen worden, an der Religion herumzubessern, wobei die Aufklärungstheologen Semler in Halle und Teller in Berlin neben den anonymen Rezensenten der ‚'Allgemeinen deutschen Bibliothek' den Ton angaben. Nachdem es zunächst den Anschein gehabt habe, als sollten bloß gewisse Reinigungen des religiösen Systems vorgenommen werden, habe sich nach und nach herausgestellt, daß das Christentum nur noch dem Namen nach bestehen bleiben sollte. Die 'Allgemeine deutsche Bibliothek', deren Herausgeber Friedrich Nicolai 1781 dem Illuminatenorden beigetreten sei, habe seit 1782 immer deutlicher erkennen lassen, daß ihr an gänzlicher Verdrängung des Christentums gelegen war und daß ein in das Gewand des Christentums gekleideter Naturalismus an dessen Stelle treten sollte. Die Rezensenten des theologischen Faches der 'Allgemeinen deutschen Bibliothek' hätten sich die Ziele der Illuminaten zu eigen gemacht und seien immer mutiger mit der Sprache herausgekommen. Ihrem Exempel seien nun immer mehr einzelne Schriftsteller gefolgt, und bald habe man auch die Rechtmäßigkeit der monarchischen Regierungsform bestritten. Gleichwohl habe es nicht an Männern gefehlt, die sich der allgemeinen Richtung widersetzten und die Absichten der 'Allgemeinen deutschen Bibliothek' wie der Illuminaten aufzudecken suchten. Dennoch sei manches dunkel geblieben, bis endlich 1793 die höheren Grade der Illuminaten in den 'Neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo' publiziert und die Absichten des Aufklärerbundes und die Mittel, derer er sich bediente, völlig deutlich vor aller Augen ausgebreitet worden seien. Schon vorher, als im Jahr 1788 die Deutsche Union Carl Friedrich Bahrdts entdeckt worden sei, habe sich gezeigt, daß der Illuminatenorden keineswegs aufgehoben worden sei, sondern unter einer anderen Benennung im Geheimen fortgewirkt habe. Aus der Aufdeckung der Bahrdtschen Union habe man ersehen können, wie Rezensenten, Buchhändler und Lesegesellschaften zur Beförderung der Absichten des Bundes und zur Unterdrückung aller ihm entgegengesetzten Schriften mißbraucht worden seien und noch weiterhin mißbraucht werden sollten. Die Union habe versucht, sich fast aller Journale und gelehrten Zeitungen zu bemächtigen, immer mehr Buchhändler an sich zu ziehen und durch die meist von ihr selbst angelegten Lesegesellschaften eine in die Breite gehende Wirkung zu erzielen. Auf diese Weise sei eine allgemeine, der Religion und den Staaten nachteilige Stimmung entstanden, gegen welche die wenigen Andersgesinnten nicht mehr hätten aufkommen können, da ihre Schriften kaum noch oder gar nicht mehr gelesen, von den Rezensenten verschwiegen oder herabgewürdigt und von gleichgesinnten Buchhändlern aus dem Verkehr gehalten worden seien. Umgekehrt seien alle Arten von verderblichen Grundsätzen in Bezug auf Religion und Staat immer weiter ausgebreitet und geradezu herrschend gemacht worden. Man brauche nur den allgemeinen Zustand der Literatur zu betrachten, um zu dem zwingenden Schluß zu kommen, daß hinter allen diesen Erscheinungen eine alles dirigierende Ursache stecke, die eine solche einheitliche Tendenz unter den Schriftstellern, Rezensenten, Buchhändlern und der Leserwelt gezielt betrieben und bewirkt habe. Solches lasse sich nur durch einen großen und geheimen Bund bewerkstelligen, dessen Existenz trotz aller Abschwörungen und Ableugnungen seiner führenden Mitglieder nicht bestritten werden könne.

Die Oberen des geheimen Bundes und ihre Helfershelfer verketzerten ihre Gegner als Gespensterseher, hämische Bösewichter oder Inquisitoren und seien ständig bemüht, sie allenthalben als verächtliche Menschen zu verschreien, während sie gleichzeitig Regenten und Minister mit Schmeicheleien zu hintergehen suchten. Dabei stellten sie die aller Vernunft und Erfahrung widersprechenden Behauptungen auf, daß unter guten Regierungen keine Mißvergnügten möglich seien, daß Schriftsteller keine Revolutionen bewirken könnten oder daß das Volk nichts lese. Diejenigen biederen Schriftsteller, die trotz allem die nötigen Nachrichten an die rechten Orte befördern wollten, würden von ihnen behindert und, wo dies nicht ganz möglich sei, verleumdet. Wenn man es nicht wagen könne, unter seinem Namen zu publizieren, so gäben sie vor, daß man auf anonyme Schriften schlechterdings keine Rücksicht nehmen dürfe, da durch solche Schriften bereits viel Böses verbreitet worden sei.

Sie hintergingen die Regenten mit den schön klingenden Worten Toleranz und Preßfreiheit, die sie doch selbst keineswegs respektierten, denn sie verfolgten alle Andersgesinnten und suchten alle Schriften zu unterdrücken, die ihrer Partei entgegen seien. Teilweise gingen sie sogar soweit, den Regenten alle Rechte über die Presse abzusprechen und ihnen mit Publizität oder gar mit einem Aufstand des Volkes zu drohen.

In dem Fach der Religion habe man es so weit getrieben, daß man alle positiven Lehren derselben für verwerflich, und wenn es hoch komme, für eine bloße gefällige Einkleidung erkläre, die man getrost wegwerfen könne. Man rechne nichts mehr auf die Autorität Christi und der Apostel, leugne sogar die Möglichkeit einer göttlichen Offenbarung oder behaupte wenigstens, daß es an Mitteln fehle, wodurch sich Menschen von der Göttlichkeit einer Offenbarung überzeugen könnten. Weil es aber immer noch Leute gebe, welche die Offenbarung und die heilige Schrift noch schätzten, so hintergehe man diese mit allerlei seltsamen und künstlichen Erklärungen derselben, belasse ihnen die Worte, nehme ihnen aber die Sachen, und bringe sie somit um eine Religion, die ihnen teuer sei, ohne daß sie recht wüßten, wie es damit zugehe.

Nach derselben Art verfahre man auch im politischen Fach. Man preise die demokratische Verfassung über Gebühr an, erkläre jegliche monarchische Regierung schlichtweg für unvernünftig und tyrannisch, verhöhne alle diejenigen, welche sich dieselbe gefallen ließen, als elende Sklaven, lästere die Fürsten, indem man sie ohne weiteres für Usurpatoren ausgebe, und ermuntere endlich den Pöbel durch vorgebliche Freiheit und Gleichheit zu Empörungen. Die Aufklärungsschriftsteller dieser Couleur seien mitnichten durch einen Drang zur Wahrheit geleitet, sondern es gehe ihnen ausschließlich darum, den Pöbel an sich zu ziehen, eine politische Rolle zu spielen, sich über andere zu erheben, Bürgermeister und Volksrepräsentanten zu werden, des reicheren Nachbarn Vermögen an sich zu reißen, ihre Rachsucht zu befriedigen, und alles umzukehren und auf den Kopf zu stellen. Unter dem Vorwand, allenthalben Licht und Glückseligkeit zu verbreiten, trachte dieser geheime Bund der falschen Aufklärer danach, alles zu verfinstern und zu verwirren und die Menschheit in das tiefste Elend zu stürzen, um auf den übrigbleibenden Trümmern zu herrschen. Abscheulicheres und für die Religion und bürgerliche Ordnung Gefährlicheres sei noch nie in der Welt gewesen.

Seit einiger Zeit habe man in einigen Journalen damit begonnen, alle ehrlichen Leute, die der allgemeinen falschen Aufklärung abgeneigt seien oder ihr gar entgegenarbeiteten, als einen förmlichen Bund der Obskuranten oder Verfinsterer namhaft machen zu wollen, und es sei abzusehen, daß bald ein gräßliches Geschrei von allen Orten erhoben werde. Zwar wäre es nicht unrecht, wenn die Männer, die es wohl mit der Religion und den Staaten meinten, sich wirklich verbänden und alle erlaubten Mittel anwendeten, dem unerhörten Unfug zu steuern. Aber leider existiere ein solcher Bund nicht, und es dürfte viel Zeit und Mühe kosten, wenn man auch auf den Einfall geraten wäre, denselben zustande zu bringen und zusammenzuhalten. Die Umstände seien im Vergleich zum Bund der falschen Aufklärer zu ungleich: man finde hier nicht die Befriedigung der Leidenschaften, die man in jenem Bunde hoffen könne. Hier gehe es bloß um Wahrheit, dort aber um viele andere Dinge. Alle möglichen Mittel stünden jenen Leuten zu Gebote, hier aber könne man nur diejenigen anwenden, die sich mit der strengsten Rechtschaffenheit vertrügen. Hier könne man nicht verleumden, nicht betrügen, keine Kabalen schmieden usw. Indessen würden alle Rechtschaffenen die Existenz eines solchen Bundes mit Freuden begrüßen und ihm bald und willig beitreten, weil leicht einzusehen sei, daß diejenigen eine gute Sache und die Wahrheit auf ihrer Seite haben müßten, welche von den falschen Aufklärern als Verfinsterer, als Feinde alles Lichts, und wohl gar als Bösewichter verleumdet würden, woran es sicherlich nicht fehlen werde.

Die mit einiger Sicherheit Grolman zuzuschreibenden 'Nachrichten von einem unsichtbaren Bunde' fassen die zentralen Aspekte der Verschwörungstheorie zusammen, wie sie 1795, als die 'Eudämonia' zu erscheinen begann, entwickelt war. Insofern dürfte die Schrift für den Herausgeberkreis des Journals, was die Tendenz der Zeitschrift anbelangt, programmatischen Charakter gehabt haben. Jedenfalls stellt dieses Machwerk das Bindeglied zwischen den 'Neuesten Religionsbegebenheiten' Kösters, die dem Ende ihres Erscheinens zustrebten, und der 'Eudämonia' dar, die in einigen Aspekten die Köstersche Zeitschrift ablösen sollte. Hatten die letzten Jahrgänge der 'Neuesten' 'Religionsbegebenheiten', nicht zuletzt dank der Mitarbeiterschaft Grolmans, bereits zunehmend die enge religionspolitische Zielstellung der Zeitschrift aufgegeben, so entledigte sich die 'Eudämonia' von vornherein einer solchen Selbstbeschränkung und widmete sich stattdessen ausschließlich der Verbreitung einer reaktionären bzw. extrem konservativen Ideologie. Sichtbares Zeichen der Bindegliedfunktion der 'Nachrichten von einem unbekannten Bunde' ist die Einrückung von Auszügen aus der Schrift in eines der ersten Stücke der 'Eudämania'.7 Diese, noch in der für die 'Neuesten Religionsbegebenheiten' charakteristischen Form der exzerpierenden Rezension verfaßte Sammlung von Auszügen aus der Schrift Grolmans bezieht sich im wesentlichen auf die im Untertitel erwähnten vermehrten Belege, durch die die selbständig erschienene Fassung sich von der älteren Aufsatzserie in der Kösterschen Zeitschrift unterschied. Von daher lassen sich eine ganze Reihe von Aufsätzen, die anschließend in der 'Eudämonia' erschienen, als Fortsetzungen und Nachträge zu den hier Grolman zugeschriebenen Auszügen lesen und wären im Analogieschluß ebenfalls der Verfasserschaft des Gießener Regierungsdirektors zuzuordnen.8 Damit wären wichtige neue Aufschlüsse über den Umfang der Mitarbeiterschaft Grolmans an der 'Eudämonia' gewonnen, da bislang nur die wenigen namentlich gekennzeichneten und zur Abwehr der gegen ihn von Johann Ludwig Justus Greineisen und Georg Friedrich Rebmann erhobenen Vorwürfe verfaßten Beiträge Grolman eindeutig zugeordnet werden konnten.9 Die in diesem Zusammenhang notgedrungene Aufhebung der Anonymität dieser Beiträge versuchte Grolman dadurch zumindest teilweise zu unterlaufen, daß er den Weg eines scheinbaren Verfassersplittings wählte, d. h. sie unter einem eigentlichen, namentlich genannten Beiträger und einem nichtgenannten, hypothetischen Kommentator10, der sich als der Redakteur der Zeitschrift ausgab, aufteilte.11 Grolman verfolgte damit den Zweck, wenn schon nicht seine Autorschaft an den fraglichen Beiträgen, so doch wenigstens seine redaktionelle Tätigkeit für die 'Eudämonia' geheimzuhalten. Für eine eventuelle Zuschreibung weiterer anonymer Aufsätze in der 'Eudämonia' an Grolman wären eine Reihe von Kriterien festzulegen, die, auf einen kurzen Nenner gebracht, zu beschreiben wären als die Kombination eines extrem polemischen Stils, einer stark ausgebildeten Neigung zur Referenz auf eigene Werke zur Unterfütterung der vorgetragenen Thesen und einer auch die kleinsten Details kompilierende Kleinschrittigkeit in der vermeintlichen Beweisführung. Alle diese Merkmale, in Verbindung mit den für Grolman charakteristischen, häufig mit seiner persönlichen Biographie verknüpften Themenkomplexen, wie z, B. die vermeintliche Staatsgefährdung durch die Studentenorden, die Parisreise Bodes und von dem Bussches, der Briefwechsel zwischen Mauvillon und Karl von Knoblauch, Ausfälle gegen Rebmann, den Atheismusstreit, Knigges frühere Rolle im Illuminatenorden, Riedesels Mitgliedschaft im Illuminatenorden usw., ermöglichen zumindest einen groben Überblick über die gesamte Ausdehnung und Intensität der Mitarbeiterschaft Grolmans an dem Antirevolutionsjournal.12

Grolmans anderslautender Versicherung zum Trotz hatte sich der von ihm beschworene konservativ-reaktionäre Bund zur Abwehr der angeblichenen Illuminatenverschwörung tatsächlich als die konspirativ arbeitende "Gesellschaft patriotischer Gelehrter"13 organisiert, in der der Gießener Regierungsdirektor als eines ihrer betriebsamsten und hervorragendsten Mitglieder eine Schlüsselrolle spielte. Seine These von der Weltverschwörung der Illuminaten, die er in seinen 'Nachrichten von einem unsichtbaren Bunde' offensiv vertrat, wurde in verschiedenen konservativen und anti-revolutionären deutschsprachigen Zeitschriften auszugsweise kolportiert und hatte dank der umtriebigen Energie Grolmans Auswirkungen u. a. bis nach Frankreich und England. Rogalla von Bieberstein hat bereits darauf aufmerksam gemacht, daß die beiden letzten der vier Bände der zwischen 1800 und 1804 in Münster und Leipzig erschienenen 'Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus' des Abbé Augustin Barruel im Prinzip eine um umfangreiche Warnungen und Kommentare erweiterte Kompilation von Schriften darstellen, die ihm von dem Gießener Regierungsdirektor und seinem Freund, dem Darmstädter Oberhofprediger Johann August Starck, zugesandt worden waren.14 Barruel betonte ausdrücklich die Bedeutung der von Grolman in Kooperation mit Köster15 unter dem Titel 'Die neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo 'veröffentlichten Textsammlung für die beiden letzten Teile seines Werks.16 Durch den jetzt nachweisbaren Zusammenhang der 'Nachrichten von einem unsichtbaren Bunde' und damit Grolmans mit den Kösterschen 'Neuesten Religionsbegebenheiten' können wir nun das Bild insofern komplettieren, als die ebenfalls von Rogalla von Bieberstein in diesem Zusammenhang erwähnte, 1797 erschienene Schrift des Edinburgher Professors John Robison mit dem Titel 'Proofs of a conspiracy against all the religions and governments of Europe, carried on the secret meetings of free masons, illuminati and reading societies'17 nämlich ebenfalls ihre Kernthesen der Grolmanschen Artikelserie in den 'Neusten Religionsbegebenheiten' Kösters schuldet. Wenn man nun noch bedenkt, daß Barruels Werk zwischen 1797 und 1827 nicht nur ins Deutsche, sondern auch ins Englische, Italienische, Niederländische, Polnische, Portugiesische, Russische, Schwedische und Spanische und darüber hinaus die Schrift Robisons zwischen 1798 und 1800 ihrerseits wieder ins Französische, Deutsche und Niederländische übersetzt worden ist, so ist die Schlußfolgerung wohl gerechtfertigt, daß Grolman als der wahrscheinlich wirkungsvollste Kolporteur der "noch heute von rechtsradikalen sowie antimodernistisch-klerikalen Kreisen propagierten Verschwörungsthese"18 um 1800 zu betrachten ist.

Insgesamt ist Grolmans gegenaufklärerische Publizistik durch eine durchgängige bloße Umkehrungsformel der Axiome des gegnerischen Lagers geprägt und erschöpft sich größtenteils in der sich immer wiederholenden Behauptung, er und seine Parteigänger verträten die bessere Wahrheit und seien daher als die besseren Aufklärer zu betrachten.19 Diese Methode des Unterlaufens der Aufklärung in den Termini der Aufklärung hat ihren Ursprung zu einem gewissen Teil darin, daß es sich bei einer ganzen Reihe von Vertretern dieser Richtung um ehemalige Anhänger der Aufklärung, z. T. sogar um vormalige Mitglieder des radikal-aufklärerischen Illuminatenordens selbst, handelte, die sich meist mit dem Ausbrechen der Revolution in Frankreich von ihren ehemaligen Vorstellungen distanzierten und ein gegenaufklärerisches und anti-revolutionäres Lager zu formieren begannen.20 Die folgenden Ausführungen werden diesen Befund dahingehend präzisieren, daß, soweit er auf Grolman bezogen ist, schon geraume Zeit vor dem Beginn der Französischen Revolution, nämlich spätestens seit 1779, eine solche reaktionär-konservative Haltung angelegt war, die durch die Pariser Ereignisse nach 1789 lediglich gefestigt und nur mit einem desto stärkeren Engagement und Offensivgeist schriftstellerisch vertreten wurde. Was Grolman darüber hinaus von den gleichgesinnten Mitstreitern im publizistischen Kampf gegen die Repräsentanten und Anhänger der Aufklärung unterscheidet, ist die sehr scharfe Personalisierung seiner polemischen Attacken bis hin zu der Ausnutzung seiner Dienststellung als Gießener Regierungs- und Konsistorialdirektor zur judikativen und exekutiven Verfolgung der dem Einflußbereich seiner Behörde unterworfenen politischen Gegner, wobei der in der Literatur bekannte Verketzerungsprozeß gegen den Gießener Privatdozenten Dr. Greineisen lediglich die Spitze des Eisberges seiner umtriebigen Machenschaften darstellt. Die im folgenden meist erstmals veröffentlichten bzw. einer revisorischen Analyse unterzogenen Dokumente dürfen als Bruchstücke einer künftig noch zu erstellenden kritischen Grolman-Biographie gewertet werden.

2.2. Zugehörigkeit zum Illuminatenorden, Gründung der Gießener Freimaurerloge und Sicherung der beruflichen Existenz

Ludwig Adolf Christian von Grolman wurde als Sohn des Fürstlich Darmstädtischen Konsistorialrates Johann Dethmar Grolman21 und dessen Frau Luise Katharina, welche die Tochter des Primarius der Juristenfakultät und Universitätskanzlers Melchior Detmar Grolman war, vermutlich im Gießener Stadthaus der Familie geboren und am 5. Dezember in Gießen evangelisch-lutherisch getauft.22 Nach dem durch einen Hauslehrer vermittelten Elementarunterricht besuchte er mit elf Jahren das seinem Elternhaus benachbarte Pädagog. In den vier Jahren seiner Gymnasialzeit oblag er der erzieherischen Betreuung des Pädagogiarchen und Ordinarius der theologischen Fakultät der hessen-darmstädtischen Landesuniversität zu Gießen Johann Hermann Benner, der ein streitbarer und landesweit einflußreicher Gegner der theologischen Aufklärung war und sich u.a. durch seine schikanöse Vertreibung Carl Friedrich Bahrdts aus dessen Gießener Theologieprofessur als Leitfigur des lutherisch-orthodoxen Konservativismus profiliert hatte. Bereits als Fünfzehnjähriger bezog Grolman die Universität in seiner Geburtsstadt, um Rechtswissenschaften zu studieren, wobei sein Immatrikulationeintrag am 17. Oktober 1757 in unmittelbarer Nachbarschaft mit den nachmals in der hessen-darmstädtischen Literatur- und Gelehrtengeschichte bedeutenden Namenszügen eines Johann Heinrich Merck und Helfrich Bernhard Wenck zu finden ist. Über Grolmans Studiengang in Gießen ist nichts bekannt. Sein Wechsel nach Göttingen im Frühjahr 1763 erfolgte weniger, wie Hubbertz vermutet, wegen der Gießener Verhältnisse23 und der aus ihnen resultierenden Einschränkungen Studienmöglichkeiten Grolmans als wegen der herausragenden wissenschaftlichen Bedeutung der Göttinger Universität, die damals gerade der Universität Halle den Rang als führende und fortschrittlichste Universität des deutschen Sprachraums streitig machte. Es gehörte durchaus zum Ausbildungsgang eines Juristen von Rang, seine Studien in Göttingen komplettiert zu haben. Unter den zahlreichen Studenten aus Hessen-Darmstadt, die 1763 die Universität Göttingen bezogen, waren neben Grolmans Juristen-Freund Jakob Ludwig Hallwachs auch die Brüder Ludwig Christian und Georg Christoph Lichtenberg.24 Für den Studenten der Rechtswissenschaften Grolman dürfte dabei vor allem das Studium bei dem damals führenden Juristen Johann Stephan Pütter, der in seiner Autobiographie Grolman namentlich als einen seiner Schüler anführt,25 von besonderer Bedeutung gewesen sein. Neben den in Göttingen geschaffenen Voraussetzungen für die berufliche Karriere Grolmans waren für seinen persönlichen Lebensweg sowie für seinen Werdegang als gegenaufklärerischer Schriftsteller seine in Göttingen geknüpften freimaurerischen Kontakte und insbesondere seine Begegnung mit Johann August Starck von einflußreicher Bedeutung.26 Im gleichen Jahr, in dem Grolman sein Studium in Göttingen beendete, wurde er am 22. August 1764 in die Loge "Georg" zu Hannover aufgenommen,27 bevor er ein Praktikum am höchsten deutschen Reichsgericht, dem Reichskammergericht in Wetzlar, absolvierte.

Das Praktikum am Reichskammergericht dürfte wie üblich kaum mehr als drei Monate gedauert haben, so daß über den Aufenthaltsort Grolmans und seinen weiteren beruflichen Werdegang für die folgenden zwei Jahre eine Lücke klafft. 1767 wurde er als hessen-darmstädtischer Assessor in Gießen zum Besuch des Reichskammergerichts in Wetzlar abgeordnet28 und 1769 zum Regierungsrat befördert.29 Als der deutsch-römische Kaiser Josef II. wegen der sich häufenden Beschwerden über die schlechte Rechtssprechung im Reich, wegen der Klagen über die Verschleppung von Prozessen sowie wegen der unhaltbaren Mißstände und der Korruption am höchsten deutschen Reichsgericht eine gründliche Untersuchung angeordnet hatte, fungierte Grolman zwischen 1772 und 1777 als hessen-darmstädtischer Subdelegierter bei der kaiserlichen Visitation des Reichskammergerichts in Wetzlar. Da die Visitation bereits 1767 begonnen hatte, stieg Grolman also in die seit fünf Jahren laufende Untersuchung ein. Neben der Vertretung der Stimme von Hessen-Darmstadt nahm Grolman ab 1774 auch die Interessen von Hessen-Kassel wahr30 und wurde 1775 hessen-kasselscher Legationsrat. Seit diesem Jahr vertrat er auch die Stimme von Braunschweig-Kalenberg und ab dem folgenden die des Fürstentums Hersfeld.31

Als in der Zeit zwischen 1776 und 1778 an der Gießener Universität heftige Studentenunruhen ausbrachen und die Gärung nicht mehr zur Ruhe kommen wollte, wurde Grolman in die fürstliche Kommission berufen, die mit der Untersuchung der Angelegenheit betraut war. Seit Anfang der 1770er Jahre hatten sich an der hessen-darmstädtischen Landesuniversität wie andernorts auch verschiedene miteinander konkurrierende Studentenorden etabliert, wodurch eine Situation geschaffen worden war, die beträchtlichen Zündstoff für Reibereien und Auseinandersetzungen in sich barg und den akademischen Frieden der Ludoviciana nachhaltig erschütterte. Im Frühjahr 1776 kam der Herzog von Württemberg mit seiner Tochter durch Gießen und machte hier auf seinem Weg nach St. Petersburg Station, wo die Prinzessin mit dem russischen Großfürsten vermählt werden sollte. Dies war in der an Abwechslung armen, provinziellen Kleinstadt für die Studenten eine willkommene Gelegenheit, zu einem Gratisumtrunk zu gelangen, und man entschloß sich, zu Ehren der Braut einen abendlichen Fackelzug zu veranstalten und ihr ein Ständchen darzubringen. Diese an sich harmlose Aktion war insofern ein Politikum, als die Prinzessin von Württemberg bereits mit dem Erbprinzen Ludwig von Hessen-Darmstadt verlobt gewesen war. Die vor kurzem gestorbene erste Frau des russischen Thronfolgers war zudem eine Schwester des Erbprinzen Ludwig gewesen, der nun also nach dem Tod seiner Schwester seine Verlobte an deren Stelle an den russischen Großfürsten abtreten mußte. Als also der damalige Rektor der Universität Ouvrier von der geplanten Serenade der Studenten Wind bekam, untersagte er kurzerhand die gesamte Aktion durch ein Dekret, das er im Universitätsgebäude ans schwarze Brett anschlagen ließ. Ouvrier, der ein überzeugter, aus einer pietistischen Tradition stammender Theologe war, hatte vor seiner Gießener Zeit in Darmstadt als Prinzenerzieher gewirkt und war auch für die Erziehung der nun verstorbenen ersten Frau des russischen Thronfolgers verantwortlich gewesen. In dieser Zeit hatte er aus tiefer religiöser Überzeugung alles in seinen Kräften stehende unternommen, um den mit der Heirat verbundenen Konfessionswechsel seiner ehemaligen Elevin zum russisch-orthodoxen Glauben zu verhindern. Besonders empört war Ouvrier, als er erfahren mußte, daß ein von ihm verfaßtes Gutachten über den Charakter der Prinzessin ohne sein Wissen und gegen seinen Willen zusammen mit einem Porträt nach St. Petersburg geschickt worden war, um die Brautwahl des Großfürsten zugunsten der hessen-darmstädtischen Prinzessin zu beeinflussen. Als nun schon bald nach der Eheschließung seine ehemalige Schülerin bei der Geburt ihres ersten Kindes im Kindbett verstarb, mußte der tiefgläubige Ouvrier das Schicksal der Prinzessin als ein unter machtpolitischem Primat stehendes Martyrium begreifen, und vermutlich erschien ihm der Tod der Großfürstin als ein strafender oder warnender Fingerzeig Gottes. Alles dies war für Ouvrier Anlaß genug, den zu erwartenden Auftritt der Studenten als roh und unangebracht aufzufassen und ihn zu verbieten. Natürlich ließen sich die Studenten die Gelegenheit, sich regalieren zu lassen, nicht entgehen, rissen das schwarze Brett von der Wand, veranstalteten wie geplant Fackelzug und Ständchen, betranken sich an dem vom Herzog von Württemberg spendierten Wein und gestalteten den gesamten Auftritt zu einer Demonstration der akademischen Freiheit, wobei noch die ganze Nacht hindurch auf den Straßen der Stadt ein Spektakel aufgeführt wurde und zahlreiche Fensterscheiben eingeworfen wurden. Ouvrier sorgte am folgenden Tag dafür, daß die Rädelsführer relegiert und eine Anzahl der Teilnehmer mit Karzerstrafe belegt wurden. Die Studenten reagierten mit einem Vorlesungsboykott und versammelten sich auf den Straßen und Plätzen der Stadt, woraufhin Ouvrier von der Garnison der Stadt Militär anforderte, um die Studenten zur Ruhe zu bringen und zur Teilnahme an den Vorlesungen zu zwingen. Um sich dem Zugriff der hessen-darmstädtischen Behörden zu entziehen, verließen die Studenten die Stadt und begaben sich auf einige nassauische Dörfer in der Umgebung Gießens, wobei vor allem die Studentenorden die treibende Kraft hinter der Aktion waren. Damit war eine später noch häufig erprobte Protestform der Gießener Studentenschaft aus der Taufe gehoben, die nicht nur Schutz vor den Behörden bot, sondern auch ein nicht unbeträchtliches ökonomisches Druckmittel darstellte, insofern nämlich die von den Studenten in die Stadt gebrachten Gelder bei Professoren wie Stadtbürgern eine feste Größe in ihrer finanziellen Kalkulation ausmachten, deren Ausbleiben sie schmerzlich zu spüren bekamen. Wie wirkungsvoll der Studentenauszug war, sollte sich demgemäß auch sehr bald herausstellen, als nämlich unter dem Druck der Regierung in Darmstadt die verhängten Strafen zurückgenommen wurden und Ouvrier sein Rektorenamt niederlegen mußte. Durch die Absetzung Ouvriers war die Zeit der Studententumulte allerdings keineswegs beendet, denn bereits im folgenden Jahr kam es zu erneuten Unruhen, die diesmal ihren Auslöser in Streitigkeiten zwischen den rivalisierenden Studentenorden fanden. Als die Universitätsbehörde zusätzlich zu den üblichen akademischen Strafmaßnahmen wie Relegation und Karzer ein von den Studenten als äußerst schmerzhaft empfundenes Geldstrafensystem einführten und in Anwendung brachten, vereinigten sich die Studentenorden und setzten sich geschlossen gegen die Restriktionen zur Wehr. Wie im Vorjahr zog man auf die benachbarten nassauischen Dorfschaften und gründete auf der Burgruine Gleiberg eine Gegenuniversität. Wieder war die Regierung in Darmstadt gezwungen zu intervenieren, wieder wurden die Strafen erlassen und die z. T. schon abgelieferten Strafgelder zurückerstattet. Dennoch kehrten viele der ausgewanderten Studenten nicht nach Gießen zurück, blieben auf den Dörfern oder wandten sich anderen Universitäten zu.32 Grolmans Einsatz in der mit der Untersuchung des Tumults betrauten fürstlichen Kommission ist bislang nicht im einzelnen erforscht, ist aber anhand einer späteren und weiter unten noch zu zitierenden Bemerkung aus Grolmans Briefwechsel mit dem ehemaligen Gießener Professor der Rechtswissenschaften und inzwischen in Darmstadt zu einem die Universitätskuratur einschließenden Ministeramt gelangten Christian Hartmann Samuel von Gatzert belegt.

Jedenfalls handelte es sich bei der Tätigkeit Grolmans in der fürstlichen Kommission zur Untersuchung der Gießener Studentenunruhen um eine Art von Sondereinsatz, den er neben seiner eigentlichen Arbeit als Subdelegierter an der Reichskammergerichtsvisitation in Wetzlar auszuführen hatte, zu welchem Schauplatz für den weiteren Verfolg der Lebensgeschichte Grolmans nun also zurückzukehren ist.

In unmittelbarem Zusammenhang mit der Visitation des Reichskammergerichts stand die Gründung der Loge "Joseph zu den drey Helmen", die als Filialloge der Mainzer Loge Ende 1767 in Wetzlar eröffnet worden war33 und sich dem System der Strikten Observanz angeschlossen hatte. Die älteste Mitgliederliste aus dem Jahre 1768 verzeichnet Grolman an 11. Stelle.34 Nach Schüttler wurde Grolman 1768 mit dem Namen 'a cancro aureo' Mitglied der Strikten Observanz und Dekan des Kapitels Rittersfelde (Frankfurt) mit dem Titel eines Großkomturen in Gießen.35 Nach dem Ende der Reichskammergerichtsvisitation wurde im Jahr 1777 Franz Dietrich von Ditfurth Meister vom Stuhl, der auf dem Wolfenbütteler Konvent der Strikten Observanz im folgenden Jahr die Hohlheit des Systems erkannte und seitdem eine umfassende Reform anstrebte, die letztlich dazu führte, daß Wetzlar zu Anfang der 80er Jahre sich zu einem Zentrum des aufklärerischen Illuminatenordens mauserte.36 Auf Betreiben Ditfurths wurde die Direktorial-Loge "Joseph zum Reichsadler" eingesetzt und mehrere Filiallogen gegründet. In diese Zeit des Umbruchs fiel die Gründung der Loge "Ludwig zu den drei goldenen Löwen" in Gießen als Tochter der kurz zuvor in Wetzlar installierten Direktorial-Loge. Meister vom Stuhl und erster Aufseher der am 26. April 1778 gegründeten und von 1778 bis 1796 arbeitenden ersten hessen-darmstädtischen Loge, die unter dem Protektorat des jungen Erbprinzen und nachmaligen Landgrafen Ludwig X. von Hessen-Darmstadt stand, war während der gesamten Zeit ihres Bestehens Ludwig Adolf Christian von Grolman.37 In einem späteren Schreiben an den Landgrafen Ludwig X. in Darmstadt, datiert Gießen den 3. April 1791, rekurriert Grolman in der Einleitungsfloskel auf die Gründung der Loge:

Im Jahr 1778 ward, unter Euer Großfürstlichen Durchlaucht der Loge zu Wezlar ertheilten höchster Genehmigung, die hiesige Freimäurer Loge errichtet und nach dem damals herschenden System der stricten Observanz gebildet. Auf meine besondere unterthänigste Anfrage ward mir der Auftrag gnädigst ertheilt dieser neuerrichteten Loge als Meister vorzustehen. Euer Hochfürstliche Durchlaucht geruhten auch einige Jahre nachher durch dero höchste Gegenwart und Theilnahme unsere Arbeit und Anstalt huldvoll zu bestätigen. An den nachher im Orden erfolgten Trennungen und Zwistigkeiten, nahmen wir, als ruhige Zuschauer, so wenig Antheil, daß wir vielmehr aller Abhängigkeit von anderen Logen entsagten. Unter Euer Hochfürstl. Durchlaucht höchstem Vorwissen, wurde uns jedoch eine neue Einrichtung gegeben, nach welcher zwar das Ritual des sogenannten eclectischen Bundes, weil es mit den ächten alten Maurergraden am meisten übereinstimmte, angenommen ward, wir jedoch in diesen Bund selbst nicht eintraten. Nur als Freunde der dahin gehörigen Logen erhielten wir durch unseren Deputirten bey der Directorial Loge zu Francfurt von allem Nachricht, was in jener Verbrüderung vorging und sonst vom Orden zur Wissenschaft kam. Seit dieser Zeit ist niemand ohne Euer Hochfürstl. Durchlaucht höchste Genehmigung oder Befehl von uns aufgenommen worden, und diese Aufnahmen sind sehr sparsam gewesen.38

Das Schreiben macht, allerdings unter Aussparung der Rolle Grolmans und einer Reihe weiterer Gießener Freimaurer im Illuminatenorden, die Entwicklung der Gießener Loge hin zu einer weitgehend unabhängigen, einzig dem persönlichen Einfluß des Landgrafen unterworfenen Einrichtung deutlich. Inwieweit Grolman an diesem Sonderweg der Gießener Loge aktiven Anteil nahm, läßt sich aus einer Reihe von Briefen des Darmstädter Oberhofpredigers Johann August Starck erschließen, die dieser in den Jahren 1782 und 1783 an Grolman in Gießen richtete.39 Danach scheint Grolman im Dezember 1782 sich in einem vertrauensvollen Schreiben an Starck, dessen Einfluß auf den Erbprinzen in maurerischen Angelegenheiten trotz seiner gescheiterten Bemühungen um eine Verchristlichung der Freimaurerei Grolman augenscheinlich für beträchtlich erachtete, gewandt und ihn um Aufschluß über die Gesinnungen des Erbprinzen über die jüngste Entwicklung der Freimaurerei nach dem Wilhelmsbader Freimaurerkonvent gebeten zu haben. Offensichtlich hatte Grolman in diesem Zusammenhang angedeutet, daß die Gießener Loge eine dem Erbprinzen "unbekannte Maurerei"40 einzuführen gedenke, ein Plan, den Starck für undurchführbar hielt, da der Erbprinz die Gießener Loge als sein Kind ansehe und sie unabhängig von jeglichen Systemen halten und unter seine besondere persönliche Aufsicht stellen wolle. Die Antwortbriefe Starcks auf Grolmans Anfragen machten unmißverständlich deutlich, daß der Erbprinz insbesondere eine Trennung von der Wetzlarer Loge erwartete, um den Einfluß von Ditfurths auf die Gießener Loge zu unterbinden. Dies bedeutete für Grolman, der nicht nur selbst durch von Ditfurth in den Illuminatenorden aufgenommen worden war, sondern auch eine ganze Reihe von Gießener Logenbrüdern dem Illuminatenorden zugeführt hatte, ein nicht zu übersehendes Alarmsignal, das ihn dazu bewogen haben dürfte, seine maurerische Marschroute zu überdenken und schleunigst auf den vom Erbprinzen gewünschten Kurs einzuschwenken. Da der Erbprinz zudem von Grolman die Geheimhaltung dieses Kurswechsels vor den Wetzlarern forderte, war das Zerwürfnis mit von Ditfurth und den unter seinem Einfluß stehenden Wetzlarer Illuminaten nur noch eine Frage der Zeit. Grolmans dubiose Rolle im Illuminatenorden barg eine Menge Zündstoff, der sich in der Folgezeit auch in einer Reihe von Streitschriften entladen sollte. Sowohl von Grolman als auch von seiten der Illuminaten liegen daher polemische Rückblicke auf die Ursachen des Konflikts vor, die hier in einer kleinen Synopse vorgestellt werden sollen. In einem Brief an den Hofrath und Leibarzt Johann Georg von Zimmermann in Hannover vom 6. Oktober 1794, der in der Absicht verfaßt wurde, Zimmermann als Parteigänger und Mitarbeiter für die geplante gegenrevolutionäre Zeitschrift 'Eudämonia' zu gewinnen, stellt sich Grolman vor und legt in diesem Zusammenhang auch seine früheren Verhältnisse zu dem Illuminatenorden dar:

Ich ward Meister vom Stuhl der hiesigen Landesloge, mit Vorbewust und Beystimmung des damaligen Erbprinzen, meines jetzigen guten und gnädigen Regenten, ohne dessen Vorwissen Niemand aufgenommen wurde, und dem ich von allen Vorgängen Bericht abstattete. Der Illuminaten Orden entstand nun in Bayern, und kaum war Philo [Knigge] dazugetreten, und fieng seine Werbungen an, so ward auch ich das Ziel seiner Bemühungen durch einen Dritten, obgleich jener mich gar nicht kannte. Der Standort, an dem ich mich befand, und die Absicht durch mich den künftigen Landesherrn zu gewinnen waren, wie ich nachher wohl einsah, die großen Empfehlungen zu meinem Vortheil. Niemals hat man mich förmlich aufgenommen, sondern es geschah alles schriftlich; man war so höflich, mich fast von allem zu dispensiren. Nichts als den ersten Revers , niemals einen förmlichen Eid habe ich abgelegt. Die Ursache, warum ich noch in meinen älteren Jahren mich zu dieser Verbindung bereden lies, war zwar theils Neugierde. Man sagte, hier wäre der große Aufschluß der Maurerey, das wahre non plus ultra des menschlichen Wissens zu finden, und ob ich gleich mit der Maurerey, die ich kannte, sehr zufrieden war, und eigentlich zu sagen keine weitere Aufschlüsse begehrte und erwartete; so schien es mir doch höchst interessant zu seyn zu wissen, was so viel helle Köpfe, die man mir nannte, auch theils sich mir zeigten, für ein Ding haben mögten, dem sie einen so pompösen Nahmen beylegten. Die Angel aber, an der ich hauptsächlich gefangen ward, war die Idee, die man mir in den Kopf sezte, wozu auch gewissermaßen einige bestätigende Verführung in den ersten Graden lag, daß an die Stelle aller Philanthropine, denen ich von Hertzen gram war, eine leichte und unfehlbare Methode zur glücklichern und zweckmäßigern Zucht des künftigen Menschengeschlechts gelehrt werde. Hier war meine wahre schwache Seite angegriffen. Denn ich bin sehr eifrig in meinem Beruf, und nicht lange vorher war mir die Konsist. Direktor Stelle übertragen worden, unter der besonderen Weisung, mir vor allem andern die Verbesserung der Schulen angelegen seyn zu lassen, welchem so wohlthätigen Geschäfte in hiesigen Landen so manche local Hindernisse im Wege stehen. Kurz ich lies mich nicht nur auf diese Art bereden 44. [Illuminat] zu werden; sondern ich brachte auch fünf andere Männer dazu, die jedoch mit mir das Unwesen wieder verliesen. Darunter war auch der sel. Geh. Rath Boehm, ein weit älterer, gelehrterer Mann, und zu seiner Zeit ein großer Philosoph, insbesondere Mathematiker, der weit eifriger als ich war, bis er endlich mit mir der Sache auf den Grund sah.

Noch ehe ich die Minerval Grade alle erhalten hatte, regte sich bey mir schon mancher Verdacht. Ich machte diesen meinen nächsten Obern um so mehr bekannt, als ich bey den Brüdern, die schon frühzeitig meiner Leitung übergeben wurden, und darunter sollte sogar ein parapirter Reichsfürst seyn, solche sehr natürliche Einwendungen befürchten mußte. Ich weiß nicht, womit ich das große Zutrauen, als wenn ich ein Erzaufklärer wäre, verdient hatte; man gab mir den Bescheid, daß ich, nach meinem Gutachten, alle auf Fürsten und Religion gehende anstößige Stellen bey den Schwachen hinweglassen könnte, und sie nur denen geben sollte, die für die Wahrheit empfänglicher wären, und stärkere Speise vertragen könnten. Man glaubte also gar nicht, daß meine Anfragen meine eigene Zweifel veranlaßt hatten.

Dies nicht bezielte, unerwartete und für eine geheime Gesellschaft gefährliche Vertrauen auf ein einzelnes nicht genug geprüftes Individuum gewann mich nicht; es machte mich nur noch aufmerksamer. Vielleicht würde ich das weniger geworden seyn, wenn man mir nicht von nun an in großer Geschwindigkeit, ohne mein Verlangen oder Bewerben, viele Grade mitgetheilt hätte, aus welchem allem ich denn nun sahe, daß die Dinge, die mir Anstoß machten, die ich den Schwachen vorenthalten, den Empfänglichern mit den stärkeren Magen aber übergeben sollte, Grundsatz des Ordens seyen. Hierzu kam noch, daß man mit den Forderungen an mich näher und dringender herausging. Ich sollte zu Errichtung einer hiesigen Minerval Kirche Veranstaltung machen, und den Erbprinzen, dessen vorzüglicher Gnade ich mich damals schmeicheln konnte, einfangen. Weiter kam hinzu, daß ich um diese Zeit eine Reise nach Westphalen vornehmen mußte, die über Neuwied gieng. Dort war, dem Nahmen nach, ein großer 44 [Illuminat], der deutsche National Ludovicus Germanicus, sonst Graf Joh. Martin von Stolberg genannt, in den niederen Graden unter dem Nahmen Campanella bekannt. Auch dieser war mir schon genannt worden, ohnerachtet ein Ill. major, welchen Grad ich damals hatte, dies noch nicht wissen durfte. Er selbst stand schon mit mir in Korrespondenz. Ich hatte ihn von meiner Durchreise benachrichtiget, und wollte gern den großen Mann persönlich kennen lernen. Die Feyerlichkeit, mit der ich empfangen wurde, gab mir die vermeinte Wichtigkeit meiner geringen Person zu erkennen. Den Herrn National fand ich als einen Hertzens guten aber eingeschränkten Kopf, der von dem Hofmeister seiner Kinder Kröber, im Orden Agis, ganz geleitet ja fast despotisirt wurde, und ganz Neuwied voll wahrer Fanatiker von 44 [Illuminaten]. Der älteste Bediente der Grafen Stollberg, ein eifriger Katholik, sowie sein betrogener (jetzt endlich seit einem Jahre klug gewordener) Herr ein eifriger Protestant war, wollte als dienender Bruder aufgenommen, zum Preise der hochheiligen Aufklärung nicht anders als D. Martin Luther heißen, und er hieß im Orden der Bruder Dr. Martin Luther.

Nach meiner Rückkunft suchte mich der erlauchte Philo [Knigge] auf seinen apostolischen Fußreisen ebenfalls heim, und goß viel Salbung über mich aus, die ich damals schon zum Theil für schlechtes Oehl, ja wohl gar Thran oder Schmier hielt. Er erkrankte auf einem Landhause des Ass. v. Ditfurt zwischen hier und Wezlar, hielt sich lange da auf, und ich war oft Zeuge und Theilnehmer von den Weltverbesserungs Planen, mit welchen der Apostel uns unterhielte. Ditfurt war damals enthusiastisch von ihm eingenommen, und Ditfurt und von Riedesel waren eigentlich meine nächsten Obern. Nun hatte ich, wenn ich so sagen soll, Akten genug, um mir selbst eine vollständige Relation über den neuen Orden aufzustellen, und ihn kaltblütig zu prüfen. Dies that ich, und ich fand bald, daß ich in einer sehr schlimmen Sache steckte, aus welcher mich loszuwinden nicht wenig Mühe und Verdruß kosten würde. Freylich blieb ich immer weit davon entfernt, nur zu ahnden, daß die Absicht auf irgend eine gewaltsame Revolution, wie in Frankreich nachher entstand, gerichtet sey. Das glaubte ich, daß man allmählich sich der Regenten und Regierungen bemeistern und auf diesem gelinden Wege das - was Aufklärung [genannt] wurde, in der Welt mehr verbreiten, seine Kreaturen gut versorgen, und in jedem Kabinet den Meister spielen wolle. Allein auch das war mir pflichtwidrig und gefährlich, und dabey die Angriffe auf die Christen Religion, der ich aufrichtig mit Überzeugung zugethan bin, unausstehlich.

Mein fester Entschluß war nun so bald möglich aus diesem Zauberkreise zu scheiden, inzwischen die Absichten zu eludiren, dabey sorgfältig weiter zu forschen, und nöthigen Falls bey meiner Obrigkeit Anzeige zu thun. In Folge dieses Entschlusses entschuldigte ich mich, daß meine schwere Amtsgeschäfte mich hinderten bey Minervalen zu schulmeisteriren, und ich kein anderes dazu taugliches Subjekt bisher gewinnen können. Dem Einfangen der 10. [Erbprinz Ludwig] legte ich die Hinderniß in den Weg, daß ich solches ohne den B.[Starck] der mehr gelte als ich, nicht thun könne, den ich zu wenig kenne und zu pfiffig zu seyn scheine, um von mir gewonnen werden zu können. Man möge sich also an den wenden. Wirklich ist auch ein plumper Anwurf bey ihm geschehen, der - wie ich wohl vermuthen konnte, abgewiesen wurde. Vielleicht war das mit eine Ursache, daß man diesen Mann nachher noch ärger verfolgte.

Ich mußte befürchten, daß man meine wenige Anhänglichkeit wahrnehmen und mir nichts mehr mittheilen würde, und doch hätte ich der Sache gerne tiefer auf den Grund gesehen. Ich beschloß also das Nosce te ipsum und meinen Lebenslauf einzusenden. Ich sah schon damals die Herren für Betrüger an; das ärgerte mich, und ich hielt für erlaubt (Pflicht würde ich jetzt sagen) sie wieder zu betrügen. Ich erkünstelte einen Nosce te ipsum, worin ich enthusiastisch von Aufklärung und Vertilgung der Vorurtheile sprach, worunter ich aber nüzliche Aufklärung u. schädliche Vorurtheile verstand. Mein Lebenslauf enthielt, außer einigen allgemeinen von mir bekannten Dingen, einen förmlichen Roman mit aufklärerischen Abentheuern durchwebt, worin alles erdacht war. Ich bekenne es, das war kein geringes Wagestück; allein glücklich that es seine Wirkung. Man wollte sogar mit Weglassung der rechten Nahmen, den Roman drucken lassen, das ich mir sehr natürlich verbat. Indessen gelangte das alles bis zum National und dem hochwürdigsten Spartacus [Weishaupt] selbst, gewann mir alle Achtung der großen Männer, und ich erhielt es richtig wieder zurück, wo es dann bald ins Feuer wanderte, bis auf meine Silhouette, die mein Freund B. [Starck] zum Andenken in seiner Studierstube hängen hat.

Mit der höchsten Zutraulichkeit erhielt ich nun höhere Grade ohne weiteres schriftlich mitgetheilt. Um die Zeit entstand aber der große Zwist über die Oberherrschaft, wenn ich so sagen soll, zwischen Spartacus [Weishaupt] und Philo [Knigge], und eine Art von wenigstens scheinbarer Existenz zweyer Partheyen. Meine Obern, wenigstens Minos [Ditfurth] hielten es mit Spartacus [Weishaupt], (und noch halte ich den für weniger gefährlich als Philo [Knigge]) ich hielt es auch mit ihm, um mehrere Dinge mitgetheilt zu erhalten, das auch erfolgte. Darüber brach die Verfolgung in Bayern aus, Philo [Knigge] trennte sich, wenigstens dem Schein nach, vom Orden, und endlich kam das berufene publicandum an alle Glieder, daß der Orden bis zu glücklichern Zeiten aufgehoben sey.41

Auch wenn man bedenkt, daß die hier erstmals in vollem Wortlaut wiedergegebene Selbstdarstellung Grolmans über seine Mitgliedschaft im Illuminatenorden als eine nachträgliche apologistische Selbststilisierung zu betrachten ist, mit der Grolman sich gegenüber Zimmermann in einem betont gegenaufklärerischen Licht darzustellen suchte, so gibt er hier doch eine Visitenkarte ab, die Grolmans taktiererisches Gebaren in den verschiedenen geheimen Verbindungen, denen er angehörte, deutlich werden läßt. Darüber, daß er vor heuchlerischem Einschmeicheln und Vertrauensbruch nicht zurückschreckte, kann kein Zweifel mehr sein.42 Die zurechtgelegte Selbstrechtfertigung, daß er, nachdem er im Jahr 1780 Direktor des Regierungskollegs sowie des Kirchen- und Schulwesens in der hessen-darmstädtischen Provinz Oberhessen mit Sitz in Gießen geworden war43, sich vor allem aus dienstlichen Gründen wegen eines zum Philanthropinismus alternativen Erziehungswesens für den Illuminatenorden interessiert habe, wirkt angesichts der heute bekannten reaktionären Machenschaften Grolmans nachgerade lächerlich.44 An dem Grolman-Brief ist weiterhin bemerkenswert, daß sein Verfasser bemüht ist, die Ausrichtung der Gießener Loge auf den vom Erbprinzen gewünschten Kurs historisch vor Grolmans Eintritt in den Illuminatenorden anzusiedeln und damit einen eventuellen Versuch, den Erbprinzen, wie offensichtlich von den Ordensoberen gefordert, für den Orden zu gewinnen, von vornherein als unwahrscheinlich auszuschließen. Die Briefe Starcks aus den Jahren 1782 und 1783 machen aber deutlich, daß die Chronologie umgekehrt war. Grolman war unmittelbar nach 1780 Illuminat geworden und hatte bereits begonnen, die Gießener Loge im Sinne des Ordens auszurichten. Als er das Ende des Wilhelmsbader Freimaurerkonvents zum Anlaß genommen hatte, bei Starck in Darmstadt die maurerischen Ambitionen des Erbprinzen zu sondieren, wurde er um die Jahreswende von 1782 auf 1783 mit der für ihn unerwarteten und alarmierenden Auskunft konfrontiert, daß der Erbprinz die Gießener Loge unter seine persönliche Aufsicht stellen und dem Wetzlarer Einfluß entziehen wolle. Damit waren Grolmans 'Illuminatenblütenträume', sofern er denn welche gehegt haben sollte, geplatzt. Bestandteil der Rückzugsstrategie, die zu entwerfen er sich nun genötigt sah, scheint dann die Legendenbildung der vermeintlichen Verführung des Arglosen zur Teilnahme an dem Orden durch Ditfurth und Knigge gewesen zu sein, wie er sie in der zitierten Briefpassage Zimmermann auftischte. Von seiten der von Grolman hintergangenen Illuminaten liegt ebenfalls eine Lesart vor, die der von Grolman verfolgte Gießener Privatdozent Greineisen unter Berufung auf Knigge im Jahr 1796 veröffentlichte:

Der Schuft 'Grolman' hielt es mit dem Tempelherrn-System, so lange dies in hohem Ansehn war. Nachher blieb er ein heimlicher Anhänger des Jesuiten 'Stark.' Als aber die Illuminaten-Verbindung bekannt, mächtig und besonders im Oesterreichischen so wirksam wurde; hielt er es seiner Convenienz angemessen, sich an diese zu schließen, und wurde vermuthlich auch von 'Stark' als Spion angestellt. Seine Freunde in Wetzlar (Minos [Ditfurth], Ptolemäus Lagi [Karl Georg von Riedesel] etc.) nahmen ihn auf; er schien entzückt über die Einrichtung, und bekam den Namen 'Gratianus'. 'Philo' [Knigge] hatte damals die Direction der dortigen Gegenden, und durch seine Hände liefen damals die äußerst zierlich geschriebenen Berichte und Aufsätze des saubern Herrn 'Gratianus' [Grolman]. Diese waren aber alle so auf Schrauben gesetzt, daß der so oft betrogene 'Philo' [Knigge] darüber den Kopf schüttelte; doch die Wetzlarschen Freunde waren nun einmal für 'Grolman' eingenommen. Endlich beschloß 'Philo' [Knigge] den Mann persönlich kennen zu lernen. Bey einer Durchreise durch Gießen besuchte er ihn und speisete mit ihm allein an einem kleinen Tische. 'Gratianus' [Grolman] gab sich Mühe, ihn auszuforschen. - 'Philo' [Knigge] schrieb gleich nachher an seine Freunde: " Ich will mein Leben darauf lassen, daß 'Gratianus' [Grolman] ein frömmelnder Heuchler, ein Spion, mit Einem Worte! ein Schurke ist. Man darf ihn, glaube ich, nicht weiter befördern." Aeußerlich schien indessen 'Gratianus' [Grolman] sehr eifrig. Als er aber endlich sah, daß der Orden nicht Lust hatte, seine ehrgeizigen und eigennützigen Absichten, mit denen er nach und nach hervortrat, zu befriedigen, und ihn nicht in die Karte blicken lassen wollte, wurde er zuerst kalt, und sobald die Verfolgungen gegen die Illuminaten begannen, ein heimlicher, zuletzt nun ein öffentlicher Feind und Verfolger des Ordens.

'Grolman' hat nicht mehr Grade erhalten, als die in dem, von ihm selbst citirten (vielleicht gar herausgegebenen) 'ächten Illuminaten' abgedruckt stehen. Er hat sich an Eides Statt auf seine Ehre schriftlich zur strengsten Verschwiegenheit verpflichtet und diesen Eid als ein Schurke gebrochen. Hierzu konnte ihn nichts berechtigen, denn jene Grade enthalten, dem Zeugnisse des ganzen Publikums und 'seiner eignen wiederholten schriftlichen Aeußerungen' gemäß, nichts als die reinste Sittenlehre, die Entwickelung der edelsten und unschuldigsten Zwecke. Will er aber sagen: die höhern Grade, besonders die in 'Spartacus und Philo neuesten Ordens-Arbeiten' enthaltenen, zeigten, wohin das System geführt habe, und es sey also Pflicht, dies öffentlich bekannt zu machen; so frage ich: "Woher weiß er, daß diese Grade ächt sind?"45

Auch bei der Bewertung dieser Quelle ist der Entstehungszusammenhang zu berücksichtigen. Greineisen hatte unmittelbar, bevor er diese Charakterisierung Grolmans verfaßte, eine rund einjährige Kerkerstrafe verbüßt, die ihm Grolmans Nachstellungen eingebracht hatte. Der von Greineisen gegen Grolman erhobene Vorwurf des Karrierismus ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen, wie seine rasche Bereitwilligkeit, dem seinem Fortkommen hinderlich gewordenen Illuminatenorden den Rücken zu kehren, zeigt. Schwer dürfte ihm seine Abwendung vom Orden allerdings wohl kaum gefallen sein, denn schon 1779, also unmittelbar vor seiner Ernennung zum Regierungs- und Konsistorialdirektor, hatte er seine gegenaufklärerische, reaktionär konservative Gesinnung an den Tag gelegt, indem er als Wortführer einer Eingabe des Gießener Konsistoriums an den Landgrafen in Darmstadt auftrat und durchsetzte, daß eine Schrift des ehemaligen Gießener Aufklärungstheologen Carl Friedrich Bahrdt in Hessen-Darmstadt verboten wurde.46 Laut der Selbstdarstellung Grolmans in dem bereits zitierten Brief an Zimmermann war es Grolman gelungen, sich das Vertrauen Ditfurths in einem Maße zu sichern, daß dieser ihm dessen gesamte Korrespondenz mit Weishaupt zu lesen gab und ihn auch in einen geheimen Bund aufnahm, der sich die Cinquille nannte und dem neben Ditfurth und Grolman noch Mauvillon in Kassel und zwei weitere junge Leute47 angehörten. Aufgabe dieses Bundes sei es gewesen, auszuforschen, ob sich ein geheimer Jesuitismus des Illuminatenordens bemächtigt hätte, und solche Machenschaften, falls man ihrer habhaft würde, zu veröffentlichen. Das Projekt sei aber sehr schnell im Sande verlaufen, weil Friedrich Nicolai, der Materialien beisteuern wollte, Grolman als Spion entlarvt habe.

2.3. Starcks Injurienklage und Kryptokatholizismusstreit

Ob Grolmans mißglückter Versuch, die Cinquille zu unterwandern, mit Wissen und im Einvernehmen mit dem Darmstädter Oberhofprediger Starck unternommen wurde oder ob Grolman auf eigene Faust vorging, ist wohl nicht mehr festzustellen. Jedenfalls schließt sich in der Chronologie der Biographie Grolmans eine Phase der engen Zusammenarbeit mit Starck an, die unter dem Etikett des 'Kryptokatho-lizismusstreits'48 in die Literatur eingegangen ist. Nach der Selbstdarstellung Grolmans in der Korrespondenz mit Zimmermann war er es, der den zögerlichen Starck dazu überredet habe, einen Injurienprozeß gegen Friedrich Nicolai, Friedrich Gedike und Johann Erich Biester anzustrengen. Diese dem Berliner Aufklärerkreis zugehörigen Publizisten und Schriftsteller hatten nämlich in verschiedenen Veröffentlichungen, i. e. im Anhang zum siebten Band von Friedrich Nicolais 'Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781'49 und in der von Friedrich Gedike und Biester herausgegebenen 'Berliner Monatsschrift,' die These vertreten, daß die ehemaligen Angehörigen des verbotenen und offiziell aufgelösten Jesuitenordens noch im Geheimen weiterarbeiteten und vornehmlich unter den Protestanten eine geheime Proselytenmacherei betrieben. Dabei hätten sie es vor allem auf die protestantische Geistlichkeit abgesehen, die unter der Hand zu katholischen Priestern geweiht würden, um dann Fürsten und Gemeinde im Sinne des Katholizismus beeinflussen zu können. Dabei war zunächst ohne Namensnennung, später mit Entdeckung seines Namens Starck als Kryptokatholik angeprangert und vor der Gefahr seines großen Einflusses auf den Landgrafen, den Erbprinzen und die Darmstädter Hofgesellschaft gewarnt worden. Daraufhin sah Starck sich genötigt, Maßnahmen zur Wahrung seiner persönlichen Integrität und Wiederherstellung seiner angeschlagenen Reputation zu ergreifen, zu welchem Zweck er Grolmans Rat einholte. Dieser legte ihm auseinander, daß das Schweigen, mit dem Starck auf die ersten Anwürfe reagiert hatte, nicht mehr angemessen sei, zumal man in der unmittelbaren Umgebung des Landgrafen keine Vertrauensperson hatte, die bei den zu erwartenden anonymen Denunziationen den Landgrafen hätte beruhigen und von einem scharfen Vorgehen gegen den Oberhofprediger hätte abhalten können. Wie empfindlich der bekanntermaßen unter Wahnvorstellungen leidende Landgraf in der Frage der Religions-zugehörigkeit war, hatte sich am Beispiel der Vermählung seiner Tochter mit dem russischen Thronfolger gezeigt, wo er seinen ersten Staatsminister Moser in einem Parforceritt an den Zarenhof absandte, um den Übertritt der Prinzessin zum russisch-orthodoxen Glauben womöglich noch zu verhindern. Daß es überdies ein leichtes war, den Fürsten, der sich in Pirmasens fast ausschließlich mit seiner Lieblingsbeschäftigung, nämlich mit dem Exerzieren seines Elitemilitärs befaßte, durch Immediatgesuche gegen seine im fernen Darmstadt agierenden Staatsbeamten einzunehmen, hatte sich nicht zuletzt an der spektakulären Absetzung Mosers bewahrheitet. Ohnehin hegte der Landgraf ein unerschöpfliches Mißtrauen gegenüber seinen Zivilbeamten und war nur allzu geneigt, allen möglichen Einflüsterungen ein offenes Ohr zu schenken, und mehr als einmal hatte er aufgrund von Informationen, die auf mehr oder weniger undurchsichtigen Wegen an ihn gelangt waren, ganze Entscheidungsprozesse des Regierungskollegiums außer Kraft gesetzt. Vor diesem Hintergrund ist der Ernst der Lage, in die Starck sich durch die gegen ihn geführte Kampagne befand, zu begreifen. Grolman glaubte zudem, Kenntnisse von einem gegen Starck geschmiedeten Komplott in Darmstadt und Gießen, also in der unmittelbaren Umgebung des Oberhofpredigers, gewonnen zu haben, wobei Grolman die Hintermänner im Umfeld des ehemaligen Prinzenerziehers und nunmehrigen Theologieprofessors Ouvrier in Gießen vermutete. So war er auch davon überzeugt, daß der Verfasser der betreffenden Aufsätze in der 'Berliner Monatsschrift' im Kreis der Darmstädter und Gießener Starck-Gegner zu suchen sei, was er beispielsweise daran festmachte, daß die in den Aufsätzen aufgestellten Behauptungen in Gießen die Runde machten, lange bevor die fraglichen Stücke der Zeitschrift in den Buchläden zu haben waren.50 In einem zur Unterstützung seines Freundes verfaßten Gutachten schlug Grolman, allen genannten Umständen Rechnung tragend, eine doppelte Verfahrensweise vor, nämlich erstens die Anstrengung einer förmlichen Injurienklage in Berlin und zweitens, um allen eventuellen in Pirmasens, Darmstadt oder Gießen eingefädelten Intrigen zuvorzukommen, die Mitteilung der von Starck zu treffenden Vorkehrungen an das Ministerium in Darmstadt, das vor allem durch den Umstand mit in das Interesse gezogen werden sollte, daß mit den Angriffen auf Starck auch die Ehre des Erbprinzen gekränkt worden sei:

"Gedanken über die jetzige Lage der gegen den Fürstl. O[ber]H[of]Prediger Dr. Stark angezettelten Injurien.
Der Fürstl. OHPrediger Dr Stark wird vorhin nur verdekter Weise - nun aber namentlich in öffentlichen Journalen beschuldiget, daß er ein heimlicher Jesuit der IVten Klasse sey, und aufgefordert zu beweisen, daß er es nicht sey.
Zugleich langt bey dem Fürstl. Sekretär Schleiermacher ein anonymischer Brief ein, auf dessen Couvert Franckfurth abgedruckt ist, und in welchem Ihm von der angeblichen Gefahr, worinn des H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche] Durchl[aucht] schweben, von jenem heimlichen Jesuiten zum Katholiken gemacht zu werden, Nachricht ertheilet, er selbst gewarnet und seine Pflicht gegen den Dr Stark aufgefordert wird.
Auch sind noch zwey Umstände hierbey zu bemerken.
1.) daß mein Schwager in Cleve (der zwar im vorigen Herbst zu Franckfurth in den ersten Grad der Maurerey aufgenommen worden, jedoch meine vertraute Verbindung mit Dr. Stark nicht kennet) ganz ohne meine Veranlassung, am 10. May a. c. mir schrieb:
Man sage durchgängig, der in dem Berlinschen Journal, welches Biester herausgiebt, stehende Aufsatz wegen Dr Stark seye jenem von Darmstadt übersandt.
Sonderbar und auffallend ist doch allemal daß dieses Gerüchte von Berlin aus bis in die entfernteste Provintz der Preusischen Staaten sich verbreitet hat; denn Cleve stehet mit hiesigen Landen in weniger - oder gar keiner litterarischen Verbindung. Ich komme nun in einigen Wochen dahin, und hoffe auf die Spur zu kommen, wo jenes Gerüchte sich herschreibt.
2.) der zweyte zu bemerkende Umstand ist, daß vor wenigen Wochen, als kaum das Biestersche Journal, worinn Dr. Stark genannt ist, erschienen seyn konnte, hier in Gießen viele Personen fast ganz ohne Schein sagten:
So wie um des Kronprintzen von Preusen Königl. Hoheit heimliche Jesuiten seyen, also wäre der Dr. Stark um H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche] Durchl[aucht] um beide höchste Personen, wenn es wohl gar nicht schon geschehen seyn solte, heimlich der katholischen Religion zuzuführen.
Und dieses Geschwätz dauert noch fort, wobey sehr auffallend ist, daß von jenen Personen die meisten solche Leute sind, die mit den bekannten D[armstädter]. Komplottisten theils in Verwandtschaft, theils in Bekandschaft stehen, oder Freunde und Vertheidiger des Dr. Ouvrier sind.
Aus allem diesem und der ganzen Geschichte der Kabale vom vorigen Winter hinzugenommen, ist wohl der sichere Schluß zu machen, daß eigentlich zwey Komplots gegen Dr. Stark agiren, ein maurerisch litterarisches - und ein politisches; die zwar verschiedenes Interesse haben, denn jenes sucht Celebrität, Verdienst, Geheimnisse auszupressen, und dieses übt Rache aus und will auf den Ruin des unschuldigen Mannes sich eine Chaussée bauen, auf der seine Mitglieder zu ihren ehrgeizigen Absichten rennen wollen. Beide kommen aber darin überein, daß Dr. Stark gestürzet und von Darmstadt weggedränget werden soll.
Da allerdings zu befürchten ist, daß der allgemeine Ruf, der mit Fleiß im Lande ausgebreitet zu werden scheinet, auch Ser[enissi]mo Regenti bekannt werde, da HöchstIhnen die - die Beschuldigung enthaltende Journale ebenwohl zu Gesicht kommen, wenigstens die D[armstädter] Komplottisten dafür sorgen werden, daß der Ruf und die Journale Ser[enissi]mo bekannt werden, und da nichts leichter ist, als durch anonymische nach Pirmasens abzulassende Briefe Ser[enissi]mo die schwärtzeste Beschuldigungen zu insinuiren: So stehet Dr Stark nicht nur in Gefahr, daß die kränkendste Resolutionen gegen ihn gefaßt werden; sondern selbst des H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche]Durchl[aucht] können, wenn HöchstSie nicht den unschuldigen Mann ganz desavouiren und sinken lassen wollen, an Ihrer Fürstl. Ehre gekränket werden, und in die bitterste Verdrieslichkeiten mit des Herrn Vaters H[och]f[ürstlichen]Durchl[aucht] gerathen. Wäre nur immer möglich und thunlich einen ganz sicheren Ableiter in P[irmasens] anzulegen, durch welchen alle zu befürchtende scharfe Resolutionen abgewendet oder hintertrieben werden könnten: So wäre allenfalls noch zum gänzlichen Stillschweigen anzurathen. Der Dr. Stark könnte alsdenn denken, die Schreyer würden, wenn ihnen nicht geantwortet wird, am Ende von selbst aufhören; die D[armstädter] Kabalisten aber würden ihre Mühe vergeblich verschwenden, und sich nur immer mehr verrathen. Auch des H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche]Durchl[aucht] könnten vor der Hand alles mit grosmüthiger Verachtung übersehen, und wenn Sie dereinst selbst zur Regierung kommen, das Publikum auf die beste Art Selbst desabuhiren.
Allein da es nicht möglich und thunlich ist einen ganz sicheren Ableiter in P[irmasens] anzulegen; so kann ich nicht anrathen einen solchen Weg einzugehen, der äußerst gefährlich werden, ja alles gänzlich verderben kann. Man rufe sich nur ehemalige Vorfälle ins Gedächtniß zurück, und bedenke, wie leicht es ist, daß ein Kabinets Rath seine politische Existentz verliere, wie alsdenn alle Briefe in andere Hände kommen, und daß alsdenn eben diese Briefe einen prätendirten Beweis von heimlichem Religions Verständniß mit Dr Stark würden enthalten müssen. Mann bedenke ferner daß des H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche]Durchl[aucht] wenn Sie einen Kabinets Rath in einer so delikaten Sache gewinnen wolten, Sich eben dadurch von demselben ganz dependent machen würden, welches HöchstDenenselben gewiß äußerst unangenehm seyn würde, und ich würde mich nicht unterstehen Höchstihnen solches anzurathen. Am Ende würde, neben dieser unschicklichen Abhängigkeit, doch einmal die Sache herauskommen, solche ohne Hofnung verlohren, Dr Stark gestürzet, und H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche]Durchl[aucht] höchstempfindlich an Ihrer Fürstl. Ehre gekränket seyn.
Ich halte es also für unmöglich, nun, da die Sache so weit gekommen ist, u. sicherlich noch weiter eifrichst betrieben werden wird, längerhin ein schädlich werdendes Stillschweigen zu betrachten. Dieses Stillschweigen zu brechen bleiben nur zwey Wege übrig. Der Eine ist; durch gedruckte Widerlegungen in ein litterarisches Gezänk sich einzulassen: der andere ist; den Weg Rechtens zu erwählen.
Da, so viel den ersten Weg betrift, es eine ausgemachte Sache ist, daß Nicolai und die Berliner Journalisten nur Celebrität u. Verdienst suchen, auch einige von Ihnen nebenher Geheimnisse herauszwingen wollen, da ferner die ganze Anlage ihrer attaque so boshaft listig eingerichtet ist, daß sie, man mag antworten, beweisen was man immer will, solches vermittelst des Vorgebens von Verstellung, bekannter Jesuiten Kniffe, ja wohl gar päbstlicher Dispensationen, immer weiter verdächtig machen können: So würde Dr Stark, wenn er auch eben so viel Journale und Zeitungsschmierer in seinem Solde hätte, als jene bekandlich haben, dennoch blos seiner Widersacher Acker pflügen, ihnen zu noch gröserem Geschrey, zu mehrerer Scriblerey, zu stärkerem Abgang ihrer Wahre, zu der intendierten Celebrität u. Verdienst Anlaß geben; er würde aber nichts gewinnen, vielleicht manchen guten Freund kompromittiren müssen, u. immerhin in dem nemlichen Verdacht erhalten werden. Und eben dadurch würden die D[armstädter] Kabalisten neuen Stoff zu ihrer Giftmischerey und Banditenstreichen erhalten. Ja, was das Schlimmste ist, da zumal heutiges Tages die grosen Herren in öffentlichen Schriften oft mit der ausgelassensten Frechheit behandelt werden, würden vielleicht des H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche]Durchl[aucht] mit in den Streit gezogen u. unanständig von Höchstdenenselben geurtheilt, und zulezt Ser[enissimus] Regens doch bewogen werden mit unangenehmen und scharfen Resolutionen fürzugehen.

Also auch dieser Weg ist und bleibt mir höchst verwerflich, und nichts übrig, als den eintzig noch vorhandenen - den Weg Rechtens anzurathen. Ein Weg, den die Gesetze der gekränckten Ehre eines unschuldig Verfolgten sichern, den der ehrliche Mann mit freudigem Gewissen betreten kann, ein Weg, auf welchem die mehr als jesuitische Bosheit der Wiedersacher, alles was zur Verteidigung sonst privatim gesagt werden könnte, von neuem zu verdrehen, keine Nahrung findet, sondern klaren Beweis von Beschuldigung geführet, oder aber öffentliche Genugthuung geleistet werden muß. Und dieser Weg wäre auf die folgende Art einzuschlagen.

A.) wäre eine förmliche Injurien Klage gegen die Herausgeber des Berliner Journals zu entwerfen, u. da nicht bekannt ist, unter welchem foro solche eigentlich in Berlin stehen, diese Klagschrift an den Königl. Minister v. Hertzberg in einem besonderen Bittschreiben zu übersenden. Um eine solche Injurien Klage zu begründen ist zweyerley erforderlich. Erstlich, daß die geschehene Beschuldigung eine wahre Injurie ist; und dann zweytens, der Beweis, daß der Beklagte die Beschuldigung wirklich ausgestosen hat. Wenn jemand einem protestantischen, Dr Theologiae, der zugleich als O[ber]H[of]Prediger der erste Geistliche in einem angesehenen protestantischen Fürstenthum, und der Beichtvater einer ganzen protestantischen fürstl. Familie ist, durch ganz Deutschland nicht nur als einen heimlichen Katholiken, sondern sogar als ein Mitglied eines durch päbstliche Bullen aufgehobenen und durch die ganze katholische Christenheit als gefährlich reprobirten Ordens, und zumal als ein[es] der gefährlichsten Mitglieder desselben, nemlich von der IVten Klasse, ausgiebt und mit solcher Dreistigkeit ausschreyet, daß er sogar, sich gleichsam vor jener litterarischem Foro zu legitimiren, ihn öffentlich auffordert: So enthält dieses gewiß für einen solchen Mann die schwärzeste Injurie, die seine Ehre und guten Namen auf das gröbste schändet und ihn zu einem Meineydigen und zum gefährlichsten Falsarius macht, der nichts geringeres vorhat, als entweder durch heimliche Bekehrungen in der Fürstl. Familie Ruhe und Zufriedenheit zu stöhren, oder sonst auf eine andere Art jesuitische Streiche auszuführen; die ihn mithin in Gefahr setzet höchst unangenehme Verfügungen von seinem Landesherrn zu erfahren, das Vertrauen des Hofes und seiner Vorgesezten zu verlieren, ja wohl gar ihn um Brod u. Dienst zu bringen.

[...]51 also empfehle er sich dem Ministerium zur Beschützung der Unschuld gegen alle anonymische Giftmischer, u. überlasse die Sache, so weit solche H. E[rb]Printzen Durchl[aucht] betreffe, den weisen Einsichten des Ministerii. Ich hoffte zweyerley gute Würkung von diesem Schritt. Die eine ist, daß wenn ja noch eine harte Resolution von P[irmasens] möglich seyn solte, das Ministerium in den Stand komme, und der Gerechtigkeit gemäß genöthiget seye, auf deren Abänderung sogleich anzutragen. Denn ein Mann, der das, was man ihm Schuld giebt, selbst anzeiget, und seinen Feind als Kläger selbst vor Gericht belanget hat, der hat dadurch die stärkste Vermuthung der Unschuld vor sich, er muß bis zum Ausgang der Sache in Ruhe gelassen werden, und kann, wenn Gerechtigkeit gilt, weder abgesezt noch suspendirt werden.

Die zweyte gute Würkung ist die, daß das Ministerium in eine heilsame Verlegenheit gesezt wird. Es wird gewiß nicht das geringste vornehmen, ohne mit H. E[rb]Printzen Durchl[aucht] Rücksprache zu halten. Höchstdieselben werden alsdenn gewiß den Dr Stark für unschuldig erklären, und das Ministerium wird alsdenn gewiß alles Unangenehme abwenden, und sich selbst dahin aus allen Kräften bestreben. Es wird also zu unsern Absichten, die Unschuld an den Tag zu bringen, u. die Kabale zu entlarven, selbst mitwürken. Vielleicht ereignet sich eine gute Gelegenheit die D[armstädter] Kabale ganz zu entdeken, und von dem Auszug eines Briefes des Nicolai, welchen d[es] H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche]Durchl[aucht] in Händen haben, Gebrauch zu machen, der die Kabale und die Unschuld des Dr. Stark so augenscheinlich beweiset.

Ich habe die Sache oft und vielmals überlegt, u. ich versichere, daß ich alles, was ich hier angerathen habe, mit meiner völligen Überzeugung geschrieben habe. Nur füge ich noch das hinzu, wie es sehr gut seyn wird, wenn d[es] H. E[rb]Printzen H[och]f[ürstliche]Durchl[aucht] in so lange, bis das Ministerium mit Höchstdenenselben redet, sich ganz ruhig verhalten, und eher keinen Schritt selbst thun.52

Grolman fungierte während Starcks in Berlin anhängigem Injurienprozeß als dessen Rechtsbeistand, konnte aber nicht verhindern, daß die Gegenpartei die grundsätzliche Frage der Pressefreiheit ins Spiel brachte und der Rechtsstreit zu Ungunsten des Darmstädter Oberhofpredigers entschieden wurde.53 Grolman versuchte nun, die juristische Niederlage in einen politischen Sieg umzumünzen54, indem er das enorme öffentliche Interesse an dem Gerichtsverfahrens dazu zu nutzen suchte, den Spieß umzudrehen und den Vorwurf der geheimen Unterwanderung der Kirche und des Staats seitens der "falschen Aufklärer", um es in der Sprache Grolmans auszudrücken, in einer breit angelegten publizistischen Kampagne in Anschlag zu bringen.55 Als Diskussionsplattform diente Grolman neben einer Reihe von Einzelveröffentlichungen vor allem seine als Publikationsfolge von sechs Portionen angelegte Polemik gegen die Berliner Aufklärer, die unter dem Titel 'Nicolai, Gedike und Biester in gefälligen Portionen dem Publikum vorgesezt' anonym 1788 und 1789 ohne Angabe des Erscheinungsortes bei Krieger in Gießen herauskam. Parallel dazu dürften die unter den verschiedensten Titeln firmierenden Besprechungen der Literatur von und über Starck in Kösters 'Neuesten Religionsbegebenheiten' mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Verfasserschaft Grolmans56 zurückzuführen sein, wie übrigens vermutlich auch die Rezensionen der 'Portionen' in derselben Zeitschrift als Selbstrezensionen Grolmans zu betrachten sind. Da in der öffentlichen Diskussion um die Frage der Aufrichtigkeit und Lauterkeit von Starcks Charakter seine Vergangenheit, insbesondere sein Aufenthalt in Mietau, wo auch Cagliostro sein Unwesen getrieben hatte, eine Rolle spielte, bemühte sich Grolman, durch eine umfangreiche Korrespondenz Zeugnisse zugunsten Starcks aus dem Kurländischen zu erlangen, um sie für seine publizistische Ehrenrettungskampagne für diesen nutzen zu können. Dieses Vorgehen zwang ihn u. a. zur literarischen Gegnerschaft zu der Schriftstellerin Elisa von der Recke, die bereits die betrügerischen Machenschaften Cagliostros in Mietau in einer Schrift aufgedeckt hatte und Starck in einem Atemzug mit dem berüchtigten Abenteurer und Hochstapler genannt hatte57. Hatten sich im Ton der Grolmanschen Auseinandersetzung mit den Berliner Aufklärern an verschiedenen Stellen bereits abschätzige Bemerkungen gegenüber dem Judentum untergemischt, so wurden diese nun in den polemischen Ausfällen gegen die Frau von der Recke, deren sich Grolman in diesem Zusammenhang befleißigte, um eine von frauenfeindlichen und frauenverachtenden Grundsätzen getragene Variante seiner allgemeinen reaktionär-konservativen Grundeinstellung bereichert.58
______________________________________

1 Für folgende Schriften ist die Autorschaft Grolmans nachweisbar bzw. in der Forschung unbestritten: 'Die Rechte der Landeshoheit' [...] 'eines teutschen Reichs-Standes' [...]. Gießen 1785. 'Nicolai, Gedike und Biester in gefälligen Portionen dem Publikum vorgesetzt. 6 Portionen'. [Gießen] 1788/89. 'Etwas zur Erläuterung der Starck'schen Sache in Bezug auf den Aufenthalt in Kurland'. Berlin 1789. 'Fortgesetztes Etwas zur Erläuterung der Starck'schen Sache in Bezug auf den Aufenthalt in Kurland aus kurländischen Originalbriefen dokumentirt'. Gießen 1789. 'Die neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo in dem Illuminaten-Orden; jetzt zum erstenmal gedruckt und zur Beherzigung bey gegenwärtigen Zeitläuften hrsg.' [München] 1794; [Frankfurt am Main] 1793 und 1794. 'Eine Rede über den Illuminaten-Orden. Gehalten in einer Freimaurerloge, im December 1793. Regensburg 1794.' [Frankfurt] 1794. 'Endliches Schicksal des Freymaurer-Ordens in einer Schlußrede gesprochen von Br.** vormals Redner der Loge zu *** am Tage ihrer Auflösung'. [Gießen] 1794; Frankfurt 1794. 'Des Freyherrn von Knigge Welt- und Menschenkenntniß. Ein Pendant zu dem Buche: Umgang mit Menschen'. Gießen 1796. Weiterhin war Grolman an den extrem konservativen Zeitschrift 'Eudämonia oder deutsches Volksglück' als Mitarbeiter und Mitherausgeber sowie Verfasser einer ganzen Reihe von Beiträgen in der von Heinrich Martin Gottfried Köster herausgegebenen Zeitschrift 'Die neuesten Religionsbegebenheiten'. Darüber hinaus sind Aufsätze Grolmans für die 'Wiener Zeitschrift', das 'Magazin für Kunst und Literatur' und das 'Archiv der Schwärmerei und Aufklärung' nachzuweisen. Daß die Schrift 'Nachrichten von einem großen, aber unsichtbaren Bunde gegen die christliche Religion und die monarchischen Staaten', [Gießen] 1796, mit hoher Wahrscheinlichkeit Grolman zuzuschreiben ist, wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit noch begründet werden. Außerdem ist einer von Franz Ulrich Jestädt im Katalog Nr. 3 ('18. Jahrhundert und Umfeld', Herbst 1992) der Antiquariatsbuchhandlung Ulenspiegel [jetzt Antiquariatsbuchhandlung Jestädt] in Fulda unter der Titelnummer 156 vorgenommenen Zuschreibung der anonym erschienenen 'Fragmente zur Biographie des verstorbenen Geheimen Raths Bode in Weimar. Mit zuverlässigen Urkunden.' Rom, auf Kosten der Propaganda 1795, an Grolman nicht zuletzt aus der Sicht des im weiteren Verlauf des vorliegenden Aufsatzes vorzustellenden Archivmaterials zuzustimmen: "Bei dieser äußerst seltenen Schrift handelt es sich um eine Zusammenstellung d. frühesten Behauptungen einer konterrevolutionären Verschwörungstheorie, nach der die Französische Revolution ein Coup der deutschen Illuminaten um [...] J.J.Chr. Bode sein soll. Es sind hier insgesamt fünf Schriften (aus F.F. Hofstäters Wiener 'Magazin für Kunst u. Lit.' L.A. Hoffmanns 'Wiener Zeitschrift', H.G.M. Kösters 'Neuesten Religionsbegebenheiten' und L.A.C. Grolmans 'Endlichem Schicksal d. Freymaurer-Ordens') abgedruckt, die maßgebliche Quellen für die verschwörerischen Synthesen eines Robison, Barruel [...] oder J.A. Starck [...] waren. Jedenfalls stammt die Arbeit aus dem Umfeld der Herausgeber der reaktionären Zeitschrift ''Eudämonia'', wobei der mutmaßlich norddeutsche Verlagsort eher gegen die u.a. von Rogalla v. Bieberstein ('These v. d. Verschwörung') vorgenommene Zuschreibung an den Wiener Reaktionär L.A. Hoffmann spricht. Auch das bislang lückenloseste Schriftenverzeichnis zu Hoffmann in der Diss. v. I. Fuchs (1963) führt diese Schrift nicht auf. Der kompilatorische Arbeitsstil und die Ausrichtung der Zusammenstellung läßt eher an eine Herausgeberschaft des Gießener Regierungsdirektors von Grolman denken." Jestädts Vermutung ist insofern zutreffend, als es sich bei zwei der in der Schrift enthaltenen Aufsätze aus der 'Wiener Zeitschrift' und dem 'Magazin für Kunst und Literatur' um jeweils eigenständige Erweiterungen der Einleitung zu den Grolmanschen 'Neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo' handelt, die mit Sicherheit von Grolman in die genannten Zeitschriften eingerückt worden sind. Bedenkt man zudem die nachgewiesene Beiträgerschaft Grolmans zu dem 'Magazin für Kunst und Literatur' und den 'Neuesten Religionsbegebenheiten' (Brief Grolmans vom 6. Oktober 1794 an Zimmermann, Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. E 12, 108/1: Grolman-Nachlaß.), so ist die Verfasserschaft Grolmans zweier weiterer Aufsätze in der Schrift zumindest sehr wahrscheinlich, während der noch fehlende fünfte Aufsatz ja ohnehin aus Auszügen des Grolmanschen 'Endlichen Schicksals 'besteht. Überdies gibt es auch inhaltlich ganz eindeutige Hinweise auf die Verfasserschaft Grolmans, die etwa im Zusammenhang mit seiner Denunziation des Mainzer korrespondierenden literarischen Zirkels oder mit der Verbindung Bodes und Bussches mit dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt, die Grolman sehr beschäftigte, anzusiedeln wären (s. u.).

2 [Ludwig Adolf Christian von Grolman:] Nachrichten von einem großen aber unsichtbaren Bund gegen die christliche Religion und die monarchischen Staaten. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 16 (1793), S. 499-576, hier S. 537.

3 [Ludwig Adolf Christian von Grolman?:] 'Nachrichten von einem großen aber unsichtbaren Bunde gegen die christliche Religion und die monarchischen Staaten'. [Gießen] 1795. Die Verfasserschaft Grolmans läßt sich aus seinem Brief an Zimmermann vom 6. Oktober 1794 vermuten, der im Grolman-Nachlaß im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrt wird. Bei einer darin erwähnten längeren Denkschrift, die Grolman dem Landgrafen Ludwig X. in Darmstadt eingereicht haben will und die die Grundlage der später entstandenen 'Neuesten Arbeiten des Spartacus und Philo' dargestellt haben soll, handelt es sich nämlich offensichtlich um die genannten 'Nachrichten von einem unsichtbaren Bunde', denn hier wie dort wird "das abscheuliche litterarische Schriftsteller und Buchhändler Komplot mit seinen Ränken und Absichten" gebrandmarkt. Es handelt sich also zweifellos um die Ausformulierung der Verschwörungstheori, die sowohl in der Denkschrift an den Landgrafen als auch in den 'Nachrichten von einem unsichtbaren Bunde' ausformuliert war. Ein weiteres Indiz für die Identität beider Schriften liegt in dem Manifestcharakter, der beiden Schriften gemeinsam war. Überdies finden sich nahezu wörtliche Passagen aus den 'Nachrichten von einem unsichtbaren Bunde' in dem genannten Brief an Zimmermann wie auch in anderen Veröffentlichungen Grolmans wieder. Bereits Greineisen hat in seiner Rechtfertigungsschrift die Mutmaßung angestellt, daß Grolman als der Verfasser der Schrift zu betrachten sein dürfte. Vgl. [Johann Ludwig Justus Greineisen:] 'Eine Geschichte politischer Verketzerungssucht, in Deutschland, im letzten Jahrzehend des 18ten Jahrhunderts. Ein Beytrag zur Geschichte des Aristokratism in den Hessen-Darmstädtischen Landen, und der dasigen Obscuranten. Nebst einigen Aufschlüssen über die ehemalige Verbindung des Regierungs-Direktors von Grolman zu Giesen, mit dem Illuminaten-Orden'. Deutschland [Altona] 1796, S. X: "Die Herren 'Obscuranten 'besitzen einen besonderen Kunstgriff, ihre Beschuldigungen 'gewichtvoll' zu machen. Zuerst wird in mehreren Flugschriften und Journalen der Character der 'edlen' Männer 'Deutschlands' verläumdet. Ist dies ihnen gelungen, so stehet Einer von diesen 'elenden' 'Schächern' auf und verfertiget ein neues Machwerk, worinnen er die Beschuldigungen mit Beweisen, aus denen Schriften zu belegen sich bestrebet, die ihm und seinen Mitbrüdern ihr Daseyn zu verdanken haben. Dies ist die Entstehung jener 'elenden' und 'lächerlichen' 'Piece', die unter folgenden [sic] Titel in der 'Kriegerischen 'Buchhandlung erschienen ist: 'Nachrichten von einem großen aber unsichtbaren Bunde gegen die christlichen Religionen in den monarchischen Staaten; zweyte, mit Belegen versehene Auflage.'"

4 Heinrich Martin Gottfried Köster (1734-1802), stammte aus Guntersblum und war über eine Lehrerstelle in Weilburg nach Gießen berufen worden, wo er sich vor allem als Historiker und Pädagoge betätigte, sich aber auch im theologischen Bereich und als Enzyklopädist engagierte. Neben den 'Neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen', die er von 1777 bis 1796 redigierte war er auch Herausgeber der 'Neuesten Erziehungsbegebenheiten' und der 'Neuesten Staatsbegebenheiten', bevor er sich als Mitarbeiter Grolmans an der 'Eudämonia' beteiligte. Er war es auch, der den Kontakt zwischen Grolman und dem Ritter von Zimmermann herstellte. Eine Studie über seine vielfältigen Projekte und Tätigkeiten generell und über die 'Neuesten Religionsbegebenheiten' im besonderen sind ein dringendes Forschungsdesiderat.

5 Eine von Helmut Keiler veranlaßte Verfilmung der schwer zugänglichen Zeitschrift ist in der Gießener Universitätsbibliothek und im Bayreuther Freimaurerarchiv verfügbar. Außerdem wurden rund vierzig gebundene Fotokopiesätze aller Grolman und die Freimaurerei betreffenden Aufsätze der 'Neuesten Religionsbegebenheiten' von Herrn Keiler für das Gießener Logenarchiv angefertigt.

6 [Ludwig Adolf Christian von Grolman?:] Nachrichten von einem großen aber unsichtbaren Bund gegen die christliche Religion und die monarchischen Staaten. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen'. 16 (1793), S. 499-576. [Ders.?:] Fortgesezte Nachrichten von dem großen aber unsichtbaren Bunde. In: Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen. 17 (1794), S. 345-361. [Ders.?:] Fortgesetzte Nachrichten von einem unsichtbaren Bund. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 18 (1795), S. 249-265.

7 [Ludwig Adolf Christian von Grolman:] Nachrichten von einem großen aber unsichtbaren Bunde gegen die christliche Religion in den monarchischen Staaten. Zweyte vermehrte und mit Belegen versehene Auflage. 1795. In: 'Eudämonia.' Bd.1 (1795), S. 438-450. Bereits am unpaginierten Ende des 3. Stücks des ersten Bandes der 'Eudämonia' war eine Anzeige der Grolmanschen Schrift eingerückt worden: "Nachrichten von einem großen aber unsichtbaren Bunde gegen die christliche Religion und die Monarchischen Staaten.8. 12 Gr.
Diese Schriftchen ist ursprünglich zu einem Aufsaz in einem der neuesten Journale bestimmt worden; da aber selbst von Staatsmännern häufige Nachfrage darnach geschehen, so wurde es neu aufgelegt, erweitert, und mit hinlänglichen Zeugnissen anderer Schriftsteller belegt. Der Belege, die gewiß auffallend sind, sind 20 an der Zahl, und enthalten vieles merkwürdiges, was manchen im Publiko verbreitet zu sehen - eben nicht sehr behaglich seyn wird."

8 Ueber die Gewalt der unsichtbaren Brüder, zwey neue Belegstücke. In: 'Eudämonia' 2 (1796, S. 115-129. Ueber die Gewalt der unsichtbaren Brüder. Beschluß der im vorhergehenden 2ten Stück pag. 115 angefangenen Abhandlung. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 213-235. Ein neues sehr merkwürdiges Belegstück des Zusammenhanges der deutschen Illuminaten mit den französischen Jakobinern. In 'Eudämonia' 2 (1796), S. 363-376. Neue Belege zum Beweis der Fortpflanzung des Illuminatismus und des Revolutionsgeistes. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 461-473. Neuer Beweis der Fortdauer des Illuminaten-Ordens. In: 'Eudämonia' 3 (1796), S. 161-171.

9 Grade Erklärung eines Mannes ohne Maske gegen einen Menschen mit der Maske. In: 'Eudämonia' 1 (1795), S. 200-223. Des Regierungs-Director v. Grolman Abweisung der - von jetzt noch fortarbeitenden Illuminaten gegen ihn losgelassenen bissigen Novitzen. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 383-418, 419-430. Kurze Erklärung über ungesittete Zudringlichkeiten. In: 'Eudämonia' 3 (1796), S. 335-345. Dazu kommt ein längeres Grolman-Statement in der Fußnote zu einem Aufsatz mit dem Titel 'Prolog' in 'Eudämonia' 2 (1796), S. 1-27, hier S. 21-24.

10 Daneben wären auch verschiedene tatsächliche redaktionelle Anmerkungen zu Aufsätzen von anderer Hand Grolman zuzuschreiben.

11 Als symptomatisch für das Verfahren des Verfassersplittings, dessen Grolman sich bediente, sei hier auf den Aufsatz 'Des Regierungs-Director v. Grolman Abweisung' im zweiten Band der 'Eudämonia' verwiesen, wo der namentlich gekennzeichnete Beiträgerteil auf den Seiten 383 bis 418 und der hypothetische Redaktionskommentar S. 419 bis 430 abgedruckt wurde. Vorbereitet war dieses Editionsverfahren bereits im unmittelbar vorangegangenen Stück (S. 382), wo durch den hypothetischen Redakteur auf den folgenden Grolman-Beitrag hingewiesen worden war: "Bey dem Vorrath von höchst wichtigen Aufsäzzen und Nachrichten war es nicht möglich die von dem Regier. Dir. v. 'Grolman' zwar frühzeitig genug eingesendete, gegen die Ausfälle des Dr. 'Greineisen' und 'Rebmann' gerichtete 'Abweisung der - von jetzt noch fortarbeitenden Illuminaten gegen ihn loßgelassenen bissigen Novitzen' annoch in dieses Stück unsers Journals zu bringen. Ohnehin haben auch wir bey der Gelegenheit ein paar Worte zu sagen. Beides soll aber im nächsten Stück ohnfehlbar folgen. 'Der Redacteur'."

12 Unter solchen Voraussetzungen wären als mögliche Beiträge Grolmans in Betracht zu ziehen: Verunglückter Versuch, im christlichen Deutschlande eine Art von öffentlicher Vernunft-Religions-Uebung anzustellen. a) In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 28-55. Bruder Philo's Lockpfeife, womit er Freymaurer einzufangen pflegte. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 171-186. Wahrhafte und Actenmäßige Geschichts-Erzählung der von den Studenten zu Jena, am 27. May, auch 19. und 20. Julii 1795 ausgeübten Unfertigkeiten, deren Untersuchung und Bestrafung. Jena, in J. G. Voigts, privil. Buchhandlung 4. 28 Seiten. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 265-272. Eine wichtige Obscuranten-Entdeckung über die Zwecke und das Wirken des Licht-Reichs; aus einigen Original-Briefen von 'Mauvillon'. Mitgetheilt aus dem Braunschweigschen Archiv. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 289-308. Eine wichtige Obscuranten-Entdeckung über die Zwecke und das Wirken des Licht-Reichs; aus einigen Original-Briefen von 'Mauvillon' (Beschluß). 2) Copia eines Schreibens vom Obristlieutenant Mauvillon an den Rath Cuhn in Cassel. d. d. Braunschweig den 13. May 1791. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 431-448. Vorschlag zu Abschaffung aller geheimen Gesellschaften. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 491-504. 'Ueber das Bemühen' der Jenaischen Allgemeinen Litteratur-Zeitung, das Journal Eudämonia ausser Curs zu bringen. In: 'Eudämonia' 2 (1796), S. 505-532.

13 Johannes Rogalla von Bieberstein: 'Die These von der Verschwörung 1776-1945. Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwörer gegen die Sozialordnung.' Bern und Frankfurt am Main 1976, S. 112. Johannes Rogalla von Bieberstein: Die These von der freimaurerischen Verschwörung. In: Helmut Reinalter (Hrsg.): 'Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa. 'Frankfurt 1983, S. 85-111, hier S. 97.

14 Ebd.

15 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. E 12, 108/1: Grolman-Nachlaß. Brief Grolmans an Zimmermann vom 6. Oktober 1794: "Mein Freund B. [Starck] hielt sogar die Herausgabe für gefährlich, und mißrieth sie, u. ich glaube auch wohl, daß Gift und Dolch meiner warten könnten, wenn ich bekannt würde. Ich wendete mich also an unsern Freund 62. [Koester] u. durch seine thätige Mitwirkung kamen denn nun die Neuesten Arbeiten pp an das Tageslicht, die ich 10. [dem Landgrafen Ludwig X. von Hessen-Darmstadt] sendete, der mir dafür sehr schmeichelhaft dankte. Ich habe sie auch an 3. [den Kaiser in Wien?] u. 4. [nicht ermittelter Regent, König von Preußen?] so wie an mehrere Fürsten u. Ministers unter fremdem Postweg anonymisch gesendet.

16 Abbé [Augustin] Barruel: 'Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus'. Nach der in London 1797 erschienen französischen Original-Ausgabe ins Teutsche übersetzt von einer Gesellschaft verschiedener Gelehrten. Tl. 3. Münster und Leipzig 1801, S. 15 f.: "Nach den Originalschriften ist dieses Werk das wichtigste, welches über den Illuminatismus erschienen ist. Es enthält die beiden, durch die Mysterien, welche die Sekte darin entwickelt, und durch die Gesetze, welche sie den Adepten darin giebt, merkwürdigsten Grade."

17 Ebd., S. 98.

18 Ebd., S. 85.

19 Hans-Dietrich Dahnke: "Was ist Aufklärung?" Die Aufklärungsdebatte von 1783/84. In: 'Debatten und Kontroversen'. Literarische Auseinandersetzungen in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts. Bd. 1. Hrsg. v. Hans-Dietrich Dahnke und Bernd Leistner. Berlin und Weimar 1989, S. 39-134, hier S. 105.

20 Vgl. Manfred Agethen: 'Geheimbund und Utopie. Illuminaten, Freimaurer und deutsche Spätaufklärung'. München 1987, S. 128.

21 H. E. Scriba: 'Biographisch-literärisches Lexikon der Schriftsteller des Großherzogthums Hessen im neunzehnten Jahrhundert'. Zweite Abtheilung. Darmstadt 1843, S. 279.

22 Erich Hubbertz: Ludwig Adolf Christian von Grolman. Ein historiographisch verzerrtes Lebensbild. In: 'Quatuor Coronati Jahrbuch' 28 (1991), S. 127- 136, hier S.128. Hier finden sich ausführliche Angaben zur Familiengeschichte Ludwig Adolf Christian von Grolmans. Die von Hubbertz angekündigte umfassende Grolman-Bioghraphie ist bislang wegen seines hohen Alters nicht zustande gekommen.

23 Hubbertz: Grolman, S.128. Die von Hubbertz konstatierte Besetzung der Stadt durch die Franzosen und die den Lehrbetrieb beeinträchtigenden anhaltenden Reibereien unter den Professoren sind in ihrer historischen Zuordnung auf die Studienzeit Grolmans in Gießen unzutreffend und kommen als Begründung für seinen Studienortwechsel nicht in Betracht.

24 Eckhart G. Franz: "Tagtäglich, mein lieber Vetter, bist Du ... der Gegenstand meiner Rede ...". Die Familie Lichtenberg. In: 'Georg Christoph Lichtenberg 1742-1799. Wagnis der Aufklärung'. Ausstellungskatalog Mathildenhöhe und Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen 1992, S. 69-77, hier S. 73.

25 Johann Stephan Pütter: 'Selbstbiographie'. Göttingen 1798, S. 450.

26 Laut Hubbertz wurde Grolman in Göttingen Mitglied einer Winkelloge französischer Offiziere, welchen Vorgang er selbst in einer nicht mehr vorliegenden, von Kloss aber abschriftlich überlieferten Erklärung vom 6. März 1780 beschrieben habe. Man dürfe mit großer Sicherheit davon ausgehen, daß es sich dabei um die gleiche Loge gehandelt habe, in die zuvor Starck, der zwischen 1760 und 1763 in Göttingen Theologie, Philosophie und Orientalistik studierte, aufgenommen worden sei. Hubbertz: Grolman, S.129.

27 Ebd.

28 Am 11. Oktober des gleichen Jahres heiratete Grolman seine Cousine Luise Grolman in dem in der Nähe Gießens gelegenen, aber nicht mehr zu Hessen-Darmstadt gehörenden Ort Rodheim an der Bieber, wo er in dieser Zeit seinen Wohnsitz genommen hatte.

29 Nach einem maschinenschriftlichen Vermerk in einem von Hubbertz recherchierten und zusammengestellten Konvolut zur Familiengeschichte Grolmans im Gießener Freimaurerarchiv. Die Formulierung ist zu ungenau, um eine definitive Vorstellung über die Funktion Grolmans in Wetzlar vor 1772 zu gewinnen.

30 Zu Grolmans Tätigkeit in hessen-kasselschen Diensten befindet sich im Hessischen Staatsarchiv Marburg ein für die vorliegende Arbeit nicht ausgewerteter Konvolut (4e Nr. 1831) mit der Bezeichnung "Entsendung eines hessen-kasselischen Deputierten zur 2. wie zur 4. Klasse der Kammergerichtsvisitation und Revision in Wetzlar. 1) Weiterbelassung des bisherigen hessen-darmstädtischen Deputierten, Ludwig Adolf Christian Grolman in [gesamt]hessischem Auftrag. 1774-1776.

31 Ebd. - Eine autobiographische Äußerung Grolmans über seine Tätigkeit bei der Visitation des Reichskammergerichts enthält einer seiner Beiträge zu der später von ihm mitherausgegebenen Zeitschrift 'Eudämonia' aus dem Jahr 1795: "Ich begnügte mich an dem kleinen Ruhm, bey der lezten Kammergerichts Visitation vier der angesehensten Fürstlichen Stimmen in vier Klassen, mit Zufriedenheit meiner höchsten Kommittenten, worüber ich die ehrenvollsten Zeugnisse besizze, geführt zu haben, der Gnade und des Schuzzes meines gütigsten Landesfürsten versichert seyn zu dürfen, auch bey meinen Bekannten und in meinem Wirkungskreiß für einen graden ehrlichen Mann zu gelten. Selbst die A. D. B. [Allgemeine deutsche Bibliothek; Rezensionsorgan des Grolman-Gegners Friedrich Nicolai] lies mir ehemals über eine Deduktion, die ich im Dienste meines Fürsten schreiben mußte, ein kleines Lob verleihn." Ludwig Adolf Christian von Grolman: Grade Erklärung eines Mannes ohne Maske gegen einen Menschen mit der Maske. In: 'Eudämonia' 1 (1795), S. 200-223, hier S. 202. Eine allerdings aus späterer Zeit stammende juristische Veröffentlichung Grolmans sei wegen der kuriosen Länge ihres Titels hier erwähnt. Ludwig Adolf Christian Grolman: Die Rechte der Landeshoheit und Landesherrlichen Obergerichtsbarkeit eines teutschen Reichs-Standes in Ansehung der in seinen Landen gelegenen Landsassigen Mediat-Güter, worüber ein anderer Reichsmitstand Lehnsherr zu seyn behauptet, und deshalb mit dem Lehenmann oder einem Dritten diese Eigenschaft leugnenden im Widerspruch stehet, der sonst kundbaren Reichs-Immedietät jenen Reichsstandes ohnbeschadet den deshalb entstehenden Rechts-Streit vor seinen Landes-Gerichten annehmen, darin Ladung erkennen, handeln und entscheiden zu lassen, verteidigt zur weitern Darlegung der durch die so dunkle als beschwerliche Erkenntniß des hochlöblichen kaiserlichen Reichshofraths, in Sachen des Hochfürstl. Gesamthauses Nassau-Saarbrücken wider die Hochfürstl. Hessen-Darmstädtische Regierung zu Giessen und die von Nordeckischen Gläubiger, die Feudalität einiger zu Burg Rabenau gehören sollenden Güterstücker und deren vorhabende Versteigerung betreffend, sowohl dem Hochfürstl. Hause Hessen-Darmstadt zugefügten besondern, als auch für sämtliche des Heil. Röm. Reichs Kurfürsten, Fürsten und Stände entstehenden allgemeinen Beschwerden und zur Rechtfertigung des, zu deren Abwendung an kaiserliche Majestät und das versammelte Reich nothgedrungen genommenen Rekurses, mit den zu dieser Sache gehörigen Reichshofraths-Akten und weitern Belegen von N. 1 - 46. inclusive. Gießen: 1785. Quelle: Samuel Ersch: 'Allgemeines Repertorium der Literatur für die Jahre 1785 bis 1790.' 1. Bd., IV., Nr. 841. Jena 1793. Neudruck Bern 1969.

32 Einer der Teilnehmer an den Studententumulten der Jahre 1776 und 1777 war Friedrich Christian Laukhard, dessen Schilderung wir die Kenntnis darüber verdanken, was sich im einzelnen ereignete: Friedrich Christian Laukhard: 'Leben und Schicksale. Von ihm selbst beschrieben und zur Warnung für Eltern und studierende Jünglinge herausgegeben'. 1. Teil. Halle 1792, S. 178-187 und S. 209-217. Vgl. auch [Eugen Ouvrier (Hrsg.):] 'Lebensbeschreibung des D. Ludwig Benjamin Ouvrier. Hofprediger in Darmstadt. Universitätsprofessor in Gießen'. Maschinenschriftliche Vervielfältigung. [Rückersdorf 1983].

33 '225 Jahre Freimaurer in Wetzlar 1761-1986'. Hrsg. v. d. Loge "Wilhelm zu den drei Helmen". [Wetzlar 1986] S. 13.

34 Ebd. S. 17.

35 Hermann Schüttler: 'Die Mitglieder des Illuminatenordens 1776-1787/93'. München 1991, S. 64. Dort mit den unrichtigen Vornamen Ludwig Adam Christian nachgewiesen; ebenso in Hermann Schüttler (Hrsg.): 'Johann Joachim Christoph Bode. Journal von einer Reise von Weimar nach Frankreich. Im Jahr 1787'. München 1994, S. 117.

36 Monika Neugebauer-Wölk: 'Reichsjustiz und Aufklärung. Das Reichskammergericht im Netzwerk der Illuminaten'. Wetzlar 1993. Vgl. auch die Rezension dieser Studie von Helmut Keiler in 'Quatuor Coronati Jahrbuch' (1993), S. 219-220.

37 Die Liste der Gründungsmitglieder vom April 1778 sowie die Mitgliederliste vom September 1778, das Dankschreiben der Direktorial-Loge Wetzlar an den Landgrafen Ludwig IX. aus dem Gründungsjahr der Gießener Loge, das Protokoll der Lichteinbringung vom 26. April 1778, ein Schreiben Grolmans als Meister vom Stuhl an den Landgrafen über das Ludwigsfest am 29. August 1778 sowie das Protokoll der Festloge und die Festrede zum selben Anlaß sind neben zwei Schreiben Grolmans an den Landgrafen Ludwig X. aus den Jahren 1791 und 1796 in einer Kapselschrift der Freimaurerloge "Ludewig zur Treue" Gießen mit dem Titel "Dokumente der gerechten und vollkommenen Freymaurer-Loge 'Ludwig zu den drey goldenen Löwen' zu Gießen 5778-5796 [Gießen 1979] zusammengestellt. Ich danke Herrn Helmut Keiler, Archivar und Altmeister der Loge Gießen, der mir diese und eine Fülle von weiteren Materialien freundlicherweise zur Verfügung stellte. Seiner kenntnisreichen Beratung und tätigen Unterstützung ist der vorliegende Aufsatz an zahlreichen Stellen verpflichtet.

38 Ebd.: Schreiben Grolmans an den Landgrafen Ludwig X. vom 3. April 1791.

39 Aus früherer Zeit. Einige Briefe an den Meister v. St. der Loge Ludewig zu den drei Löwen in Gießen. In: Freimaurer-Zeitung. Handschrift für Brüder. 1. Jg. (1857), S. 321-324 und S. 340-343. Es handelt sich um drei Briefe Starcks an Grolman vom 20. Dez. 1782, vom 3. Febr. 1783 und vom 25. Febr. 1783, welche die krisenhafte Situation der hessen-darmstädtischen Freimaurerei nach dem Wilhelmsbader Freimaurerkonvent von 1782 reflektieren. Der Inhalt der nicht erhalten gebliebenen Schreiben Grolmans läßt sich zum Teil aus den Antwortschreiben Starcks rekonstruieren. Laut Mitteilung von Herrn Keiler stammen die Dokumente aus der Sammlung "Klossiana" in der Bibliothek der niederländischen Großloge in Den Haag.

40 Ebd. S. 322.

41 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. E 12, 108/1: Grolman-Nachlaß. Schreiben Grolmans an Zimmermann vom 6. Oktober 1794.

42 Der Grolman-Brief ist sowohl von Hubbertz als auch von Gustav Krüger in einer Weise gewertet worden, die vor allem im Hinblick auf Grolmans Intrigantentum als bruchstückhaft und teilweise sinnentstellend zu betrachten ist. Hubbertz: Grolman, S. 130 f. - Gustav Krüger: Die Eudämonisten. Ein Beitrag zur Publizistik des ausgehenden 18. Jahrhunderts. In: 'Historische Zeitschrift' 143 (1931), S. 467-500, hier S. 471-473.

43 Hubbertz: Grolman, S. 130.

44 Grolmans dezent plazierter Hinweis auf den Philanthropinismus macht allerdings Sinn, wenn man darin eine Anspielung auf Zimmermanns Gegner Carl Friedrich Bahrdt sieht, der zwischen 1772 und 1775 als Theologieprofessor in Gießen wegen seiner radikalen Aufklärungstheologie Furore gemacht hatte und schließlich den Schikanen seiner Gegner weichen mußte, um eine mißglückte Karriere als Direktor verschiedener Philanthropine zu beginnen. Zweifellos hatte Grolman mit der Anspielung auf Bahrdt bei Zimmermann eine Seite zum Schwingen gebracht, die es ihm erleichtern sollte, sich als künftigen Parteigänger und Mitstreiter zu empfehlen.

45 [Johann Ludwig Justus Greineisen:] 'Eine Geschichte politischer Verketzerungssucht, in Deutschland, im letzten Jahrzehend des 18ten Jahrhunderts. Ein Beytrag zur Geschichte des Aristokratism in den Hessen-Darmstädtischen Landen, und der dasigen Obscuranten. Nebst einigen Aufschlüssen über die ehemalige Verbindung des Regierungs-Directors von Grolman zu Giesen, mit dem Illuminaten-Orden.' Deutschland [Altona] 1796, S. 99-101. - Greineisens Angriff auf Grolman, der in vergleichbaren Redewendungen von Rebmann und Laukhard aufgegriffen und weiterverbreitet wurde, ist u. a. ein Beispiel dafür, mit welch rüder Sprache die unerqicklichen Händel und Auseinandersetzungen geführt wurden. Daß Grolman in dieser Hinsicht ebenfalls nicht hinter dem Berg hielt und auch mit Schlägen unter die Gürtellinie nicht geizte, macht eine Fußnote in der 'Eudämonia' deutlich, die vermutlich aus Grolmans Feder stammt und eine autobiographische Reminiszenz an die Begegnung mit Knigge in Gießen darstellen dürfte: "Würde im Blicke hatte Knigge gar nicht. Etwas Schleichendes, Heuchlerisches, kriechend Höfliches oder Demüthiges war wenigstens ehedem in seinem Wesen; er sah niemanden grad' ins Auge. Etwas Großes hatte er im Gesicht, das ist wahr, und er sprach wohl selbst davon; nemlich sein Kinn!" [Ludwig Adolf Christian von Grolman ?:] v. Halems und Hennings Wehklagen bei Kniggens Grabe; mit Anmerkungen, und einem Epigramme. In: 'Eudämonia' 4 (1797), S. 236-246, hier S. 242.

46 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. E 10, 2/14: Acta Ministerialia betr. die Confiscation der Schrift "Dr. Carl Friedrich Bahrdt's Glauben-Bekenntnis" die Bestrafung des Herausgebers derselben, Buchhändlers Krieger und den nachherigen Erlaß dieser Strafe. 1779.

47 "Von den beiden Menschen in 50. [München?] nannte sich der Eine, wo ich nicht irre, 'Münter', und der Nahme des Andern gieng mit einem R. an. Einer davon war Advokat, und betrieb als Procurator einen Prozeß des Minos [Ditfurth], den er bey einer dortigen Gerichtstelle hatte, ist also leicht zu erforschen, wenn in den dortigen Registraturen nachgesehen werden kann. Die Nahmen dieser mir unbekannten Menschen waren mir aus der Ursache gleich vergessen, weil die Cinquille andere Nahmen annahm, und diese beide Orest und Pylades hießen." Grolman an Zimmermann, Gießen, den 6. Oktober 1794. Laut Schüttler hatten diese Namen im Illuminatenorden Franz Xaver von Pettenhofen und Josef Karl von Pettenhofen. Schüttler: 'Mitglieder des Illuminatenordens', S. 117 f.

48 Vgl. die grundlegende, wenn auch revisionsbedürftige Arbeit von Jean Blum: 'J.-A. Starck et la querelle du crypto-catholicisme en Allemagne 1785-1789'. Paris 1912. Hans Grassl: 'Aufbruch zur Romantik'. Bayerns Beitrag zur deutschen Geistesgeschichte 1765-1785. München 1968, S. 254-257.

49 Friedrich Nicolai: 'Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781'. Berlin und Stettin 1785. Leider ist der Abschnitt der Reise, der sich auf den Aufenthalt Nicolais in Gießen bezog, nicht mehr zur Veröffentlichung gelangt. Nicolai hatte durch die Beschwörung des alten Nord-Süd-Konfliktes in seiner Reisebeschreibung vor allem den süddeutschen Vertretern des aufgeklärten Katholizismus eine derbe Ohrfeige verpaßt und eine heftige Diskussion vom Zaun gebrochen. Unter seinen ehemaligen Freunden, die er damit verprellte, befand sich beispielsweise auch der Wiener Aufklärungsschriftsteller und langjährige Rezensent der von Nicolai herausgegebenen 'Allgemeinen deutschen Bibliothek' Aloys Blumauer, der daraufhin in seinem literarischen Hauptwerk' Virgil's Aeneis travestirt von Blumauer' (Wien 1784-1788), Nicolais Reisebeschreibung ironisch kommentierte. Der Zwist innerhalb des gegnerischen Lagers bot Grolman nicht nur in der 6. Portion von 'Nicolai, Gedike und Biester in gefälligen Portionen' (S. 24) Gelegenheit, Blumauer gegen Nicolai auszuspielen, sondern Grolman kehrte Nicolais Polemik gegen den katholischen Süden des deutsch-römischen Reiches unter ironischer Verwendung der Termini des Berliner Aufklärers gegen den preußischen Norden: "Dabey fällt mir der kuriose Gedanke bey, ob auch wohl 'Nicolai', wenn er - statt über Kloster Bantz, Bamberg und Würzburg etc. durch die Preußischen Provinzen in der Gegend des Rheins, seine große Reise angetreten hätte, und er wäre nachher an jene Orte gekommen, ob ihm auch da noch so ausnehmend sonderbar vorgekommen seyn würde, daß er die Katholiken katholisch gefunden hat; ob er nicht, vermöge seiner großen Wahrheitsliebe, bey allen den schrecklichen Dingen die er gesehen, hätte ausrufen müssen: C'est tout comme chez nous?" - Grolman, der diese und die folgenden Worte seinem fiktiven Dialogpartner Valerius in den Mund legt, spielt damit auf die katholischen Wallfahrten zu dem wundertätigen Marienbild im preußischen Kevelaer an. - "Das Wallen sollten Sie sehen, lieber Freund! Auf viele Stunden Weges finden Sie alle Straßen mit Volk bedeckt, und zwar nicht blos vom Pöbel; nein mit unter feine Kleider und seidene Saloppen. Die Christgläubigen sind da in Regimenter vertheilt, nach Städten, Aemtern oder Ländern, und die Brüderschaften machen wieder besondere Kompagnien aus. Jeder Haufen hat seinen Geistlichen zum Anführer, seine Fahne, Spieße, Lanzen etc. und ihm folgen eine Menge Proviant- und Baggage-Wagen. Man glaubt in der Ferne eine Armee in Kolonnen marschiren zu sehen. Sobald eine solche andächtige Kohorte einem Preußischen Ort sich nähert, wird mit allen Glocken geläutet, sie ziehet singend durch die Straßen in die Kirche, empfängt den Segen und marschiert dann weiter; und so auch beym Rückzuge. In Kevelaer ist eine immerwährende Messe während dieser Zeit. Da liegen seidne und papierne Fahnen von aller Größe und manch anderes andächtiges Rüstzeug zu vielen Tausenden aufgethürmt; denn jeder zurückkehrende Waller schmücket und bewafnet sich mit einem Fähnlein, auch wohl noch obendrein das liebe Vieh, das die Baggage zieht. Was in der Kirche selbst vorgehet, waget mein Kiel nicht zu beschreiben. Er ist zu ungeübt und schwach dazu, und das will ich 'Nicolai' überlassen, wenn er einmal dahin kömmt. Kurz, es geht auch hier zu, wie zu Wallthürn, Langheim etc. und mit vollem Magen, leichten Herzen, und leerem Beutel wird der gravitätische Rückzug angestellt." - Auf den Einwand Orests, des zweiten Dialogpartners, die Arbeit Nicolais sei doch auch wohl nützlich gewesen, fährt Valerius fort: "Ja wohl! als zum Beispiel die pfiffige Entdeckung von der besonderen 'Religions-Physiognomie' der Katholicken. Wenn er dies Meisterstück eines erfinderischen Kopfs ins Reine bringt, so ist sein Ruhm und der Protestantismus auf Ewigkeiten gesichert; denn von nun an, wird man's einem jeden Verführer am Schnabel ansehen können, sollte er auch in Degen und Federhüten aufgezogen kommen. Bringt er diese Physiognomik zu Stande; so hilft kein Verkappen mehr: oder die Jesuiten müsten das Kunststück wissen, im Nothfall sich andere Gesichter zu machen. Ich machte meinen reisenden Freund darauf aufmerksam, und der hat mir verschiedene sehr nette Zeichnungen vom 'innigen katholischen Augenaufschlag', desgleichen ganz accurate Abdrücke, von den 'fleischichtern, röthern' und 'blassern', von den 'eckigten Knochenparthien', den 'perpendiculairen' und 'spitzigen Stirnen' von Leuten aus Holland, Braband, Cleve, Geldern, Lüttich, Cölln etc. gesamlet. Eine schäzbare Sammlung, die in Vergleichung mit dem, was 'Nicolai' in Bamberg, Passau, Wien etc. gesehen, dazu dienen kann, seine Lehre von den katholischen Physiognomien bis zum System zu erheben." [Ludwig Adolf Christian von Grolman:] 'Nicolai, Gedike und Biester in gefälligen Portionen dem Publikum vorgesezt'. Vierte Portion. [Gießen] 1788, S. 14-18. Vermutlich beziehen sich die Schilderung der Wallfahrt von Kevelaer auf den eigenen Augenschein Grolmans, dessen Familie aus Kleve stammte und von dem auch eine Reise an den Niederrhein in Familienangelegenheiten belegt ist. Leider erreichte Grolman in keiner seiner übrigen Schriften ein vergleichbares Niveau an ironischer Spritzigkeit und literarisch ansprechender polemischer Schärfe.

50 Auch Starck selbst scheint diese Auffassung geteilt zu haben, denn er kolportierte sie in einem Schreiben vom 31. Juli 1786 an das Ministerium in Darmstadt: "Daß jene Berlinischen Injurianten, mit den hiesigen Complottisten zusammenhängen, ist theils daraus sichtbar, daß man ehe noch das Stück der Monathschr. worin man mich genannt, nach Gießen kommen konnte (welches auch noch jetzt nirgends in Franckfurth zu haben ist) dort schon von allem was es enthielte benachrichtiget war, theils daraus daß in dem Stück vom August vorigen Jahres gesaget wird, daß ich in meinen Predigten manches von Priesterthum einfließen lasse, welches ihnen nur von solchen Leuten suppeditirt seyn kann, die mich noch gegenwärtig hören, theils aus andern Datis die ich hier übergehe. - Die Absichten die hierunter verborgen liegen sind keine andern als diese: es sollen durch dergleichen nachtheilige Gerüchte Serenissimus zu meiner wircklichen Entfernung, oder doch zu solchen unangenehmen Verfügungen gegen mich geneiget werden, die mich bewegen von selbst meinen Abschied zu suchen." Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: D 12, 43/50: Oberhofprediger v. Starck und Adoptivsohn. 1779-1816. Der Konvolut enthält noch eine Reihe weiterer Aktenstücke, die einen Bezug auf die Injurienklage haben, insbesondere die Kopien der an den Minister Hertzberg nach Berlin eingereichten Schriftsätze.

51 Es folgen unter B. die Vorschläge bezüglich des Vorgehens gegenüber dem Ministerium in Darmstadt.

52 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: D 12, 43/50: Oberhofprediger v. Starck und Adoptivsohn. 1779-1816. Grolman-Gutachten, undatiert, [1786].

53 Johann August Starck: 'Über Krypto-Katholizismus, Proselytenmacherey, Jesuitismus, geheime Gesellschaften und besonders die ihm selbst von den Verfassern der Berliner Monatsschrift gemachte Beschuldigungen mit Acten-Stücken belegt'. 2 Bde. Frankfurt und Leipzig 1787. Johann August Starck: 'Nachtrag über den angeblichen Krypto-Katholicismus, Proselytenmacherey, Jesuitismus und geheime Gesellschaften, besonders seinen Prozeß mit den Herausgebern der Berliner Monatsschrift angehend; mit Acten-Stücken belegt'. Gießen 1788. [Friedrich Gedike:] 'Proceß über den Verdacht des heimlichen Katholicismus zwischen dem Darmstädtischen Oberhofprediger D. Stark als Kläger, und den Herausgebern der Berlinischen Monatsschrift, Oberkonsistorialrath Gedike und Bibliothekar D. Biester als Beklagten, vollständig nebst der Sentenz aus den Akten herausgegeben von den loßgesprochenen Beklagten'. Berlin 1787.

54 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. E 12, 108/1: Grolman-Nachlaß. Brief Grolmans an Zimmermann vom 6. Oktober 1794: "Selbst das ungünstige Urtheil in 67. [Berlin] war mir so unangenehm eben nicht, da es nun Gelegenheit gab über Ungerechtigkeit zu schreyen, und die Juristen mit ins Interesse zu ziehen, das mir vollkommen gelang, denn würdige Männer sagten nun öffentlich in Schriften, daß dem B. [Starck] unrecht geschehen, u. die Sache verlohr sich in juristischen Streitigkeiten über die Injurien."

55 Es kann an dieser Stelle nicht auf alle die Stadt Gießen und ihre Universität betreffenden Implikationen des Kryptokatholizismusstreits und des Vorwurfs der geheimen Proselytenmacherei eingegangen werden, da es sich dabei um eine eigene Untersuchung handeln würde. Daß hier die Gießener Verhältnisse eine nicht unbedeutende Rolle spielten, kann daher nur in Stichworten angedeutet werden. So wäre zu bemerken, daß der Gießener Professor der Rechtswissenschaften Schnaubert ebenfalls von den Berliner Aufklärern des Kryptokatholizismus verdächtigt wurde und sich gegen solche Angriffe öffentlich zur Wehr setzen mußte. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert, daß der berüchtigte Magister Weiße, genannt Albus, ein Abenteurer und eine schillernde Figur, die eine höchst dubiose Rolle als mutmaßlicher geheimer Proselytenmacher spielte, sich eine Zeitlang in Gießen aufhielt und sich hier, allerdings ohne Erfolg, um eine Dozentenstelle an der Universität bewarb.

56 Im einzelnen handelt es sich um folgende Rezensionsfolgen: Herrn Oberhofprediger D. Starks Erklärung. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen'. 9 (1786), S. 896-900. Herrn Oberhofprediger D. Starks weitere Erklärung. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen'. 10 (1787), S. 364-365. Herr D. Starck über Krypto-Katholicismus, In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen'. 10 (1787), S. 703-745, S. 1095-1128. Herrn Oberhofprediger Doct. Starcks Proceß mit den Berliner Monatsschriftstellern. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 10 (1787), S. 829-859. Schriften von, für und wider Herrn Oberhofprediger D. Starck. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 11 (1788), S. 589-624. Schriften Hrn. D. Stark betreffend. Fortsetzung. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen'. 11 (1788), S. 675-689; ab hier falsche Paginierung: 590 [690]-602 [702]. Schriften, von, für und wider Herrn Oberhofprediger D. Stark, auch Hrn. Nicolai. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 11 (1788), S. 659 [759]-690 [790], 781 [881]-798 [898]. Schriften Herrn Oberhofprediger D. Stark betreffend. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 12 (1789), S. 179-203, S. 355-378 Neueste Schriften gegen und von Hrn O. H. P. D. Starck. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 12 (1789), S. 570-622. Abermalige Schriften, Herrn O. H. Pr. Dr. Starck betreffend. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 12 (1789), S. 673-686. Schriften Hrn. Oberhofprediger D. Starck betreffend. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen.' 12 (1789), S. 897-918. Herrn von Grolman Regierungs- und Consistorial-Directors in Gießen Erklärung. In: 'Die neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen'. 13 (1790), S. 347-360.

57 Charlotte Elisabeth Konstantia von der Recke: 'Etwas über des Herrn Oberhofpredigers Johann August Starcks Vertheidigungsschrift, nebst einigen andern Erläuterungen'. Berlin und Stettin 1788.

58 So meint Grolman in dem bereits mehrfach zitierten Brief an Zimmermann vom 6. Oktober 1794 im Darmstädter Grolman-Nachlaß, die Frau von der Recke sei von Nicolai zu ihren gegen Starck erhobenen Vorwürfen "genothzüchtigt" worden. In der vierten Portion von 'Nicolai, Gedike und Biester' versucht Grolman, die Bezichtigungen der kurländischen Schriftstellerin dadurch als haltlos erscheinen zu lassen, daß er ihr Schwärmerei und übertriebene Empfindsamkeit unterstellt. Ihre erhitzte Imagination habe sie zu einer irre geführten Seele werden lassen. Sie hätte besser daran getan, ihre beschwerliche Nervenkrankheit erst einmal auszukurieren, als Starck anzugreifen (S. 81-100).

 


   
Copyright © 2000-2009 Rolf Haaser
Design by Inter@ctive Design